An der Schwelle des Winters.

Um Martini (11. November) ist es mit der Herrlichkeit des Sommers und Herbstes so ziemlich zu Ende. Kahl starren die Äste der Sträucher und. Bäume in die Luft, während zu ihren Füßen das gelbe Laub in großen Haufen aufgeschichtet liegt. Die letzten Wagen mit Rüben und Krautköpfen sind bereits eingebracht, nur einige zerstreute Türkenstrohschöber stehen noch draußen auf den öden Feldern, zwischen denen die grünen Samtflächen der sprossenden Wintersaat wie eine tröstliche Osterverheißung sich ausdehnen. Wenn er nun kommt der Feind alles Lebens, der grimme Winter, um in Berg und Tal sein Vernichtungswerk zu beginnen, so findet er keine Beute mehr. Eine einzige Arbeit hat der Bauer noch abzutun, ehe die weiße Flaumdecke Wald und Flur überzieht: Das "Ströb (Streu) richten". Darum sieht er auch um Martini noch gerne schönes Wetter, obwohl das Sprichwort sagt:

"St. Martinstag trüb
Macht den Winter lind und lieb,
Ist er aber hell mit Sonnenschein,
So wird auch streng der Winter sein."

Am Martinstag selbst wird übrigens nicht gearbeitet, denn er ist ein sogenannter Bauernfeiertag. In nicht wenigen Dörfern ist dieser Heilige Kirchenpatron, wo dann sein Fest mit großem Pomp als "Kirchtag" gefeiert wird. Auch trifft man häufig Kapellen mit dem "wundertätigen" Bilde des heiligen Martin, zu dem man von nah und fern Wallfahrten unternimmt. Die berühmteste solcher Wallfahrtskirchen ist "St. Martin am Kofel" bei Latsch in Vinschgau. Im Bauernkalender prangt als Zeichen des Martinifestes eine Gans, was so viel sagen will, als daß ein derartiges Geflügel auf keinem Tische fehlen soll. Wirklich sorgt auch jede Bäuerin, wenn anders die Wirtschaft nicht allzu "notig" ist, für einen Gänsebraten, von den Städten nicht zu sprechen, wo noch jede Bürgersfrau, die auf guten alten Brauch etwas hält, aus den auf dem Markte feilgebotenen Tieren ein fettes Stück aussucht und es nach allen Regeln der Kochkunst schmort. Beim Zerteilen richten sich die Blicke der Tischgesellschaft vor allem auf das Brustbein, welches wie der heutige bewölkte oder unbewölkte Himmel für den kommenden Winter bedeutungsvoll sein soll. Ist seine Farbe rot, so weissagt man strenge Kälte, ist sie aber weiß, so hat man milde Witterung zu hoffen. Wer indessen ein guter Schütze ist, kann sich möglicherweise auch den folgenden Tag an einem Gänsebraten erfreuen.

In vielen Gegenden, besonders im Inn- und Etschtal, weiden nämlich zu Martini sogenannte Gansschießen veranstaltet, wobei dem besten Schützen als erstes "Best" eine wohlgemästete Gans zuteil wird. Es ist dies das letzte Schießen vor der Winterzeit, welches eben deshalb überall lustig begangen wird. Im Etschtale haben ohnedies viele Burschen diese Tage frei, weil dort Martini, wie an anderen Orten Lichtmeß, als "Hauptschlenggeltag" gilt. Da sieht man, wie wir schon früher hörten, die Knechte und Dirnen mit Sack und Pack von einem Haus und einem Dorf zum anderen ziehen und, wenn man in eine Wirtsstube tritt, so kann man genug verliebte Pärchen hinter den Tischen sitzen sehen, die sich bei dieser Gelegenheit einen frohen Tag antun. Denn kein Liebhaber ist so ungalant, sein Schätzchen ohne Begleitung wandern zu lassen, sondern er trägt oder führt ihr im Karren den "Schlenggelpack" nach, wobei er natürlich nicht versäumt, mit ihr dort einzukehren, wo just der Herrgott seinen Arm heraussteckt, und bei süßem Wein und Braten goldene Pläne für die Zukunft zu schmieden.

Ein weiteres Martinifest war ehemals der "Jäger- und Vogelfänger-Dinseltag" bei Innsbruck. Im Jahre 1857, wo wie öfter ein herrlicher "Altweibersommer" bis tief in den November hinein andauerte, erstiegen die Beteiligten am Martinstag abends den Abhang unter der "Frau-Hitt" und zündeten bei einer Felsenhöhle unter der Höttinger Alpe ein großes Feuer an, bei welchem verschiedene Stücke Wildpret gebraten und verschmaust wurden. Bei ungünstiger Witterung ward der Dinseltag in einem Gasthause der Stadt abgehalten.

Ist es um diese Zeit herum schön und hat der erwünschte "Allerheiligenwind" den Boden der Waldungen gehörig ausgetrocknet, so macht sich der Bauer mit seinen Knechten und Mägden an das "Ströbrichten", das verschiedene Arbeiten in sich begreift. Zur Streu verwendet man vor allem Moos, das im Unterinntal "Molten" 1) heißt, daher das Sammeln desselben in dieser Gegend "Maltern", "in den Molten gehen" genannt wird. Einige Tage früher begibt sich der Bauer oder ein Knecht hinauf in den Hochwald, sucht einen Platz aus, wo recht schöner und tiefer "Molten" ist, und baut dort eine "Krippe" aus kurzen quadratförmig übereinander gelegten Baumstämmen als Zeichen, daß dieser Platz bereits besetzt sei und sich daher niemand einfallen lasse, sich hier zum Ströbrichten niederzulassen. An dem zum "Moltnen" bestimmten Tage setzt sich die Gesellschaft der Knechte, Mägde und Tagwerker schon um vier Uhr zum Frühstück, das, weil man auf dem Berg oben schmal abbeißen muß, aus einer tüchtigen Pfanne voll schmalziger Nudeln besteht. Während des Mahles einigt man sich über die verschiedene Arbeitverteilung. Die Weibsleute müssen "Molten kralen", ein Mann muß "zusammentragen", ein anderer den Streuhaufen bauen und ein dritter die "Taxen schneiteln". Jeder nimmt sodann die entsprechenden Werkzeuge; die "Kralerinnen" die Eisenrechen, der "Schneller" Beil und Steigeisen, der Baumeister Hacke und Gabel. Der "Zusammentrager" trägt einen Korb mit Lebensmitteln auf dem Rücken.

So wandert die Karawane mit fröhlichem Jauchzen und Jodeln dem Hochwald zu. Der Weg ist steil, deshalb muß auch hie und da ein "Rasterl" gemacht werden. Ist man am Bestimmungsorte angelangt, so geht jeder mit einem "in Gott's Nam'" an seine Arbeit. Die "Kralerinnen" kralen (kratzen) "anhabig" (emsig) Molten, der "Trager" trägt gleich einer Ameise, der "Schneiter" klettert auf die Bäume und hackt Taxen, daß die Äste da und dort herunterfliegen, der "Baumeister" baut in der Umrahmung der Krippe seinen kunstgerechten Streuhaufen, erst eine Lage Moos, dann Taxen und so fort. Dabei wird gelacht und mancher Juchzer "hildert" in die frische Bergluft hinaus, besonders wenn lustige Burschen und Dirndln dabei sind.

Um elf Uhr hält man "Mittag". Man fetzt sich zu einer Quelle, verzehrt Käse und Brot, oft auch ein Stück Weihnachtszelten, den die Bäuerin eigens für diesen Zweck früher gebacken hat, und trinkt Wasser und Schnaps dazu. Eine Stunde gönnt man sich Rast, dann aber, wenn die fernen Klänge der Zwölfuhrglocke vom Tale heraufschallen, geht es wieder an die Arbeit. Um fünf oder sechs Uhr wird "Feierabend gelassen". Man putzt noch sauber alles Moos zusammen, stützt den Streuhaufen ringsherum mit Baumsäulen und deckt ihn mit Tannenzweigen oder Rinden zu, damit er, vor Wind und Schnee geschützt, gut "abbrennen" könne. Herabgeschafft wird die Streu erst im Winter mit Schlitten. Für jetzt packen die Arbeiter ihre Werkzeuge zusammen und machen sich auf den Weg ins Tal. Sobald das heimatliche Dorf in Sicht ist, läßt einer der Knechte einen hellen Juchzer los, welcher der Bäuerin das Nahen der "Moltner" verkünden und sie mahnen soll, ein schmalziges Nachtmahl für hungrige Ankömmlinge zu kochen. Dem spricht man auch nach Kräften zu und legt sich dann früh zu Bette.

Am folgenden Morgen geht dieselbe Arbeit von neuem an, meistens vier bis sechs Tage lang, und ist man mit "Moltnen" fertig, so beginnt erst das "Taxenschneiten". Denn nicht genug, daß man schon unter das Moos Tannenzweige mengt, rückt man den Bäumen noch einmal mit dem Beil zu Leibe und beraubt sie in schonungsloser Weise ihres Nadelschmuckes. Namentlich im Pustertale sowie im Brixentale trifft man solche "geschändete" Waldstrecken in großer Ausdehnung. Baum um Baum wird bis zum Gipfel hinaus kahl geschoren und man sieht es den rings mit grauem Baumbart überkleideten Stämmen, an denen nur zu oberst ein paar armselige halbdürre Zweige hängen, an, daß sie mit ihrer grünen Zier auch Saft und Kraft verloren haben. Meistens sterben die Bäume nach und nach ab, und daß kein junger Nachwuchs aufkommt, dafür folgt das eben beschriebene "Ströbrechen", bei dem jedes junge Pflänzchen mit der Wurzel ausgerottet wird. Nimmt man dazu das vielfältige, oft höchst unverständige Umhauen ganzer "Schläge" und das Ausreißen der "Stöcke", bei welchem Vorgang das Erdreich weitum aufgelockert wird und allen Halt verliert, so darf man sich nicht wundern, wenn einerseits immer größerer Holzmangel eintritt, andererseits den Muhrbrüchen Tür und Tor geöffnet wird.

Wenn nun ein heftiger Gewitterregen oder ein Wolkenbruch kommt und die Wildbäche anschwellt, so rutscht die lockere Erdenmasse widerstandslos zu Tal, reißt in wildem Sturze Bäume und Steinblöcke mit, zerstört Äcker und Wiesen, untergräbt Häuser und fordert nicht selten auch Menschenleben zum Opfer. Da hallt dann durch die pechschwarze Gewitternacht der Jammerruf der Leute: "Der Bach kimmt, der Bach kimmt!" Und der Meßner muß gleich die geweihte Wetterglocke läuten und der Herr Kurat den Wettersegen lesen oder gar mit der Monstranz "zum Bach außi" eilen, um den empörten Fluten Halt zu gebieten, aber ich habe noch nie gehölt, daß diese deshalb ein Stück weggeschwemmtes Land wieder herausgegeben hätten. Den Übelstand durch vernünftige Forstwirtschaft in der Quelle zu verstopfen, daran denkt niemand und doch ist wahrlich schon die elfte Stunde angebrochen, um es zu lernen. Die fürchterlichen Verheerungen des Jahres 1908 im Alpach- und Zillertale sind ein schauerlicher Mahnruf hiezu 2) . Zwar sind gerade im Unterinntale mit Ausnahme des Brixentals die Zustände im allgemeinen etwas besser, da hier wenigstens die Plätze zum "Taxenschneiten" von den Förstern und Gemeindewaldaufsehern ausgesteckt werden und die ganze Arbeit nach einer bestimmten Ordnung vor sich geht. Doch ist auch hier der Unfug immer noch arg genug. Zur Streu verwendet man auch die abgefallenen Blätter der Laubbäume, vorzüglich der Erlen. Es wird ebenfalls in der Zeit um Martini zusammengerecht, in große Haufen aufgeschichtet und dann auf Wagen heimgeführt. Das Laub der Obstbäume sammelt man entweder mit Rechen oder mit Besen aus dornigen Berberitzenstauden, dörrt es an der Sonne und gibt es den Schafen und Ziegen als Futter.

Mit der Zurichtung der Streue ist die letzte Herbstarbeit getan. Die Herabschaffung derselben, sowie jene des Holzes und Bergheues kann erst bei Schlittweg vor sich gehen, daher mag sich der Bauer vorderhand dem süßen Nichtstun hingeben und auf der warmen Ofenbank seine Pfeife schmauchen, ein Schläfchen machen oder zur Abwechslung mit ein paar Genossen einen "Karter" austun (Karten spielen). So kümmert es ihn wenig, wenn außer den geschlossenen Fensterläden der Novembersturm heult und der "wilde Ochsner", der Alber und die Hexen ihr nächtliches Unwesen treiben.

Diese gespenstischen Unholde, deren Erscheinen nach dem Volksglauben an die Zeit um Martini geknüpft ist, sind interessant genug, daß mir ihnen noch einige Aufmerksamkeit schenken.

Der Alber, der in einigen Gegenden auch St. Martinsvogel heißt, ist nach der Beschreibung, die mir ein alter Ötztaler Bauer, der das "Teufelsvieh" selbst gesehen haben wollte, davon machte, ein höllischer, "fuiriger Drach", der hoch oben im Gebirge haust, in schauerlichen Schluchten und Spalten, wo kein Mensch hinaufgelangen kann. Jedes Jahr um Martini fliegt er übers Tal in ein anderes Loch. Dabei macht er einen großen Bogen und streift den Wiesengrund mit seinem feurigen Schweif. Auf dieser Stelle wird das Gras so arg verbrannt, daß mehrere Jahre nichts mehr wachst. Nach sieben Jahren aber gedeiht es fetter und üppiger als früher. Kommt der Alber in die Nahe eines Dorfes, so bedeutet es großes Unglück und man mag sich wohl versehen mit Rosenkränzen und geweihten Dingen, damit einem nichts Böses widerfährt. So lautet die Sage im Ötztale. Im südtirolischen Sarntale dagegen erzählt man sich, die feurigen Strahlen, die man um diese Zeit so häufig von einem Berg zum anderen fliegen sehe, seien verstorbene "Pfaffenköchinnen", die nun als Hexen auf feurigen Pferden durch die Luft reiten müssen. Dabei soll es den höllischen Reiterinnen manchmal passieren, daß ihr Roß ein Hufeisen, ein sogenanntes "Pfaffeneisen", verliert. Man will auch solche gefunden haben; sie sollen anders als die irdischen aussehen und auffallend leicht Feuer geben. Die bedrängte Reiterin findet indes sogleich Hilfe bei ihrem schwarzen Liebhaber, dem Teufel. Dieser erscheint dem Schmied des nächsten Ortes und befiehlt ihm: "Schmied, steh' auf, schlag mein' Roß ein Eisen auf!" Allerdings kann der Schmied dieses Begehren verweigern, indem er antwortet: "I steh nöt auf, i tret nöt für, i schlag' dein' Roß kein Eisen für!" Wenn aber der Teufel zum drittenmale die Arbeit fordert, so muß der Schmied sie liefern, wenn er nicht mit Haut und Haar vom Satanas geholt werden will. Dasselbe geschieht ihm, wenn er sich aus Geldgier verleiten läßt, den zum Lohne gebotenen Hut voll blanker Münzen anzunehmen. Auch diese "Pfaffenköchinnen" lassen auf dem Grasboden dieselben Brandspuren zurück, wie der obengenannte Alber. Die Erklärung beider Erscheinungen ergibt sich aus den um diese Zeit ziemlich häufig fallenden Sternschnuppen, in denen die Phantasie der Bauern höllische Spukgestalten zu erblicken glaubte. Der Name Alber hingegen ist von mythischen Wesen ganz anderer Art entlehnt, nämlich von den Elben oder Elfen. Man dachte sich dieselben klein wie vierjährige Kinder, aber an Geistesgaben weit über den Menschen erhaben und besonders die Jungfrauen von zauberischer Schönheit. Nachts bei Mondenschein tanzen sie auf den Waldwiesen ihren Reigen und am anderen Morgen konnte man am abgestreiften Tau oder geknickten Grase die Spuren des Kreises sehen. Der Fußtritt der guten Lichtelben bewirkte üppiges Grün, jener der bösen Dunkelelben aber verdarb das Gras. Noch jetzt zeigt das Landvolk in Deutschland als letzten Nachhall dieser Mythe auf Wiesen die sogenannten Hexenringe und im Einklänge damit sagt man an vielen Orten Tirols, wenn sich auf den Mulden ein Streifen durch besonders fettes Gras auszeichnet, der Alber, der hier als freundlicher Alpengeist auftritt, habe durch den Tritt seiner schmalzigen Füße den Boden gedüngt. Die Namens-Verwechslung von Elben oder Alben mit Alpen verhalf auch obigen unheimlichen Berggeistern zu derselben Bezeichnung.

Aus demselben Grunde wird aber auch noch einer anderen, nicht minder interessanten Erscheinung der Name "Alberer" beigelegt. Wir meinen den "wilden Ochsner". Unter diesem denkt sich der Bauer einen großen schwarzen Mann, der nach Abzug des Almviehes mit seiner schwarzen Herde in Sennhütten und Gehäge einzieht und dort seine gespenstische nächtliche Almwirtschaft betreibt. In der Nacht vor Martini zieht er dann mit entsetzlichem Getöse von der Alm herab und durch das Tal hinaus. Wehe dem, der ihm zu begegnen wagt, er büßt Gesundheit, ja selbst das Leben ein. Ein neugieriger Bauer soll, als er spät abends noch das Geklingel hörte, zum Fenster hinausgesehen haben, da wurde er zur Strafe festgebannt, so daß er erst am andern Morgen nach dem Avemarialäuten den Kopf wieder zurückziehen konnte. Dennoch versuchte einmal ein kecker Bursche, sich dem wilden Ochsner in den Weg zu stellen, war aber so klug, einen Hahn, eine Katze und einen Hund mit sich zu nehmen. Das war sein Glück. Denn alsbald fuhr die wütende Meute an dem Waghals vorbei und eine fürchterliche Stimme schrie Hm zu: "Hattest du nicht das "Krahnete, Krallete und Beißete" bei dir, sollte es dir übel gehen!" Wenn man aber die Bauern fragt, wer denn der Alberer oder wilde Ochsner eigentlich sei, so wissen sie darüber keinen Bescheid zu geben. Einige meinen, er sei die arme Seele eines ehemaligen Senners, der seine unredliche Wirtschaft in dieser Gestalt büßen müsse, wie man auch dasselbe vom "Kasermannl" sagt, unter welchem man sich ein kleines graues Männchen denkt, das ebenfalls um Martini lärmend von der Alpe abziehen soll.

In Wörgl im Unterinntal wird am Martinitag der "Albererzug" sogar wirklich aufgeführt. Es ist dies ein Aufzug, der dem Perchten- und Schemenlaufen im Fasching ähnelt. Man stellt dabei Tiere und als deren Treiber die "Alberer" selbst vor. Diese sind möglichst fürchterlich kostümiert, haben lange Hälse, Hörner auf dem Kopfe, sind mit Schellen behangen und mit Ruß geschwärzt. Wen sie erwischen, den bemalen sie ebenfalls mit Ruß. Auf die richtige Erklärung und Bedeutung dieser Geisterwesen leitet uns eine Benennung des nächtlichen Spukes: Martinsgestämpfe. Dieses ist nämlich zweifellos nur die in ganz Deutschland verbreitete Mythe vom Umzug des wilden Heeres, dem nichts anderes zu Grunde liegt, als die brausenden Herbststürme. Wie schon der schwäbische Name desselben, Wuotas- oder Muotasheer besagt, glaubten die alten Deutschen in dem Getöse einen Jagdzug ihres höchsten Gottes Wuotan zu erkennen und als die Heiden zu Christen bekehrt wurden, bezogen sie manche alte Ansicht und Meinung auf den heiligen Martin, der durch feine kriegerischen Eigenschaften dem einstigen Göttervater am nächsten kam, und dessen Fest in eine Zeit fiel, wo man den Gott der Erde am nächsten glaubte.

1) Althochdeutsch die Molta, mhd. die und der Molte = Staub, Erde, kurz Zerriebenes, aus Mittellatein. molitura. Vgl. Moltwurf = Maulwurf.

2) Schon die tirolische Waldordnung vom Jahr 1717 Nr. 78 verbietet "das Ströb machen und Molten rechnen".

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 194 - 202.