IV. Gestalt

1. Erblickt man den Elfen in seiner wahren Gestalt, so sieht er aus, wie ein schönes Kind von einigen Jahren, zart und wohl gegliedert; die schottischen und wallisischen Sagen beschreiben ihn ausdrücklich auf diese Art. Elberich liegt als Kind von vier Jahren unter einer Linde, wo ihn Otnit kraft eines Ringes sehen kann und ihn meint als ein Kind forttragen zu können. (Str. 99. 108.) Und als der Elfe sich vor den Leuten sehen läßt, so heißt es (Str. 517.):

ich wäne daz nie kein ouge schöner bilde ie gesach.

In der Wilkina Saga (Cap. 26.) bittet der Kleine den Dieterich, der ihn gepackt hat: "er möge seinen kleinen Leib und schwache Glieder nicht zerdrücken." Übereinstimmend wird von Oberen in dem französischen Volksbuch erzählt, daß er nur drei Fuß hoch sei, aber ein Gesicht von himmlischer Schönheit habe, welches niemand ohne Wohlgefallen ansehen könne (p. 28. "Oberon, qui n'a que trois pieds de hauteur, il est tout bossu, mais il a un visage angelique, il n'y a personne sur la terre, qui le voyant ne prenne plaisir à le considerer, tant il est beau."). - Hinzelmann (Deutsche S. Nr. 75.) zeigt sich Knaben, in deren Gesellschaft er spielt, als ihresgleichen, aber mit schönem Angesicht. Damit stimmt auch die Vorstellung der Norweger, die sich die Elfen als kleine, nackte Gesellen denken. - Die Schönheit der Elfinnen wird in den schottischen, irischen, dänischen und schwedischen Sagen als im höchsten Grad reizend und verführerisch geschildert, menschlicher Schönheit unvergleichbar. So beschreiben sie auch schwäbische Sagen am Mägdleinsfelsen (S. Gustav Schwab die schwäb. Alb. Stuttg. 1823. S. 71.) und die Wasserjungfrauen entzücken alle Männer (Deutsche S. Nr. 58. 60.).

2. Langes Haar legen schottische und wallisische Sagen den Elfen und Elfinnen ausdrücklich bei und die Brownie heißt deshalb die haarige Mag. Eines Zwerges mit krausem rotem Haar in Northumberland gedenkt Walter Scott in den Noten zur Lady of the Lake, p. 387. Die schwedische Waldfrau ist klein mit blonden Locken, so auch der Nix. In deutschen Sagen fehlt dieser Zug nicht: dem Hausgeist und einer schönen Elfin, die sich um Mittag zeigt, hängt das Haar in gelben Locken über die Schultern (D. Sagen Nr. 11. 65. 75.); eine Bergfrau hat so prächtige Haare, daß sich ein Mann deshalb in sie verliebt, und dessen Weib, das sie schlafend erblickt, ausruft: Gott behüte deine schönen Haare! (D. Sagen Nr. 50.) In einer andern ähnlichen Sage (Strack Beschr. von Ellfen S. 120.) schneidet sie wirklich der Elfin eine von den schönen, langen Haarflechten im Nacken ab, welche diese hernach dringend zurückfordert. Die Elfinnen im Norden (Thiele III. 44. Schwed. Lieder III. 165.) tanzen mit aufgelösten Haaren. - Auf das Kämmen der langen Haare scheinen sie besondere Sorge zu verwenden. Frau Holle oder Hulda, die ohne Zweifel zu ihnen gehört (Huldevolk heißen auf den Färöer noch jetzt die Elfen, und Huldrer die Elfinnen in Norwegen), läßt sich gern ihre Haare auskämmen (Vgl. Hausmärchen III. 44). Die Wasserelfen erblickt man bei diesem Geschäft (Schwedische Lieder III. 148.) und Waldron S. 128. erzählt von einem Wechselbalg, der, wenn man ihn allein gelassen hatte, bei der Zurückkunft, ohne Zweifel von den Seinigen, auf das sorgfältigste gekämmt war.

3. Aus der Vermischung der himmlischen und irdischen Elfen erklärt sich, warum in den Sagen diese Geister zugleich schön und jugendlich und alt und häßlich geschildert werden. Der Zwerg hat ebenfalls Kindesgestalt, aber ist alt und häßlich, langnäsig, von dunkler, wie vorhin erwähnt ist, blaugrauer oder erdbrauner Farbe; weil ihn das Licht nicht bestrahlt, hat er das Gesicht eines Toten, daher sagt auch in der Edda (Alvîsmâl II.) der Gott zu dem Zwerg: "Wie bist du so fahl an der Nase, warst du in nächtlichem Dunkel bei einer Leiche?" Dabei ist er mißgeschaffen, dem Oberon wird mit Unrecht ein Höcker zugeschrieben (il est tout bossu), er gehört einem schwarzen Elfen (Vgl. Thiele I. 121, 122.). Elberich zeigt, wie nah den Sagen die Verwechselung lag, während er im Otnit als ein schönes Kind beschrieben ist, erscheint er in den Nibelungen als ein alter, bärtiger Mann: 2001. dô vienc er (Siegfried) bì dem barte den altgrîsen man. Und seines Alters gedenkt das Kind auch im Otnit Str. 252.

ich trage ûf mînem rücken mê dan vierdehalp hundert jâr.

Ganz wie in dem deutschen Kindermärchen (I. 205.) der elfische Wechselbalg ausruft: "Nun bin ich so alt, wie der Westerwald", womit man die entsprechende Stelle in dem irischen (unten S. 132.) und dänischen (bei Thiele I. 48.) vergleichen kann. - Ein altwallisisches Gedicht (Fairy tales p. 195. 96.) nennt die Elfen "schiefmäulige"; der Cluricaun ist häßlich und sein altes Gesicht einem verschrumpften Apfel ähnlich, so zeigt sich der Elfe auf Bottle-Hill (unten S. 136.) und genau gerade so beschreibt ihn Gervasius von Tilbury aus dem 13ten Jahrhundert in einer merkwürdigen, unten vollständig anzuführenden Stelle. Die Bergmännlein der deutschen Sagen sind immer alt und greis. Der Nix wird in Schweden dargestellt klein mit Goldlocken oder alt mit einem Bart; man sieht ihn manchmal auf den Felsen sitzen und sich den Bart auswinden (Schwed. Volksl. III. 133.).


4. Bei Zusammensetzung der Namen trat, wie vorhin bemerkt ist, das christliche engil an die Stelle des heidnischen alp, ein umgekehrtes Verhältnis scheint in der bildenden Kunst stattgefunden zu haben. In der Bibel und den Kirchenvätern begründet nichts die Annahme einer kleinen Gestalt der Engel, aber das Volk war gewohnt, sich die Elfen als Kinder von großer Schönheit zu denken. Diese Vorstellung übertrug man auf die christlichen Geister wesen. Es verdiente wohl genauere Untersuchungen, wann und wo in Gemälden und Bildwerken zuerst solche kleine Engel angebracht worden sind, sowie, wann sich die Sprache der Verkleinerung Engelein zu bedienen anfing. Etwa im zwölften oder dreizehnten Jahrhundert muß es begonnen haben. Bei Otfried und andern deutschen Schriftstellern des neunten, zehnten Jahrhunderts sind die Engel stets erwachsene Jünglinge und werden Gottes Boten genannt. Um 1250 hatte sich das geändert. Berthold, ein bairischer Prediger, der 1272 starb und sich durch lebendige, das Volk ergreifende Beredsamkeit auszeichnete, sagt in seinem Sermon von den heiligen Engeln (Klings Ausgabe S. 184.) "Ir sehet wol, daz si allesamt sint junclîche gemâlet, als ein kint, daz dâ vünf jâr alt ist, swâ man sie malet." Auf die nämliche Bemerkung kommt er auch in andern Predigten zurück (S. 238. 282.) Von den Genien der Griechen und Römer scheint nicht die kleine Gestalt der Engel ausgegangen, eher ihre Beflügelung; Flügel gibt den Elfen keine echte Volkssage. Sollte aber nicht der Zwergsname Euglin im Gedicht von Hürnin Siegfried in Englîn zu berichtigen und bloße Übersetzung des älteren Elberîch sein? selbst das Egwald im Volksbuch könnte gedeutet werden aus Engelwald.