XIII. Feindliche Gesinnung

Die Elfen zeigten sich bei aller Lust zu Neckereien als gutgesinnte Wesen, den Menschen geneigt und wenn auch manchmal in die Stille sich zurückziehend, doch im ganzen gern mit ihnen verkehrend. Völlig entgegengesetzt ist eine andere Ansicht, wovon gleichwohl die Sagen aller Völker durchdrungen sind und welche die feindlichste Stellung der Elfen gegen die Menschen behauptet.

1. Schon ihr bloßer Anblick töte, glaubt man in Wales, oder sei im höchsten Grad gefährlich. Krankheit, heftiges Fieber, Verlust des Verstandes erfolgt daraus nach Thomas Bourkes Bekenntnissen (s. unten S. 158 f.). Ein Jüngling erblickte einen braunen Zwerg, fiel in eine langwierige Krankheit und starb in Jahresfrist (Walter Scott Lady of the Lake, p. 386.). Überall wird geraten, sich zu entfernen oder nicht aufzublicken, wenn der nächtliche Zug der Elfen kommt. Wer durch ein Astloch nach den Elfen sieht, verliert das Auge. Eine Wehmutter erzählt, was sie im Berg bei den Unterirdischen gesehen hat und erblindet (Thiele I. 36.).

2. Sie haben ein Geschoß, einen Pfeil, wodurch Menschen und Tiere unfehlbar getötet werden; die bloße Berührung reicht schon hin (s. die schottischen Sagen). Die Elfenjungfrauen drohen dem Olof mit Krankheit und geben ihm einen Schlag zwischen die Schultern, und am andern Morgen liegt er tot auf der Bahre (Danske Viser I. 238. Schwed. Lieder III. 163.). Ein Jüngling auf der Insel Man entzog sich den Liebkosungen einer Nixe und erzürnt warf sie nach ihm; ob er sich gleich nur leicht vom Kiesel getroffen fühlte, so empfand er doch von dem Augenblick eine qualvolle Angst und starb nach sieben Tagen. Elberich übt noch die gewohnte Rache; als Otnit ihn berührt und forttragen will, heißt es:

Str. 108: im wart zuo dem herzen ein grôzer slac getân.

Und der Heidenkönig wird von dem lauten Schlag, den der Unsichtbare ihm gibt, wütend (Str. 299.). Die Vermutung ist wohl erlaubt, daß Elberich in dem Nibelungenlied die ungewöhnliche siebenfache Geisel mit den schweren Knöpfen führt (V. 1991.), um damit den Elfenschlag zu tun.
Der bloße Anhauch der Elfen bringt schon Gefahr. In Irland und Schottland entstehen davon Beulen und Krankheiten. In Norwegen heißt die Krankheit Alv-Gust oder Alvild (Elfenfeuer), im altnord. âlfabruni, und befällt den Menschen, wenn er nur an den Ort kommt, wo die Elfen hingespien oder Wasser gelassen haben. Der schottische Elfe speit in das Auge, das ihn gesehen hat, der preußische haucht hinein und es erblindet; der dänische reißt es aus (s. Nyerups Abhandlung) wie jener, von dem Gervasius in der gleich anzuführenden Stelle erzählt, es mit dem Finger ausdrückt.

3) Wer von Speise oder Trank, den Elfen vorsetzen, das geringste anrührt und genießt, ist ihnen nach den schottischen Sagen verfallen und kann nicht mehr in das Menschenleben zurück. Darum tragen sie Goldbecher in den Händen und bieten sie dar (Thiele I. 23. 55. II. 67. III. 44. Schwed. Volksl. I. in.), was aber aus dem Oldenburger Hörn aufs Pferd sprützte, versengte die Haare (Vgl. Thiele 1.4. und 49.). Bei den Zwergen im Berg nimmt die Frau von Alvensleben nach der Deutschen Sage (Nr. 68.) von dargebotner Speise und Trank nichts und kehrt deshalb wieder zurück; andere bringt der erste Trunk um die Freiheit (Nr. 305. Vgl. Thiele I. 119.). Die Elfinnen versuchen alles, den schönen Jüngling zum Reden zu bewegen (Danske Viser I. 234. Vgl. Deutsche Sagen Nr. 7.) oder daß er mit ihnen in den Tanzkreis trete; dann gehört er ihnen. Wer ihnen Dienste geleistet hat und ein wenig mehr von dem hingeschütteten Gold nimmt, als er zu fordern hat, dessen Leben steht in Gefahr oder er muß bei ihnen bleiben (Deutsche Sagen Nr. 41. 65.). Selten kommt jemand von ihnen zurück, und wenn es geschieht, so ist der Mensch (wie man in Norwegen glaubt), auf immer wahnwitzig oder stumpfsinnig (elbisch). Manchmal erhält er nach langem Todesschlaf die Sinne wieder (Vgl. unten S. 75. und Thiele Dän. Sagen I. 119.). Deshalb glaubt man auch von einem Einfältigen, er stehe in Verbindung mit den Unterirdischen und wenn sie nächtlich erscheinen, springt er auf, zieht mit ihnen und zeigt sich vertraut mit den Bewegungen ihres Tanzes, wie eine shetländische Sage erzählt.

4) Die Elfen tragen Verlangen nach kleinen, gesunden Kindern, blühenden Jünglingen und schönen Frauen, die sie mit Gewalt oder List rauben. Unsichtbare Hände nehmen das Kind der Mutter weg (Waldron S. 128.), Nixen ziehen es ins Wasser (Deutsche S. Nr. 4. 61.). Oder sie suchen durch Musik und Tanz, durch Versprechungen wunderbarer Geschenke oder eines glückseligen Lebens die Menschen an sich zu locken; davon enthalten die schottischen und dänischen Sagen (Thiele I. 58.) Beispiele genug. Wie etwa Homer von den Geistern erzählt, daß sie Blut begierig einsaugen, um das Gefühl des Lebens zu erlangen, so scheinen diese geisterhaften Wesen ihren Kreis durch die geraubten jugendlichen Menschen zu erfrischen oder wiederherzustellen, welches in Wales wirklich Volksglaube ist.

Am häufigsten vollbringen sie Diebstahl durch Vertauschung. In den deutschen Hausmärchen (Nr. n. 135.) wird mehrmals erzählt, daß an die Stelle einer schönen Frau während des Wochenbetts die häßliche Tochter einer Hexe sei vertauscht worden. (Vgl. Thiele I. 89.). Sie sollen die Kinder der Elfen säugen, das sagt die schottische Sage ausdrücklich. Doch gewöhnlich ist es ein neugebornes rotwangiges Kind, dem der Platz in der Wiege von einem Wechselbalg geraubt wird. Der irische und schottische Glaube darüber ist so ausführlich abgehandelt, daß nur die große Übereinstimmung der deutschen Sagen (Nr. 81. 82. 87-90.) und der nordischen (Thiele I. 47. II. I.) anzumerken ist. Das Alter desselben bezeugt auch eine, zugleich ihres Inhalts und ihrer schon oben angezeigten Ähnlichkeit mit einer noch lebenden schottischen Sage wegen, wichtige Stelle des Gervasius von Tilbury. Otia Imper. 987:
Sed et dracos vulgo asserunt formam hominis assumere primosque in forum publicum adventare sine cujusvis agitatione. Hos perhibent in cavernis fluviorum mansionem ha-bere et nunc in specie annulorum aureorum supernatantium aut scyphorum, mulieres allicere ac pueros in ripis fluminum balneantes. Nam dum visa cupiunt consequi, subito raptu coguntur ad intima delabi, nee plus hoc contingere dicunt quam foeminis lactantibus, quas draci rapiunt, ut prolem suam infelicem nutriant et nonnunquam post exactum septennium remuneratae ad hoc nostrum redeunt hemispherium; quae etiam narrant, se in amplis palatiis cum dracis et eorum uxoribus in cavernis et ripis fluminum habitasse. Vidimus equidem hujuscemodi foeminam raptam, dum in ripa fluminis Rhodani panniculos ablueret, scypho ligneo superenatante, quem dum ad comprehendendum sequeretur, ad altiora praegressa a draco introfertur, nutrixque facta filii sui sub aqua, illaesa rediit, a viro et amicis vix agnita post septen-nium. Narrabat aeque miranda, quod hominibus raptis draci vescebantur, et se in humanas species transformabant, cumque uno aliquo die pastillum anguillarem pro parte dracus nutrici dedisset, ipsa digitos pastilli adipe linitos ad oculum unum et unam faciem casu ducens, meruit limpidissimum sub aqua ac subtilissimum habere intuitum. Completo ergo suae vicis anno tertio, cum ad propria rediisset, in foro Pellicadii (al Belliquadri h. e. Beaucaire) summo mane dracum obvium habuit, quem agnitum salutavit, de statu dominae ac alumni sui quaestionem faciens. Ad haec dracus, heus, inquit, quo-nam oculo mei cepisti agnitionem? at illa oculum visionis indicat, quem adipe pastilli pridem perunxerat, quo comperto dracus digitum oculo infixit sicque de caetero non visus aut cognoscibilis divertit.

Wie der Hausgeist Glück und Gedeihen, so bringt die Gegenwart des Wechselbalgs Verderben über Menschen und Tiere und jedes Unternehmen mißlingt (Vgl. unten S. 127.).

5. Die Toten gehören den Elfen an und sie feiern daher das Absterben eines Menschen wie ein Fest mit Tanz und Musik. Diesem irischen Glauben entspricht die deutsche Sage (Nr. 61.), wonach man die Nixen auf dem Wasser tanzen sieht, bevor ein Kind ertrinkt. In dem Zug des wütenden Heers bemerkt man längst verstorbene Menschen (Eyring Sprichwörter I, 781-786.).

6. Ein feindlicher Geist ist der Alp, schon bei den Dichtern des Mittelalters ein böses, schlafende Menschen zäumendes und reitendes Gespenst (getwâs), das ihnen im Traum vorgaukelt. Die Stellen sind oben im ersten Abschnitt mitgeteilt. Daher immer der Ausdruck triegen (täuschen), so wie für Gespenst selbst getruc (phantasma) schon bei O. III. 8, 48. gidrog, stehet; das Adj. elbisch bezeichnet nicht bloß die Eigenschaft des Alpseins, sondern auch des vom Alp besessen seins, daher noch im Vocabul. 1482 elbischer: Phantast. Niederländische Dichter jener Zeit äußern dieselbe Ansicht. Vgl. Maerlant spec. hist. I. 5. elfs ghedroch (elbischer Trug.) - Ein altes Zeugnis für diesen Glauben findet sich in Snorres Heimskringla (I. p. 20.): der schwedische König Vanland klagt, daß ihn die Mara im Schlaf gedrückt habe (at mara trad hann) und der Skalde Thiodolf wiederholt das in einem Gedicht (mara qualdi). Ein anderes enthält Gervasius von Tilbury otia imper. c. 86. ut autem moribus et auribus hominum satisfaciamus, constituamus, hoc esse foeminarum ac virorum quorundam infortunia, quod de nocte celerrimo volatu regiones transcurrunt, domos intrant, dormientes opprimunt, ingerunt somnia gravia, quibus planctus excitant. Daß es nicht Elfen sind, sondern Geister wirklicher Menschen, welche andere im Schlaf drücken, kommt mit dem heutigen Glauben in Schweden (Westerdahl Beskrifning am svenska Seder S. 40.) und Dänemark (Thiele II. 18.) überein, wonach Mädchen im Schlafe unbewußt entrückt werden und andere schlafende quälen. Der Name ist Mare, auf den Färöer Marra, in England Night-mare und in Holland Nachtmaer. In Deutschland, und wie es scheint allein, bedient man sich zwar des Ausdrucks der Alp, allein das gleichbedeutende Mahr und Drud wird beides männlich und weiblich gebraucht und stimmt insoweit zu Gervasius, der von Männern und Frauen spricht. Glaube und Sagen (was jetzt noch gang und gäbe in Deutschland ist, findet sich gesammelt in Nr. 80.) scheinen allerorten ziemlich dieselben zu sein. Seltsam, daß man den Alp auch mit bloßen Gedanken aus Zorn und Haß andern zuschicken kann; dann kriecht er als ein kleiner weißer Schmetterling aus den zusammengewachsenen Augenbrauen des Menschen hervor, fliegt und setzt sich auf die Brust des Schlafenden. Zu diesem Glauben stimmt vollkommen, daß (nach Stalder) in der Schweiz Toggeli beides zugleich den Alp und den Schmetterling bedeutet und daß in den Hexenprozessen der böse Geist (der Elbe) als Molkendieb und Schmetterling vorkommt. In Frankreich kennt man den Cauchemar. Die irische Phuka entspricht in ihrem Wesen völlig der Mahr und es ist nur anzumerken, daß es noch eine besondere deutsche Sage (Nr. 79. Vgl. 272.) von einem in Schilf und Erlengesträuch sitzenden Gespenst gibt, welches, wie die Phuka, abends den Vorübergehenden auf den Rücken springt und sie nicht eher verläßt, bis sie ohnmächtig zur Erde sinken.