Der Capitän Dreizehn. (Zakynthos.)

Zur Zeit der Hellenen lebte einmal ein König, der war der stärkste seines Zeitalters, und die drei Haare auf seiner Brust waren so lang, dass man sie fassen und zweimal um die Hand wickeln konnte. Dem erklärte einst ein andrer König Krieg, und in einem Monat begann der Kampf. Anfangs war der andre König siegreich, aber nachher überwand der starke König mit seinem Heere die Feinde und verfolgte sie bis in ihre Stadt. Hier nun würde er sie sämmtlich vernichtet haben, wenn nicht sein Weib ihn um vierhunderttausend Thaler, die es von den Feinden erhielt, verrathen und die drei Haare ihm abgeschnitten hätte. Hierdurch wurde er der schwächste von allen Menschen. Die Feinde nahmen ihn nun gefangen, fesselten ihn, schlossen ihn in eine Festung ein und reichten ihm jeden Tag nur eine Unze Brod und eine Unze Wasser. Aber in kurzer Zeit fingen seine Haare wieder an zu wachsen, und darum wurde der Capitän Dreizehn - denn so nannte man ihn - zusammen mit dreizehn seiner Gefährten von den Feinden in einen Abgrund geworfen. Da er aber der letzte war, der hineingeworfen wurde, fiel er auf seine Gefährten und blieb so am Leben. Die Feinde aber deckten einen Berg über den Abgrund. Am zweiten Tage nun, seit er in den Abgrund war gestürzt worden, fand er irgendwo einen todten Vogel. Da klebte er sich dessen Flügel an seine Hände und flog in die Höhe. Er stiess mit dem Kopfe an den Berg und schleuderte ihn empor an die Sonne. Nun flog er weiter und schwang sich sehr hoch in die Luft, aber da kam ein Regenguss und erweichte den Lehm, womit er die Flügel sich angeklebt hatte, und der Capitän Dreizehn fiel ins Meer. Da fuhr der Meergeist heraus und gab ihm mit seiner dreizinkigen Gabel einen Schlag, dass sich das Meer roth färbte von seinem Blute, und verwandelte ihn in einen grossen Fisch, nämlich in einen Delphin. Er sagte ihm zugleich, dass er nicht eher wieder erlöst werden könne, als bis ein Mädchen sich fände, das bereit sei ihn zum Gemahl zu nehmen. Das Meer nun, worin der Delphin lebte, war von der Art, dass kein Schiff, welches einmal hineingefahren war, wieder herauskommen konnte. Da geschah es einst, dass ein König mit seiner Tochter es befuhr. Sie waren wohl hineingekommen, aber konnten nicht wieder heraus, und es ereilte sie ein so gewaltiger Sturm, dass ihr Schiff zerschellte. Niemand andres konnte sich retten ausser der Königstochter und dem König, denn sie beide trug der Delphin auf seinem Bücken zu einem kleinen Eiland und setzte sie von da nach der Küste über, von der sie gekommen waren. Da beschloss die Königstochter den Delphin sich zum Gemahl zu nehmen, und um ihn in ihr Schloss zu bringen, liess sie einen grossen Kanal vom Meere bis zum Schlosse graben. Als alles fertig war für die Hochzeit, da schüttelte der Delphin auf einmal seine Haut ab und verwandelte sich in einen jungen Mann von gewaltiger Kraft und hoher Schönheit. Er heirathete die Königstochter, und nun lebten diese glücklich, wir aber hier noch glücklicher.

Quelle: Bernhard Schmidt, Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder. Leipzig 1877. S. 91 - 93.
(Nachdruck: Hildesheim, New York, 1978)