Die Entstehung der Lummen

Einige Kinder spielten auf dem ebenen Gipfel einer ins Meer hineinragenden Klippe und die älteren Kinder gaben auf die jüngeren acht, damit sie nicht über den Rand fielen. Unten war die See mit Eis bedeckt und entlang der Küste hatte sich noch kein Streifen gelockert, auf dem die Seehunde hätten aufsteigen können. Bald öffnete aber ein entferntes Krachen das Meer und es war voll von Seehunden, aber die Kinder achteten nicht darauf. Der Wind war kalt und die Kinder tobten sehr ausgelassen herum, eiferten sich bei ihren Spielen an und schrien so laut sie nur konnten. Die Männer sahen jetzt die Robben und liefen zur Küste, um ihre Kajaks ins Wasser zu setzen und sie zu verfolgen.

Daraufhin schrien die Kinder noch mehr und erschreckten die Robben so, daß sie untertauchten. Einer der Männer wurde ärgerlich und rief den anderen zu: "Ich wünschte, das Riff stürzte um und begrübe diese lärmenden Kinder, die die Robben verjagt haben." Im selben Moment stürzte die Klippe ein und die armen Kinder fielen mitten zwischen Felsen und Steinen herunter. Da wurden sie in Lummen oder Seetauben mit roten Füßen verwandelt und hausen so bis zum heutigen Tag mitten zwischen den Steinen, hart am Wasser unter den Riffen.

Quelle: Eskimomärchen, übersetzt von Paul Sock, Berlin o. J. [1921], Nr. 45, S. 159.
aus: L. Turner: Ethnology of the Ungawa district. Hudsonbay territory (Annual Report of American Ethnology, Vol. VII. Washington 1889/90).