XI. Charakter

Sinnesart und Neigungen der Elfen zeigen eine eigentümliche Mischung von gut und böse, List und Aufrichtigkeit, die sich vollkommen aus der Mischung zweier ursprünglich entgegengesetzter Eigenschaften erklärt. So entschieden sie auch manchmal nach einer von beiden Richtungen hingetrieben werden und sich edel und hilfreich oder im höchsten Grad boshaft betragen, so halten sie sich doch im ganzen so bestimmt in einer zweifelhaften Mitte, daß man diese als das charakteristische ihrer Natur angeben muß.

1. Sie necken gerne, höhnen und spotten die Menschen, ohne ihnen eigentlichen Schaden damit tun zu wollen und eine gewisse Gutmütigkeit bricht neben dieser Neigung hervor. Der Hausgeist in der Deutschen Sage (Nr. 75.) hatte seine größte Freude daran, die Leute aneinander zu hetzen, trug aber vorher alle tödlichen Waffen fort, damit sie sich kein Leid antun konnten. Sonst narrte und neckte er die Leute, wo er konnte, hatte seine Kurzweil mit einem Narren und machte Spottlieder auf die, welche in seine Falle gegangen waren. Elberich zeigt dieselbe Natur:

Otnit Str. 451: er wolde die heiden irren, Elberich was kluoc,
der beiden abgöte er in die burc truoc
dâ mite wolt' er sie effen unde trîben sînen spot.

Er ruft ihnen dann unsichtbar zu, er sei ihr Gott, sie sollten ihn anbeten. Laurin neckt durch plötzliche Dunkelheit diejenigen, welche mit ihm in den Berg gegangen sind. Elberich lockt dem Otnit den wunderbaren Ring ab, macht sich dann unsichtbar, lacht ihn aus und spottet über seine Drohungen, gibt ihn gleichwohl gutwillig wieder zurück.

Die Wichte in den Bergwerken (Deutsche Sagen Nr. 37.) rufen, und wenn die Arbeiter herbeieilen, finden sie niemand. In Norwegen nehmen sie den Menschen ihr Werkzeug weg und bringen es mit Hohngelächter zurück.

Dagegen vertragen die Elfen selbst keinen Scherz und so gerne sie die Menschen auslachen, so gestatten sie doch nicht den Menschen es zu vergelten. Der Hausgeist duldet keine Neckerei. Die Elfen luden ein Dienstmädchen, das sie sehr liebten, zu einer Hochzeit; als das Brautpaar daher kam, lag unglücklicherweise ein Strohhalm auf dem Weg, der Bräutigam kam wohlbehalten darüber, aber die Braut nicht, sie fiel. Das Mädchen konnte Lachen nicht unterdrücken und augenblicklich verschwand alles. (Swenska Visor III. 159.). Ein Knecht verspottete einen Kleinen, weil er an einem einzigen Waitzenkorn schwer trug, zornig warf er es zur Erde, es war vom feinsten Golde, aber er und die Seinigen verschwanden seit der Zeit und das Haus geriet in Verfall. (Strack Beschr. v. Eilsen S. 124.). Das alte Sprichwort vom Halm an dem Wege (Bertholds Predigten S. 1943) erhält durch solche Erzählungen Bedeutsamkeit.
Die Elfen necken besonders gern, indem sie unsichtbar mit kleinen Steinen werfen. Ein schottischer Brownie erhielt davon einen Beinamen. Die Bergmännlein in Deutschen Sagen (Nr. 37.) lieben diesen Scherz; auch Elberich wirft nach Otnit, ohne daß dieser ihn sehen kann (Str. 162.). Nach der Legenda aurea cap. 177. war im Jahr 856 ein Poltergeist in Mainz, der die Priester, welche Messe sangen, mit Steinen warf.

2. Aber die Elfen sind auch treu und scheinen nur Vertrauen von den Menschen zu fordern. "Niemand soll feste Gelübde brechen!" sagt der eddische Zwerg (Alvîsmâl III.). Elberich, der im Nibelungenliede dem Siegfried von dem Augenblick an, wo er ihm Treue gelobt hat, völlig und aufrichtig ergeben ist, hält auch dem Otnit Wort und löst sich, wie er versprochen hat. Er sagt:

Str. 136: nû lâ mich ûf die triuwe mîn.

und Str. 137: ez sprechent mîn genôzen, daz ich getriuwe sî. Dagegen bedrohen sie den, der ihnen das gegebene Wort nicht hält (Thiele III. 48.), oder bestrafen ihn (Deutsche S. Nr. 29.). In Island glaubt man, daß sie Recht und Billigkeit in allen Dingen üben. Einem, der ihnen einen Goldschuh heimlich mitgenommen, brannte das ganze Haus ab (Thiele III. 64.) - Unbezweifelt ist die Treue der Hausgeister, die keine Unredlichkeit dulden und deshalb selbst das Gesinde strafen. Die höchste Anhängigkeit zeigt die irische Banshi, die den Tod eines Familiengliedes jedesmal in der größten Trauer verkündigt und ihre Klaggesang bildet den Gegensatz zu dem verspottenden Lachen anderer Elfen. Auch in Tirol und Niedersachsen glaubt man an einen Geist, der zu dem Fenster hineinschaut, und schwer über das Haus legt, wenn jemand darin stirbt (Deutsche S. Nr. 266.), und die weiße Frau mit ihrer Schleierhaube (N. 267.) gleicht der Banshi vollkommen.

3. Als verschlagen und listig werden die Zwerge überall geschildert und es bedarf keiner Beispiele. Auch Elberich "ist kluoc" (Str. 451.) und weiß alles durch kluge Streiche zu erlangen, den Ring wie die Schiffe, die er den Heiden stiehlt, und von dieser Seite muß man es betrachten, wenn die Elfen als Diebe berühmt sind. Sie wenden dazu ihre Kenntnisse an, wie die schottischen Elfen Wirbelwinde erregen, selbst Feuersbrünste, um Gelegenheit zum Stehlen zu haben. Merkwürdig heißt Elberich deshalb in der Wilk. Sage (Cap. 16.) der große Dieb (hinn mikli stelari). Von den Diebereien der Zwerge kann man andere Deutsche Sagen (Nr. 152. 153.155.) nachlesen. Meist holen sie sich Lebensmittel. Ein Dänischer Trold stahl Bier und als er erschreckt wurde, entfloh er und ließ seinen Kupferkessel stehen (Thiele 1.35.); die shetländi-sche Elfin, welche die Kuh unsichtbar gemolken hatte, ließ ein seltsames aber schönes Gefäß bei ihre Flucht zurück. - Der Däumling in den deutschen und englischen Märchen, der nichts als ein kleiner und behender Elfe ist, hat seine Neigung zum Diebstahl nicht vergessen, holt im Spiel seinen Gesellen das ihrige aus dem Beutel und wirft die Taler aus der Schatzkammer des Königs (Hausm. Nr. 37. und 45. Vgl. III. S. 401.). Daß wir einen im dreizehnten Jahrhundert bei den hochdeutschen Dichtern berühmten Dieb, der geschickt war, den brütenden Vögeln die Eier unter dem Leib wegzuholen (eine Sage, die noch in den Hausmärchen fortdauert, vgl. Nr. 129.), gleichwohl so weit entfernt von gemeinen Dieben, daß er Karl dem Großen in einem durch einen Engel gebotenen Diebstahl Beistand leistete, als einen ursprünglichen Elfen hieher ziehen, scheint uns, teils weil er ganz die Natur eines treuen, seinen Herrn begleitenden Hausgeistes zeigt, teils seines Namens Elbegast wegen, nicht zu kühn (Vgl. Museum für altd. Litteratur II. 234. 235.).