Ostern.

Die stille heilige Osternacht ist vorüber und der Festmorgen bricht an. Wenn Ostern später im Jahre fällt, so erblickt man bereits überall die Vorboten des nahenden Frühlings. Lichtblau und duftig wölbt sich die Himmelsdecke über den Kuppen und Spitzen, auf denen das Gold der Frühsonne glänzt. Der Hermelinmantel der Berge ist schon arg schadhaft geworden, überall blickt das dunkelgrüne Tannengewand hindurch, während einzelne weiße Schneelappen bis zum Fuße hinabhangen. Laubbäume und Gesträuch sind noch kahl, aber auf den sonnigen Halden sproßt schon das junge Grün, aus welchem Hunderte von blauen und roten Anemonen und weißen Gänseblümchen hervorlugen. Auch auf den Feldern im Tale beginnen schon die Frühlingsarbeiten, wie das braune, frischgepflügte Erdreich zeigt, von dem sich die grünen Winterkornäcker wie viereckige Teppiche abheben. Heute aber stört kein Pflug oder Düngerwagen die feierliche Sonntagsruhe, nur die langgezogenen Klänge der Kirchenglocken hallen durch die frische Morgenluft.

Desto lebendiger ist es schon in aller Frühe in den Bauernhäusern. Wer wollte lang in den Federn liegen bleiben an einem solchen Festtage, den sogar die alte Sonne bei ihrem Aufgange mit drei Freudensprüngen begrüßt? Und das muß wahr sein, wenn auch die Astronomen von besagtem Tänzlein nichts wissen, denn der achtzigjährige "Nähndl" hat es erst gestern mit vielen Beteuerungen bekräftigt und dabei das gottlose junge Volk ausgezankt, das nichts mehr glauben wolle. Der Hans und die schmucke Moidel schauen deshalb wirklich beim Aufstehen mit zweifelndem Blick nach der östlichen Himmelsgegend. Aber das Wunder will sich nicht sehen lassen, vermutlich weil die leichtsinnige Jugend dessen gar nicht würdig ist. Die Moidel wiederholt sich soeben im Stillen ein Ostereiverslein, welches ihrem Anbeter baldige Erhörung verheißt, und Hans hat den Kopf voll von den lustigen Osterspielen, die Montags und Dienstags ausgeführt werden sollen.

Unterdessen eilt die fromme Hausmutter hinab in Küche und Keller, nimmt einen Handkorb hervor und bepackt ihn mit allerlei Lebensmitteln: Duftendem Schinken, kaltem Braten, Eiern, besonders den am Gründonnerstag gelegten, und Osterbrot, "Fochaz" genannt. Dies alles schleppt sie sodann zur Kirche, um es weihen zu lassen, damit die Seele beim Ostermahl nicht Schaden leide. Dieses gipfelt in dem Braten, der nach der vierzigtägigen Fasten doppelt gut mundet. Als Schaustück prangt auch ein Osterlämmchen auf dem Tische, zierlich aus Butter gearbeitet, mit rotem Bündchen um den Hals und einer Osterfahne an der Seite.

Während aber die Erwachsenen sich die guten Bissen trefflich schmecken lassen, wollen die Kinder nicht recht zugreifen. Die kleinen Schelme wissen ganz gut, welche Leckereien heute noch ihrer warten. Sie gehen nämlich nachmittags "österlen", d. h. die "Taufgodel" hat sie auf eine "Merende" (Jause) eingeladen. Schon am "Weihenpfinstag" hat sie zu dem Zwecke Eier rot gefärbt und mürbes Brot gekauft. Letzteres wird in verschiedener Form gebacken; die Knaben bekommen Hirsche oder Hasen, die Mädchen Hennen. Festlich herausgeputzt, mit freudegeröteten Wangen und leuchtenden Äugen erscheinen die kleinen Gäste. Die "Godel" führt sie an den sauber gefegten Tisch, von welchem den Leckermäulchen allerlei Näschereien entgegenlachen: Kuchen, Krapfen mit süßer Fülle, Hasenöhrlein, Äpfel und Käsküchlein. Die Krone aller dieser Köstlichkeiten aber ist das blendendweiße "Neuschmalz", das auf einem zierlichen, altmodischen Zinnteller in der Mitte der Tafel prangt. Diese kalte Speise wird aus Milch, feinem Weizenmehl und Butter gekocht; oben auf dem weißen Brei fließt goldgelber Honig herum. Bald schnabulieren die Kleinen mit vollen Backen und wenn die Mäulchen einmal leer stehen, so plappern sie ganz aufgeregt vor Festfreude der "Godel" von allen möglichen wichtigen Dingen vor, so daß selbst dieser das Herz aufgeht, wenn sie die beneidenswerten, unschuldigen Erdenwürmlein ansieht, die noch "über jedes krumme Hölzchen lachen" können. Zum Schluß packt sie den Kindern noch die roten Eier in ein Körbchen und hängt ihnen die Brothähne und Hennen an den Arm, die oft so groß sind, daß die Kleinsten daran zu tragen haben. "Wie werden Vater und Mutter und die Kameraden schauen," denkt sich jedes der Beschenkten; fast vergessen sie der guten "Godel" zu danken, so eilig haben sie es nach Hause, um die vielen, schönen Sachen herzuzeigen.

Dort wird sogleich das "Eierpecken" versucht, ein Spiel, darin bestehend, daß mit der Spitze des einen auf jene des andern Ostereies gepickt wird. Das zerbrochene Ei gewinnt der Besitzer des ganz gebliebenen. Die Buben unterhalten sich nebstdem mit dem "Eierkegeln", einer Art Kegelspiel. Sie legen nämlich ein Brett schief und lassen einer nach dem andern ein Ei hinunterlaufen. Wenn ein späteres Ei an ein schon unten liegendes anprallt, so wird dieses vom Besitzer des ersteren gewonnen. So sah ich es noch an den letzten Ostern in Gufidaun ober Klausen. Vom Beschenken mit Ostereiern, das einen Hauptspaß der erwachsenen Jugend, besonders der Liebesleute bildet, soll später ausführlich die Rede sein, hier sei nur bemerkt, daß die Ostereier schon manches Paar zusammengebracht haben, daß aber auch oft eine Dirne oder ein Bursche diese Gelegenheit benützt, um dem bisherigen Schatz den Laufpaß zu geben.

Gesetzte Leute jedoch, die längst in den ruhigen Hafen des Ehestandes eingelaufen sind, ich meine die ehrsamen Hausväter und Mütter, besorgen am Ostersonntag und Montag das Geschäft des "Palmens". Man steckt nämlich kleine Palmzweige, die am Palmsonntage nebst Karsamstagskohlen, welche an diesem Tage bei der Feuerweihe geweiht wurden, auf die Äcker und zwar in die vier Ecken und in die Mitte derselben. Später beim Pflügen legt man drei kleine Kreuze aus Palmzweigen in die erste Furche. Nach dem Palmen der Äcker nimmt man das gleiche in Haus, Stall und Tenne vor, damit wie das schädliche Ungeziefer und der Hagelschlag von den Feldern, so auch Viehseuchen, Krankheiten, Blitz und Feuersbrunst und vor allem die bösen Hexen, welche bekanntlich aus Privatvergnügen ihren Mitmenschen derlei Schädlichkeiten anwünschen, von Haus und Hof fernbleiben mögen. In bezug auf die Feuersgefahr wäre oft wirklich ein schützender "Palm" wünschenswert, denn wenn man sieht, wie leichtsinnig die Burschen und Knechte mit den brennenden Tabakspfeifen im Munde zwischen den Heu- und Strohschobern in der Tenne herumhantieren und sich oft gleich darauf ebenso sorglos schlafen legen, so möchte es einem kalt über den Rücken laufen. Aber wie gesagt, gegen das Feuer schützt ja der "Palm" und wenn es der nicht tut, so tut es doch der heilige Florian, der alle Abende nach dem Rosenkranz deshalb einen Extravaterunser kriegt.

Ist der Hausvater mit dieser frommen Arbeit zu Ende, so mahnt ihn die Bäuerin, die für ihre Hühner und Gänse einen Überfall des Fuchses fürchtet, einen geweihten Palmzweig um Haus, Hofraum und Feld herum auf dem Boden nachzuziehen, denn sie weiß aus Erfahrung, daß dann das Teufelsvieh keine Gewalt über das Geflügel hat. Das "Palmen" darf beileibe nicht verschoben, sondern muß am Ostersonntag, höchstens allenfalls noch am Montag vorgenommen werden, wenn es nicht seine ganze Kraft verlieren soll. Beweis dafür ist der Homeier Tonl. Der war auch so einer von den Aufgeklärten, machte sich lustige Feiertage und ließ das Palmen eine ganze Woche anstehen. Was geschah? Im Sommer darauf kam ein Hagelschlag und traf "akkurat" des Tonl noch ungeschnittene Kornfelder am allerärgsten.

Abgesehen vom Palmen verläuft der Ostersonntag ziemlich ruhig. Die rechte Osterfreude bricht noch nicht durch, dazu ist der Tag zu heilig. Desto lustiger geht es allerorten am Ostermontag her. Die Städter gehen in förmlichen Karawanen "nach Emaus", d. h. sie machen nach altem Brauch pflichtschuldigst eine Landpartie. Die Annehmlichkeit ist dabei nicht allzugroß, denn in den Wirtshäusern trifft man überall tabakqualmende Bauern, die sich einen guten Tag antun. Sind diese in die rechte höhere Stimmung gebracht, so wirft einer das zündende Wort ins Gerede, der Streit beginnt und nun geht die Keilerei los, denn, "wo nicht gerauft wird, da ist's gar nicht lustig." Schließlich stiegen die Besiegten mit blauen Augen und blutenden Nasen zur Wirtshaustür hinaus.

Eine minder handgreifliche Unterhaltung sind die Bauernkomödien, welche als "Osterspiele" an manchen Orten aufgeführt werden. Der Stoff ist eine Legende oder eine Rittergeschichte, möglichst schauderhaft und rührend mit verlockendem Titel, z. B. "Das Blutgericht in der Totenkapelle um Mitternacht" oder: "Was auch die Unschuld leiden muß, die Bosheit fällt durch einen Schuß." Der Dialog bewegt sich in hochtrabenden Alexandrinern. Diese Bauernkomödien mit ihrem "Genius" und ihrem unvermeidlichen "Bösewicht" sind so einzig in ihrer Art, daß wir sie später eingehender behandeln werden.

Zum Schlusse seien noch zwei auf Ostern bezügliche Prophezeiungen erwähnt, die im Munde des Volkes leben, "Wenn," so wird versichert, "Markus auf Ostern, Antonius auf Pfingsten und Johannes auf Fronleichnam fällt, so wird ein Wehgeschrei erheben die ganze Welt," ein Spruch, den das Jahr 1848, wo Markus auf den Osterdienstag fiel, zu bestätigen schien. Allerdings traf der Spruch im Jahre 1852, wo, glaube ich, das Fest dieses Heiligen sogar auf den Ostermontag kam, nicht zu, aber da wird schon etwas "gehapert" haben in der himmlischen Maschinerie. Die andere Prophezeiung knüpft sich an das Bild des auferstandenen Christus. Dieser weist nämlich mit dem Zeigefinger der rechten Hand gen Himmel, die andern Finger sind geschlossen. Die Jünger wollten einst, so erzählt die Legende, den Herrn ausforschen, wie lange die Welt noch stehen werde. Er erwiderte- "Tausend und" - allein da verstanden sie nicht, ob er sagte: "und immer tausend" oder "und nimmer tausend". Deshalb hat der Heiland außer dem Zeigefinger alle geschlossen zum Zeichen, daß die fragliche Zahl darunter verborgen liege.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 62 - 67.
Frakur-OCR korrekturgelesen von Carsten Heinisch