Die Sternsinger.

Einer der beliebtesten und interessantesten Gebräuche dürfte wohl das sogenannte "Sternsingen" sein, das mit einigen Veränderungen fast in jedem Tale Tirols im Schwange ist. Man freut sich schon lange auf den Dreikönigsabend, an dem diese liedersingenden Gestalten erscheinen. Im Oberinntale sind es drei Knaben, welche mit rußgeschwärzten Gesichtern und Kronen aus Goldpapier auf dem Kopfe die drei Weisen aus dem Morgenlande darstellen sollen. Oft sind sie auch in weiße, mit bunten Bändern verzierte Röcke gekleidet. Einer von ihnen trägt auf einer Stange einen Goldstern mit Schweif, an dessen Rückseite eine Schnur befestigt ist. Damit gibt ihm der Träger bisweilen einen Ruck, so daß Stern und Schweif auf höchst unkometenhafte Weise um die Achse tanzen. So ausgestattet ziehen die Sternsinger von Haus zu Haus, hinterdrein mit lautem Halloh die schaulustige Dorfjugend. Vor jeder Tür wird Halt gemacht. Einer der Knaben tritt in die Stube und singt:

König Kaspar bin ich genannt.
Komm' daher aus Mohrenland,
Komm' daher in großer Eil',
Vierzehn Tag, fünfhundert Meil',
Melchores, Melchores trit du herein!

Während sich Kaspar in eine Ecke zurückzieht, erscheint Melchior:

Ich tret' herein durch diese Thür
Und mach' das heilig' Kreuz dafür,
Das heilig' Kreuz mit göttlichem Segen,
Das uns Gott Vater vom Himmel gegeben.
Balthores, Bathores trit du herein!

Melchior stellt sich sodann ebenfalls neben Kaspar in den Hintergrund, indeß der gerufene Balthasar kommt und deklamiert:

Ich tret' herein mit der Geis,
Möcht' wissen, wie die Hausfrau heißt.
Die Hausfrau heißt Frau Pfefferkern,
Weihnachtszelten essen wir gern.

Nun stellen sie sich zusammen und singen einen Dreigesang:

Die heiligen drei Könige mit ihrigem Stern
Sie suchen den Herrn und hätten ihn gern.

Und als sie kamen an Herodes sein Haus,
Herodes der schaute zum Fenster heraus.

Herodes der sprach aus trutziger Rach':
"Warum ist denn der mittlere König so schwarz?"

""Er ist ja nicht schwarz, er ist uns bekannt,
Er ist König Kaspar aus Morigenland.""

Herodes sprach: "Bleibt heut bei mir,
Ich will Euch geben Wein und Bier.

Ich will Euch geben Stroh und Heu
Und will Euch halten Zehrung frei."

Die heiligen drei König woll'n sich besinnen,
Sie wollen heut Nacht noch weiter von hinnen,

Herodes sprach mit falschem Bedacht:
"Beutet (bietet) mir die rechte Hand!"

""Wir beuten's dir nicht, wir beuten's dir nicht.
Du bist der Herodes, dir trauen's wir nicht.""

Sie ritten auf den Berg hinaus
Und sahen den Stern wohl über dem Haus.

Sie fanden das Kindlein nackent und bloß.
Sie legten's der Jungfrau Maria im Schoß,

Sie fallen gleich nieder auf ihre Knie
Und opfern dem Kindlein Gold, Weihrauch und Myrrh'!

Wir wünschen alle drei eine ruhsame Nacht,
Eine ruhsame Nacht, eine fröhliche Zeit,
Gott Vater, Gott Sohn und Gott heiliger Geist. 1)

1) Ich gab das Lied absichtlich so, wie ich es als Kind hörte, letzt ist manches daraus weggefallen.


Nach diesem frommen Segensspruche für Haus und Hausleute geben die Sternsinger auch den stillen Wünschen für ihre eigene Person bescheidenen Ausdruck:

Und wer uns was geben will, der geb' es uns bald.
Wir müssen noch heut' durch einen stockfinstern Wald.

oder wie es an andern Orten heißt:

Wir haben schon g'hört den Schlüssel klingen,
Man wird uns bald zwei, drei Kreuzer bringen,
Zwei, drei Kreuzer sind noch nit g'nua,
Es g'hört a Stuck Zelten und a Schnaps dazua.

Jetzt weiß die Hausfrau, was sie zu tun hat. Sie holt den großen Zeltenlaib aus dem Kasten und stellt eine Flasche Schnaps dazu. Die "heiligen drei Könige" sind auch gar nicht schüchtern, sondern lassen sich das süße Gebäck und feurige Naß trefflich schmecken. An den meisten Orten bekommen sie nebstdem ein kleines Geldgeschenk.

Noch festlicher traktiert man die Sternsinger im Iseltale. Man macht ihretwegen schon um zwölf Uhr mittags Feierabend, d. h. die Männer; denn die Bäuerin und die Dirnen haben mit der Bereitung des schon beim Weihnachtsfest erwähnten "Blattelstockes" zu tun. So heißt nämlich ein eigentümliches Festgericht, bestehend aus dünn gebackenen Brotfladen, die mit einer Fülle von Butter, Honig und gestampftem Mohn bestrichen und auf einem riesigen Teller turmartig übereinander aufgebaut werden. Dieser "Blattelstock" prangt als Gegenstand allgemeiner Bewunderung auf dem großen Eßtische. Rings um den Teller pflanzt man wie Bollwerke einer Festung Stücke von Zelten und Kuchen sowie etliche Maßflaschen "roten Tiroler" auf. Unter diesen Vorbereitungen beginnt der Abend zu dunkeln und Familie und Gesinde versammeln sich in der Stube, um bei gemütlichem Heimgarten auf das Erscheinen der "Singer" zu harren. Endlich kommen sie. Voraus geht ein Fakelträger, ihm folgen die heiligen drei Könige, die sich alsbald in feierliche Haltung stellen und ihre Verse absingen. Es ist auch hier dieselbe halb ernste, halb komische Vorführung mit denselben halb religiös, halb weltlich klingenden Liedstrophen. Zum Schlusse ladet man die "Bande" ein, sich die aufgetischten Leckerbissen und den guten Trunk munden zu lassen.

Hausgang und Stube haben sich indes mit Buben und andern Schaulustigen gefüllt, die fröhlich in das den Hausleuten ausgebrachte Hoch einstimmen und mit ihren Wünschen für ein "glückseliges neues Jahr" kein Ende finden. Beim Abschied gibt der Hausvater den Sternsingern ein Geschenk an Lebensmitteln und Geld, gewöhnlich ein paar "Sechser", welche der den Zug begleitende Sackträger dankbarst in Empfang nimmt. Bei ärmeren Häusern, wo nicht viel zu bekommen ist, kehren die heiligen Dreikönige gar nicht ein, sondern nur bei besser stehenden. Da fließen aber die Spenden an Lebensmitteln so reichlich, daß die Sackträger ihre Säcke oft kaum mehr weiter zu schleppen im stande sind. Die Bettelei tritt überhaupt an vielen Orten sehr in den Vordergrund, so z. B. im wildschönen Paznauner Tale, dessen Bewohner übrigens auch hier ihren Ruf als originelles Völklein bewähren. Statt der drei Knaben erscheint nämlich dort ein alter Mann mit weißem Bart und Turban und in einen Kaftan gekleidet, der mit seinem beweglichen Sternrade singend und bettelnd das Dorf durchwandert. Auch in den Dörfern westlich von Innsbruck fand ich diese Art von Sternsinger als Einzelfigur.

Im Städtchen Lienz im Pustertale veranstaltet der Organist den Umzug. Er wählt sich drei aus den Kirchensängern und besucht mit ihnen am Dreikönigsabende die Bürgerhäuser. Zuerst singen sie alle vier zusammen ein Lied. Mitten im Texte aber brechen sie ab und alles ist mausstille. Der Organist tritt vor und singt im wunderlichsten Falsettone den "edlen" Herrn des Hauses an, den er mit allen erdenklichen spießbürgerlichen Titeln begrüßt. Dabei spricht er so schnell als möglich und dehnt die letzte Silbe weit hinaus, was einen ungemein komischen Eindruck macht. Hat der Organist sein Solo beendet, so folgt die zweite Hälfte des Sternsingerliedes. Mit einer beliebigen Gabe in Geld zieht der abendliche Besuch hierauf seiner Wege weiter. Man betrachtet diese Gabe als einen Beitrag zur Besoldung der Kirchensänger; in Dux z. B. waren diese früher einzig darauf angewiesen. Im südtirolischen Palu erhalten sie bei jedem Hause zwei bis vier Brotlaibe, wofür sie den Spendern zum Danke ein frommes italienisches Lied zum besten geben. Der Wert der verkauften Brotlaibe beträgt ungefähr 60 - 80 Kronen. Für dieses Geld erquicken sie sich im Gasthause durch ein gutes Nachtessen; der übrige größere Teil der Sammlung aber wandert in den Widdum als Messengeld für die "armen Seelen".

Daß wir in dem Gebrauch des Sternsingens nur den Rest ehemaliger vollständiger Volkskomödien, der sogenannten Weihnachts- und Dreikönigsspiele zu suchen haben, ist wohl außer allem Zweifel, weniger klar aber dürfte die mythologische Bedeutung der auftretenden Gestalten sein, obwohl denselben unbestreitbar vorchristliche Züge anhaften. Am deutlichsten hiefür spricht wohl der Umstand, daß man den Sternsingern, ehvor man ihnen eine Gabe reicht, die Weisung gibt, auf den beschneiten Ackergründen draußen tüchtig herumzustampfen, weil dadurch das Gedeihen der Feldfrüchte im kommenden Sommer befördert werde. Dagegen gibt es auch Ortschaften, wo das Sternsingen nach beiden Seiten hin seinen Charakter verloren hat und nur den Wirten zu Ausnützungszwecken dient. Im unterinntalischen Städtchen Kitzbühel suchen sich diese schon einige Zeit vorher irgend einen Reimschmied, der allen Altweiberklatsch und Skandal des Ortes in Knittelverse bringt. Denselben wird eine alte Kirchenliedarie angepaßt und das "G'sang" ist fertig. Am Dreikönigsabend wird es dann unter großem Zulauf der Gäste abgesungen, wobei natürlich der Wirt seine Rechnung findet. Dabei geht es aber nicht immer ganz harmlos ab. Denn die Burschen, die wohl merken, daß das "G'sang" auch von ihnen etwas zu erzählen weiß, wollen sich nicht so an den Pranger gestellt sehen und veranstalten deshalb ein sogenanntes "Zeltenscherz-Ziehen". Unter diesem Namen versteht man einen tollen Aufzug. Die Burschen rennen wie die wilde Fahrt durch das Dorf und machen mit Peitschen, Glocken, Trommeln und Geschrei einen Heidenlärm, was so viel als eine Herausforderung an die "Sternsänger" und deren Helfershelfer bedeuten soll. So gestaltet sich schließlich die ganze Komödie zu einer hitzigen Rauferei, wobei nicht selten König Kaspar oder Melchior tüchtig zerbläut wird.

Quelle: Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben, Stuttgart 1909. S. 247 - 252.