HAUSZEICHEN UND GESCHÄFTSSCHILDER
Merkbilder
zur Orientierung
Die erste Hauszählung
Wie man um den Schutz
Gottes bat
Der Kaiser wollte
nicht Hauspatron sein
Kometen, Störche
und Tiroler
Werbung mit gemalten
Schildern
Die Innungszeichen sind
verschwunden
Auch der angemalte
Türke hat ausgedient
Raritäten werden
noch gepflegt
Merkbilder zur Orientierung
Als die Städte im Mittelalter an Bedeutung und Größe gewannen,
wurde es notwendig, die einzelnen Häuser zu kennzeichnen. Umsomehr
als Straßennamen zu dieser Zeit noch unbekannt waren. Also begannen
die Stadtbürger um die Mitte des 12. Jahrhunderts, ihre Wohnstätten
mit Merkbildern zu versehen. - Wir werden später noch lesen, daß
einige dieser Merkbilder noch heute in Haus- oder Straßennamen erkennbar
sind.
Zur gleichen Zeit nahmen Adelsgeschlechter ihre Wappen an. Wohlhabende
Stadtbürger benutzten diese Idee und änderten Zeichen ihrer
Häuser in Wappen um. Heute weiß man, daß zahlreiche bürgerliche
Namen mit solchen Hauszeichen zusammenhängen: ein Haus "Zum Bären"
war entweder im Besitz einer Familie Bär, oder es trug einen Bären
im Hauszeichen. Solche Hauszeichen konnten auch "redend" sein,
also den Familiennamen des Besitzers bildlich ausdrücken. Ein allgemein
bekanntes Beispiel liefert das Hauszeichen "Zum Heidenschuß",
das von der Familie Haiden gewählt wurde. Auch in den Siegeln, wie
sie von bürgerlichen Handwerkern in Wien schon seit dem 13. Jahrhundert
verwendet wurden, finden sich solche Zeichen.
Die erste Hauszählung
Einige Jahrhunderte lang mußten sich die Bewohner Wiens allein an
den Hausschildern orientieren. Die erste Hauszählung fand dann im
Jahr 1566 statt. Natürlich wurde die Hofburg mit der Hausnummer
1 bedacht. Insgesamt erhielten 1205 Häuser in Wien damals eine Nummer.
Als im Jahre 1701 das erste gedruckte Häuserverzeichnis veröffentlicht
wurde, enthielt es wieder nur Haus- und Besitzernamen. Erst 1773 führte
man nach einer neuerlichen Hauszählung eine genaue Numerierung durch.
Damals wurden zum ersten Mal die Nummern auch sichtbar an den Häusern
angebracht. Alle Hauszählungen vorher hatten nur den Zweck, dem Wiener
Magistrat einen überblick über die Besiedlung der Stadt zu geben.
- Die Numerierung innerhalb einer Straße oder Gasse, wie sie heute
üblich ist, begann man in den Jahren 1862 und 1863.
Wie man um den Schutz
Gottes bat
Die ältesten Hauszeichen zeigen meist religiöse Darstellungen.
Genauso, wie es heute noch auf dem Lande üblich ist, stellten gläubige
Bewohner ihr Haus gerne unter den besonderen Schutz Gottes oder eines
Heiligen.
Eine der älteren und besonders schönen Darstellungen ist die
Madonna am ehemaligen Klein-Mariazeller-Hof in der Annagasse 5,
die im Jahre 1482 geschaffen wurde (Abb. 20). Der ehemalige Mariazeller-Hof
war übrigens der Amtssitz Franz Grillparzers als Archivdirektor.
(Abb. 20) Klein-Mariazeller-Hof in der
Annagasse 5
Wunderbar ausgewogen erscheint auch die Dreifaltigkeits-Darstellung aus
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die das alte Bäckerhaus
in der Naglergasse 13 schmückt.
Neben den Herrgott- und Madonnen-Darstellungen erfreuten sich bei den
Bürgern Wiens der heilige Johann Nepomuk und der heilige Florian
besonderer Beliebtheit.
Zahlreich sind auch religiöse Hausnamen, wie etwa "Zum Rosenkranz",
"Zur Mariahilf" und "Zum Englischen Gruß". Das Eckhaus Graben 18
- Kohlmarkt 1 trug einst den Namen "Zur großen Bethe" (=
"Zum großen Rosenkranz"). Dieser alte Schildname verschwand, als
ein Besitzer im Jahre 1869 ein Waffengeschäft "Zum Husaren"
einrichtete. Zu diesem Hausnamen wurde beim Neubau auch das passende Hauszeichen
geschaffen: die Eckkuppel des Hauses wird seit diesem Jahr von einem Theresianischen
Husaren zu Pferd mit einem schußbereiten Gewehr bewacht.
Der Kaiser wollte nicht Hauspatron
sein
Bei Apothekern und Wirten waren seit jeher Hinweise oder Anspielungen
auf Kaiser und Reich besonders beliebt. Noch heute befindet sich in der
Wollzeile 13 die Apotheke "Zum römischen Kaiser". Den Innenraum
schmückt ein Ladenschild aus der Werkstatt des Malers Kupelwieser.
In der Barnabitengasse trägt das Haus Nummer 54 ein Bild des Kaisers
Joseph II. (1780 bis 1790). Zu Lebzeiten verbot sich der Kaiser allerdings
solche Popularität. Eines seiner Porträts an einem Haus am Tiefen
Graben mußte auf seinen Befehl hin geändert werden: der Hauseigentümer
ließ das Bild kurzerhand in einen heiligen Joseph umwandeln, der
allerdings die Züge des Kaisers trug (Abb. 21).
(Abb. 21) Hausschild zum heiligen Josef
Ein anderes herrschaftliches Hauszeichen "Zum römischen
Kaiser", aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammend, ist
in der Neudeggergasse 14 angebracht.
Ecke Graben-Tuchlauben steht das Gebäude der 1819 gegründeten
Ersten österreichischen Spar-Casse. In seinem Giebel zeigt das Haus
eine goldene Biene als Symbol der Sparsamkeit.
Kometen, Störche und Tiroler
Daß sich die Wiener Bürger auch von Tagesereignissen zu Hausnamen
inspirieren ließen, beweist das Gebäude in der Landstraße
112, das die Bezeichnung "Zum Kometen" führt. Ebenso wie Johann
Nestroy in seinem "Lumpazivagabundus" bezog sich der damalige Hausbesitzer
wohl auf den Kometen, der im Jahre 1811 über Wien zu sehen war.
Einige Häuser weiter existiert noch das Schild des ehemaligen Wirtshauses
"Zur Stadt Regensburg", mit dem wohl kaufmännische Beziehungen ausgedrückt
wurden.
(Abb. 22) Storch am Haus Tuchlauben 9
Ein Storch ziert das Haus Tuchlauben 9 (Abb. 22),
ein Mohr das Haus Burggasse 19, und zwei Ritter kämpfen über
einer Eisenhandlung in der Neubaugasse 74 (Abb. 23).
(Abb. 23) Zwei kämpfende Ritter über
der Eisenhandlung in der Neubaugasse 74
In der Siebensterngasse 17 findet sich ein wunderschönes Barockhaus mit dem Namen "Zur grünen Säule" (Abb. 24), in der Kirchberggasse 24 sitzt ein Uhu in der Hauswand, über dem Portal des Hauses Neudeggergasse 10 steht ein wackerer Tiroler. - Die Bedeutung und der Ursprung dieser Hauszeichen sind heute im einzelnen wohl nicht mehr klar. Mag sein, daß sie bloß Ausdruck einer Laune oder einer ganz persönlichen Vorstellung - des Hausherrn entsprungen sind. An weiteren Beispielen würde es nicht fehlen.
(Abb. 24) Barockhaus in der Siebensterngasse
17, genannt "Zur grünen Säule"
Besonders gut gelungen sind das Haus und das Hauszeichen
in der Neustiftgasse 32. Hier ist eine ganze Hafnerwerkstätte
über dem Tor abgebildet. Traurig ist aber, daß dieses Haus
offenbar zum Abbruch bestimmt ist. Möge wenigstens das Hauszeichen
überleben - wenn schon das Haus nicht mehr zu retten ist - so wie
beim Neubau in der Breitegasse 10, wo der Hausherr besondere Einsicht
bewies: Er brachte das alte Hauszeichen "Die drei Spulen" wieder sichtbar
an.
Werbung mit gemalten Schildern
Der Brauch, eigene Hauszeichen zu führen, ging von den Häusern
bald auf die darin untergebrachten Geschäfte und Kaufläden über.
Zu ebener Erde waren die Stadthäuser in älterer Zeit ja noch
nicht von Auslagenfronten belegt. Die Häuser waren im wesentlichen
noch Wohnhäuser.
Doch von der Zeit an, da manche Geschäftsläden und Werkstätten
sich so vergrößerten, daß Hausherr und Geschäftsinhaber
nicht mehr ein und dieselbe Person waren, wurden den Hauszeichen eigene
Geschäftsschilder gegenübergestellt. Die Hauszeichen waren weiterhin
über den großen Eingangstoren befestigt, mit den Geschäftsschildern
hat man vor allem die Tür- und Fensterläden der Geschäfte
geschmückt. Und von diesen Läden haben ja die Geschäfte
auch den Namen Kaufläden. Vereinzelt erschienen Geschäftsschilder
schon im 17. Jahrhundert, besonders beliebt waren sie dann seit etwa 1820.
Die Schildermalerei entwickelte sich zu einer richtigen Wiener Spezialität,
die von zahlreichen Reisenden staunend vermerkt wurde. Nicht selten beauftragte
man hervorragende Maler, typische und markante Eigenheiten des Ladenbesitzers
oder seines Lokales auf dem Schild festzuhalten. Künstler wie Daffinger,
Kupelwieser, Lampi, Gauermann und J. N. Mayer sind als Maler
solcher Schilder hervorgetreten.
Geeignete Konservierungsmittel kannte man zu dieser Zeit aber noch nicht.
So waren die Ladenschilder oft bald wieder verschlissen und unansehnlich
geworden, da sie ja Wind und Wetter ausgesetzt waren. Künstlerische
Schilder wurden nicht immer durch ebenso schöne ersetzt. Manche konnten
in öffentlichen Museen erhalten werden, viele sind leider verloren
gegangen.
Hauptfeind der handgemalten Ladenzeichen war zuletzt das neue, serienmäßig
erzeugte Geschäftsschild. Es wurde nicht mehr für das einzelne
Geschäft hergestellt, sondern für ein ganzes Gewerbe typisiert.
Besonders in Mode kamen im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert
die verschiedenen Unterglasmalereien.
Die Innungszeichen sind verschwunden
Heute sind auch diese ersten industriell hergestellten Geschäftsschilder
fast völlig verschwunden. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg haben sie
das Straßenbild bunt und fröhlich aufgelockert. Verschwunden
sind die Brezel und die Brezelbuben der Bäcker, ebenso wie
die rot bewesteten Wirte neben den Toren der Gasthäuser. Der Schuh
oder der Schusterbub über den Schuhmacherwerkstätten gehört
genauso der Vergangenheit an wie zum Beispiel der gewaltige Schädel
eines ungarischen Mastochsen, der noch vor wenigen Jahrzehnten das Portal
oder den Laden von Fleischhauereien zu kennzeichnen pflegte. Unter solch
einem Rindsschädel prangten nicht selten auch zwei gekreuzte Fleischhauer-Hacken.
Manchmal konnte man dazu noch den zünftigen Spruch lesen:
alles gehet auf vier Beine,
darum muß beim Fleischverwiegen
jeder etwas Beine kriegen.
Auch der angemalte Türke hat
ausgedient
Rapide verringert hat sich auch die Zahl der bunten Glaskugeln über
den Glasergeschäften. Und selbst die in einfachem Preßglas
hergestellten Barbierbecken der Friseure sind rar geworden. Dann
und wann kann man noch ein Schlosserzeichen sehen, den großen Schlüssel.
Völlig verschwunden. sind die Kannen der Branntweinschenken.
Vielfach zieren Hammer und Schlegel noch die einfacheren Schilder
der Kohlen- und Holzhandlungen, doch die kohlentragenden Wichtelmänner
sind längst aus der Mode gekommen. Sie fristen als Gartenzwerge ihr
Leben weiter.
Der angemalte Türke aber - der "Tschibuk-Türke", von
dem sich unser Sprichwort herleitet -, der einst so gut wie jede TabakTrafik
schmückte, ist heute nur noch im Museum der österreichischen
Tabakregie zu finden. Die Zeit der Ladenschilder ist endgültig vorbei.
Künstler sind zwar nach wie vor für die Wirtschaft tätig.
Doch geht die Werbung heute andere Wege.
Raritäten werden noch gepflegt
Nur manchmal besinnt man sich wieder auf die alten Geschäftszeichen.
Der Meinl-Mohr über der Filiale an der Ecke Stephansplatz
- Jasomirgottstraße oder die Robbe auf einem Geschäftslokal
Ecke Währinger Straße - Kolingasse mögen dafür als
Beispiel dienen.
(Abb. 25) Das Schild "zu den drei Laufern" aus dem Jahre 1786
Alte, künstlerisch wertvolle Bilder werden gelegentlich noch als besondere Rarität gepflegt: Die "Drei Laufer° von Daffinger (Abb. 25), die über dem Geschäftsportal Ecke Kohlmarkt - Herrengasse seit 1786 angebracht waren, stellen angeblich die drei letzten herrschaftlichen Laufer von Wien dar. - Solche Laufer standen in adeligen Diensten und hatten die Aufgabe, für den Wagen ihres Herren freie Durchfahrt zu schaffen. Sie mußten während der Nacht auch mit Fackeln leuchten und trugen die Leibfarben ihres Dienstherrn.
(Abb. 26) Eine Firmentafel der Ölfabrik
Marsano vom Jahr 1662
Auch das Schild der Marsano'schen Ölhandlung
in der Linken Wienzeile 12 (Abb. 26) verdient, erwähnt zu werden.
Es zeigt einen Mann, der mittels einer Presse Öl preßt. Das
Schild stammt aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war auf der Brandstätte 9 das
Firmenschild der Stoffhandlung "Zur Braut" zu sehen. Es zeigte
ein reizendes Biedermeier-Bräutchen und hatte sogar mehreren Bombardierungen
getrotzt. Als das Geschäft dann aufgelassen wurde, hat man das Bild
im Historischen Museum der Stadt Wien aufbewahrt.
(Abb. 27) Steinernes Bäckerschild
in der Grünangergasse 8
Besonders aufschlußreich ist das steinerne Bäckerschild
(Abb. 27) in der Grünangergasse 8: Es beschreibt plastisch die im
frühen 18. Jahrhundert üblichen Gebäckformen. Vor nicht
allzulanger Zeit prangte auch in der Weyringergasse 35 noch eine Steinplastik
in Gestalt von zwei Pferdeköpfen. Sie war für den inzwischen
ausgestorbenen Gewerbezweig der Pferdefuhrwerker besonders typisch.
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