3. Die Nachfeier.

Die Musikanten haben ausgesiedelt, der Hochzeitslärm ist verstummt. Die Frau Wirtin hat ihre etwas in Unordnung gebrachten Siebensachen wieder aufgeräumt und das Dorfleben kommt allmählich in sein gewöhnliches Geleise. Doch nur allmählich, nicht ganz. Ein solch' aufregendes Ereignis wie eine Hochzeit, eine solche Lustbarkeit muß notwendig in einer Nachfeier verebben. So versammelt man sich in Gröden am Tage nach der Hochzeit zu einem abermaligen Schmaus im Wirtshause oder man macht, wenn es Winter ist, eine Schlittenfahrt. Damit ist es noch nicht genug. Am nächsten Sonntag, wo das junge Weib noch in der Volkstracht in der Kirche erscheint, kommen die gewesenen Hochzeitsgäste zum drittenmale im Wirtshause zusammen und nehmen von dem neuen Ehepaare mit Glück- und Segenswünschen Abschied. Im Pustertal geht der neugebackene Ehemann mit seiner jungen Frau auf Besuch zu den nächsten Anverwandten, die ihm als Entgelt für das gestrige Hochzeitsmahl, das für sie der Bräutigam bestritt, mit einem Nachschmause aufwarten. Diesen nennt man "Eier und Schmalz" und den Tag "Eier- und Schmalztag". Im Unterinntal kennt man die Bezeichnung der "Nachhochzeit", die acht Tage später oder am folgenden Sonntag im Wirtshause stattfindet, und versteht darunter im engeren Sinne das "Poppele" von Zuckerteig, welches Wirt und Wirtin zur allgemeinen Belustigung der Anwesenden der Braut vorweist. In Proveis hingegen nennt man den Nachschmaus, der um Sonntag nach der Hochzeit in bescheidener Weise im Eltern-Hause der Braut eingenommen wird: "s Buand'l o'nog'n" (das Bein'l abnagen). Die wohlhabenden Bauern Nordtirols geben bei ihrer Vermählung häufig den Dorfburschen ein Scheibenschießen. Dabei sind auf den Scheiben die Sinnbilder der Hochzeit mit den Namen des Brautpaares und dergleichen aufgenagelt. Daß die Schützen und vorzüglich die Bestgewinner es an Trinksprüchen auf den großmütigen Festgeber nicht fehlen lassen, besonders wenn er sich irgendwo zeigt, versteht sich von selbst.

Minder angenehm als diese Arten von Hochzeitsnachfeier mag dem jungen Ehepaar der Schabernack sein, den ihm die Dorfburschen zwei bis drei Tage nach der Hochzeit spielen und zwar besonders dann, wenn die Heirat oder die betreffenden Personen aus irgend einem Grunde nicht beliebt sind. Ich meine nämlich das sogenannte "faule Weib singen". Bei einbrechender Dämmerung ziehen die Burschen, versehen mit den seltsamsten Instrumenten, wie: Hafenplatten, Bockshörnern, Spritzkannen, Kesseln, Pfannen, Wasserschäffern etc. vor das Haus der Neuvermählten und bringen diesen ein wahrhaft ohrenzerreißendes Ständchen, während andere Teilnehmer des Zuges die Stimmen von Tieren, z. B. von Eseln, Kühen, Hähnen usw. nachahmen zur großen Belustigung der Dorfbewohnerschaft, die sich stets in großer Anzahl versammelt. Nach einer Weile schweigt die "Musik" und ein Chor der Burschen singt das "Lied vom faulen Weib":

Und wer a faules Weib hat, der mag wohl traurig sein,
Der mag wohl morgens früh aufsteh'n und selber kenten ein (einheizen).

Der Mann der ging zu Holze, zu Mittags wieder heim,
Da lag das faule Weib im Bett und strecket ihre Bein',

O Mann, o lieber Mann mein, was tust du so fruah z'Haus,
Dort unten bei dem Kasten, da lauft a weiße Maus."

In dieser Art geht das Lied weiter, indem es in wenig geistreicher Weise die Qualen eines Pantoffelhelden schildert, dem sein faules untreues Weib manchen Possen spielt, bis Gott sein inständiges Gebet erhört und der Tod sie wegholt. Kaum von ihr erlöst, heiratet der törichte Mann einen "jungen Flederwisch", bei dem er noch mehr zu leiden hat als bei der ersten Frau. Statt dieses Liedes wird auch häufig eine komische Litanei gesungen, in welcher der frühere Lebenswandel des jungen Ehepaares und dessen Schwächen und Fehler schonungslos gegeiselt werden. Ich war selbst einmal Zeuge eines solchen Spektakels, der im Dorfe Vill bei Innsbruck in Szene gesetzt wurde. Alle Ehestandsübel, alle Untugenden, besonders der Weiber, wurden da in einer Blumenlese von schönen Ausdrücken aufgezählt: "Du Kaffee-brent'n (Bottich)" hieß es, "du Schnapskessel, du Branntweindudl . , . vor allen bösen Weibern, verschone uns, o Herr ... alle geplagten Männer, entledigt euch von den Weibern etc. Dazwischen kamen Derbheiten, die ich nicht wiederzugeben wage! Das angesungene Ehepaar muß zur ganzen Sache, so unangenehm ihm dieselbe auch sein mag, eine gute Miene machen, da ihm das Gegenteil nichts nützen, sondern die Burschen nur zu größerem Lärm und Skandal herausfordern würde. Dennoch bringt es mancher Hitzkopf nicht über sich, den Spott ruhig anzuhören, und ergreifen dann noch mehrere Zuschauer seine Partei, so geht das - Abendständchen oft übel aus und endet mit einer Rauferei und blutig geschlagenen Köpfen.

Gin ähnlicher Gebrauch ist die sogenannte "wilde" oder "blinde Hochzeit", die früher häufig war und in manchen Gegenden noch stattfindet. Die Aufführung dieses Spottspieles ist eigentlich ein Akt der Volksjustiz und geht dann vor sich, wenn eine Heirat durch Verschulden des einen Teiles der schon Verlobten nicht zu Stande kam. Doch geschieht es auch oft bei einer wirklichen Hochzeit, wenn nämlich das neue Ehepaar sich durch irgend ein Ärgernis vor den Augen der Dorfbewohner versündigte. So wurde vor mehreren Jahren in Götzens, einem Dorfe auf dem Mittelgebirge südwestlich von Innsbruck, eine "wilde Hochzeit" veranstaltet. Der Wirt dieses Ortes hatte nämlich seiner Kellnerin die Ehe versprochen, doch erst nach langem, langem Zaudern, nach vielem Zureden der Freunde und öfterem Auseinandergehen beider Teile wurde dieselbe endlich geschlossen. Das war den Dorfburschen Grund genug, das Paar zum Gegenstand einer "blinden Hochzeit" zu machen. An einem Bauernfeiertage im Sommer fand diese statt. Auf einmal bewegte sich 9 Uhr morgens ein langer Hochzeitszug durchs Dorf nach dem Kirchplatze. Voraus gingen zwei "Kandelträger" (zwei Burschen mit großen Weinkannen), hinter ihnen kamen festlich geputzte Buben; ihnen folgten die "Kranzeljungfern", natürlich als Mädchen verkleidete Bursche in weißem Staat; an sie reihten sich die Zeugen und das Brautpaar. Dieses war in Anzug, Gestalt und Benehmen so genau als möglich das Ebenbild des verhöhnten wirklichen Brautpaares. Ihm zur Seite ging die Brautmutter, dahinter schritten die Stiefkinder der Braut mit dem "Gerhab" (Vormund) nach. Darauf folgte der Plunderwagen. Hinter demselben marschierten die Schützen mit ihrer "Musikbanda" und den Schluß bildeten die Bettelleute, die "Laninger" und anderes Gefolge. Nachdem man auf dem Kirch- und Dorfplatz angekommen war, machte die Schützenmusik einen "Tusch" und ein als Geistlicher verkleideter Bursche trat vor und fragte das Paar, ob es sich christlich ehelichen wolle. Nach Bejahung dieser Frage traute er das Paar. Darnach machten die Musikanten wieder einen Tusch, und nun wurde die schon erwähnte Litanei nebst anderen scherzhaften Gebeten mit besonderer Bezugnahme auf die betreffenden Persönlichkeiten abgesungen. Nach deren Beendigung ging der Zug ins Wirtshaus und verzehrte dort ein kleines Hochzeitsmahl, welches mit einem lustigen Tanz beschlossen wurde.

Im Unterinntal kennt man einen ähnlichen Gebrauch unter dem Namen "Buhinmusik". Wenn sich nämlich Personen verehelichen, die als lächerlich oder mißliebig gelten, oder wenn ein Witwer zum zweitenmale heiratet, so wird das betreffende Paar eines schönen Abends durch einen wahren Höllenlärm überrascht, und wenn der junge Ehemann erschreckt ans Fenster läuft, so kann er draußen die bekannte Musikbande mit den seltsamsten Instrumenten hantieren sehen, während andere im Schreien ihr Möglichstes leisten. Ist nun der Bräutigam klug, so öffnet er schnell die Haustüre, macht das freundlichste Gesicht, das er zu machen im Stande ist, und zahlt den ungebetenen Gästen ein hinreichendes Maß von Branntwein, damit sie in Frieden abziehen. Tut er das nicht, so wird die Katzenmusik zwei- bis dreimal an den folgenden Abenden wiederholt, bis endlich der Loskauf stattfindet. Dasselbe Ständchen wird auch der "Kupplerin" oder dem "Kuppler" gebracht, wenn man nämlich irgend jemanden dieses löblichen Geschäftes schuldig weiß, bis auch dieser sich loskauft.

Im welschtirolischen, aber von Deutschen bewohnten Dorfe Palù herrscht derselbe Gebrauch, nur mit dem Unterschiede, daß an der Spitze des abenteuerlichen Zuges derjenige Witwer gehen muß, der sich vor diesem Paare zuletzt verheiratet hat. Er trägt auf einer langen Stange ein altes Leintuch oder einen "Huder" als Fahne. Weigert er sich, diesen interessanten Fähndrichdienst zu versehen, so wird er ebenfalls mit einer Katzenmusik bedacht Das Schauspiel wiederholt sich an drei Abenden, doch kann sich das Paar davon loskaufen, indem es einen Gulden an die Kirche bezahlt. Mit Leuten aber, die sich zum drittenmale verheiraten, kennt man kein Erbarmen mehr. Früher war die Sitte unter dem Namen "Smakkaluz" auch im Bezirk Persen bekannt und zwar wurde in der Hochzeitnacht mit Eisenkesseln und kupfernen Becken, auf welchen man mit Eisenstäben trommelte, durch das ganze Dorf Generalmarsch geschlagen. Da aber jedes betreffende Brautpaar es vorzog, sich mit einer Geldsteuer an die Kirche von diesem Schimpf zu befreien, so ist der Gebrauch jetzt ganz abgekommen.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 377 - 381.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Isabella Richrath, Oktober 2005.
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