SAGENFIGUREN UND SINNBILDER

Die Bognerin, die den Teufel verprügelte
Aus dem Pfennig wurde ein Goldstück
Der Basilisk - er war ein Irrtum
Vom Kaiser als Unfug abgetan
So wurden Menschen als Tiere dargestellt
Dort, wo der Wolf den Gänsen predigt


Die Zahl der Sagen und Legenden aus dem Wiener Raum ist gar nicht so klein. Doch gibt es nur wenige Hausschilder, die nachweisbar im Zusammenhang mit sagenhaften Begebenheiten stehen.


Die Bognerin, die den Teufel verprügelte

Ein solches Schild, das den Teufel mit einem alten Weib raufend zeigte, befand sich am Hause Bognergasse 3. Es führte die Aufschrift: "Wo der Teufel die Bognerin raufte."

Dieses Hauszeichen leitet sich von jener Sage her, nach der sich der Bogner Bergauer mit dem Teufel verbündete. Ihm waren die ständigen Zankereien mit seinem bösen Weib zu viel geworden, worauf er den Teufel um seinen Beistand ersuchte.

Als der Gehörnte in der Gestalt des Bogners einmal spät heimgekommen war, wurde er von der Bognerin weidlich verprügelt. Dabei half es ihm auch nicht, daß er sich in seine wahre Teufelsgestalt zurückverwandelte. Die Bognerin schlug ihn windelweich und soll ihm sogar ein Horn ausgerissen haben. Unter dem Hauszeichen stand geschrieben:

Pestilenz und Noth ein Uebel ist,
Krieg ein arger Zeitvertreib,
Schlimmer als des Teufels Tück und List,
Gott behüt uns, + + + ist ein böses Weib!


Aus dem Pfennig wurde ein Goldstück

Einer anderen Legende nach befand sich der berühmte Arzt und Gelehrte Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, im Jahre 1538 in Wien. Sein Quartier soll er beim Wirt Wangler in der Adlergasse 4 aufgeschlagen haben. Die Zeche beglich Paracelsus dann mit einem scheinbar wertlosen Messingpfennig. Als ihm der Wirt das kleine Geldstück zornig vor die Füße schleuderte, befahl Paracelsus dem Aufgebrachten, die Münze schleunigst aufzuheben. Der Wirt tat es zögernd, entdeckte, daß der Pfennig zu Gold geworden war, und küßte das Geldstück.

Haus  Zum Küß-den-Pfennig
(Abb. 28) Das Haus zum Küß den Pfennig

Das Gasthaus (Abb. 28), in dem Paracelsus damals abgestiegen war, soll von diesem Tag an "Zum Küß-den-Pfennig" geheißen haben. Noch lange erinnerte auch eine Inschriftentafel an dieses merkwürdige Ereignis:

Der teure Theophrast, ein Alchemist vor allen,
Kam einst in dieses Haus und konnte nicht bezahlen
Die Zech, die er genoß. Er trauet seiner Kunst,
Mit welcher er gewann viel großer Herren Gunst.
Ein sicheres Gepräg von schlechtem Wert er nahm,
Erklärte es als Gold. Der Wirt von ihm bekam
Dies glänzende Metall. Er sagt: Nimm dieses hin;
Ich zahl' ein Mehreres, als ich dir schuldig bin.
Der Wirt ganz außer sich, bewundert solche Sach',
Den Pfennig küß' ich, zu Theophrast er sprach.
Von dieser Wundergeschicht, die in der Welt bekannt,
Den Namen führt dies Haus, zum Küßdenpfennig genannt.


Der Basilisk - er war ein Irrtum

Auch dem alten Volksglauben an Drachen und giftige Ungeheuer wurde ein Denkmal gesetzt:
am sogenannten Basiliskenhaus in der Schönlaterngasse 7 ist es noch heute zu sehen. Das Haus stammt aus dem 13. Jahrhundert und soll seinen Namen schon seit 1212 führen. In diesem Jahr nämlich wurde der Legende nach im Hausbrunnen des Bäckermeisters Garhiebl ein unbekanntes und schreckerregendes Tier entdeckt, dessen giftiger Atem die Bewohner des Hauses bedrohte. Das unbekannte Lebewesen wurde damals als Basilisk erkannt.

In der Bevölkerung hielt sich hartnäckig das Gerücht, daß dieser Basilisk aus dem Ei eines Hahnes geschlüpft sei, nachdem es von einer Kröte ausgebrütet worden war. Sein Blick und sein Atem riefen bei allen, die ihn zu sehen bekamen, unheilbare Krankheit hervor.

Am Haus des Bäckers brachte man die Inschrift an:

Anno domini MCCXII ward erweldt Kayser
Friederich II. Unter seinem Regiment
ist von einem Hahn entsprungen ain
Basilisc, welcher obenstehender Figur
gleich; und ist der brunn voll angeschütt
worden mit erden, darinnen selbiges Thier
gefunden worden ist; ohne zweyffel, weil
es seyner gifftigen aygenschafft, vill
menschen gestorben und verdorben seynd.
Renoviert A. 1577 durch den Haußherr'n
Hannß Spannring Buchhandler.

Das über dem Spruch als Hauszeichen befestigte basiliskenartige Fabeltier entpuppt sich bei näherem Hinsehen als einfache Sandsteinbildung, wie sie in den Tegelschichten des Wiener Beckens öfter zu finden ist.

Höchstwahrscheinlich wurde beim Graben des Brunnens die Tegelschicht durchstoßen. Aus der darunterliegenden Sandschicht drangen daraufhin giftige Gase. Die eigentümliche Gestalt des Steines zusammen mit den aufsteigenden Gasen ließen dann die Sage vom Basilisken entstehen. - Die natürlichen Erdgase hatte man für den giftigen Atem des "Tieres" gehalten.

Auf frühe Lindwurm-Sagen geht noch der goldene Drache zurück, der auf dem Haus Steindlgasse 4 thront, in dem sich der berühmte Steindlkeller befindet. "Zum schmeckenden Wurm" hieß früher das Haus in der Wollzeile 5. Auch hier baumelte die Figur eines blechernen Lindwurmes über dem Hauseingang.


Vom Kaiser als Unfug abgetan

Mag sein, daß auch der alte Hernalser Volksbrauch des Türkenritts sagenhaften Ursprungs ist. Jedenfalls hat dieser Brauch in einer plastischen Darstellung am Türkenritthof in der Hernalser Hauptstraße 190 sein Denkmal. Der Türkenritthof wurde allerdings erst 1928 gebaut.

Türkenritthof

(Abb. 29) Plastische Darstellung über dem Portal des Türkenritthofes


Ausgehend von älterem Narrenbrauchtum wurde am Hernalser Kirchtag jedes Jahr ein Umzug veranstaltet, an dem sich neben Musikanten und Christensklaven" auch Janitscharen und ein dicker, auf einem Esel reitender Türkenpascha beteiligten. Vielleicht handelte es sich dabei nur um eine Verspottung der verhaßten Türkenheere. Vielleicht aber rächte sich hier der Wiener Volkswitz für all den Jammer und Schaden, den die Türken Jahrhunderte hindurch immer wieder verursacht hatten. - Kaiser Joseph II. hat das Treiben, das natürlich immer sehr feuchtfröhlich endete, als Unfug abgetan und untersagt.


So wurden Menschen als Tiere dargestellt

Allegorien und echte Sinnbilder, wie etwa die Symbole der Renaissance- und die Embleme der Barockzeit, finden sich ebenfalls auf Hauszeichen. In der Zeit der Reformation und Gegenreformation scheinen sie besonders beliebt gewesen zu sein. So hieß das Haus Kärntnerstraße 21 seit 1605 "Allwo der Esel in der Wiege liegt". - Fünfzig Jahre zuvor war in diesem Haus der spätere Kardinal Melchior Khlesl als Sohn protestantischer Eltern zur Welt gekommen!

überhaupt wird mit Tierfiguren häufig auf die religiösen Zustände Bezug genommen, wie sie zur Entstehungszeit der Schilder herrschten. So auch bei dem Haus in der Wollzeile 28, das seit 1660 den Namen "Allwo der Hahn den Hühnern predigt" trug, beim Haus Bäckerstraße 10, das um dieselbe Zeit den Namen "Allwo die Kuh am Brett spielt" hatte, oder das Haus Petersplatz 11, das früher "Wo der Hahn sich im Spiegel schaut" hieß. Das letztgenannte weist vielleicht auch auf die Hahnenkämpfe hin, wie sie damals auch in Wien üblich waren.


Dort, wo der Wolf den Gänsen predigt

Das älteste und zugleich auch eines der witzigsten Schilder dieser Art befand sich am Haus in der Wallnerstraße 17: "Wo der Wolf den Gänsen predigt". In diesem Fall läßt sich der Sinn des Bildes leicht erklären: der schlaue protestantische Wolf predigt den braven und gutgläubigen katholischen Gänsen (siehe Umschlagbild).

Tatsächlich läßt sich an Hand von früheren Dokumenten nachweisen, daß in diesem Haus protestantische Versammlungen stattfanden und Predigten gehalten wurden. Nachträglich hat dann ein späterer katholischer Besitzer das Haus durch dieses Schild auf seine Weise entsühnt.

Auch den Hausnamen "Wo die Böck aneinander Stössen" liegt eine ähnliche Religionssymbolik zugrunde: die beiden steinernen Böcke am Haus Postgasse 1 wurden nämlich genauso als einander bekriegende Religionsparteien verstanden ...



Bei weitem nicht alles, was an historischen Stätten und Zeichen, Sagenfiguren und Sinnbildern in Wien zu finden ist, konnte in dieses Büchlein aufgenommen werden. Das war auch nicht die Absicht des Autors.

Hier wurde nur versucht, den Leser durch einige Beispiele anzuregen, die Vergangenheit selbst zu entdecken. Eine Vergangenheit, die zwar manchmal kurios, immer aber menschlich ist - im Guten wie im Schlechten. Denn hinter den vielzitierten "Zeugen der Vergangenheit" stehen immer nur unsere eigenen Vorfahren.


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