25. DIE KUH MIT DEN SIEBEN FÄRSEN

Lorenz Cotter besaß ein kleines Gut in der Gegend von dem See Gur und gedieh dabei, denn er war ein guter, fleißiger Mann, der bis an seinen Tod still und ruhig darauf gelebt haben würde, wenn ihn nicht ein Unglück betroffen hätte, von dem ihr sogleich hören sollt. Nah am Wasser gehörte ihm ein feines Stück Wiesenland, wie man es sich nicht besser wünschen kann, um dessen Ertrag er aber schmählich gebracht wurde und niemand konnte sagen, durch wen. Ein Jahr um das andere fand es sich immer auf dieselbe Weise zu Grund gerichtet. Die Einfriedigung war im gehörigen Stand und kein Grenzstein verrückt; des Nachbars Vieh konnte keinen Schaden gestiftet haben, denn es war gekoppelt; aber wie es nun geschehen mochte, das Gras auf der Wiese wurde zu großem Verluste Lorenz völlig verdorben.

"Was in der weiten Welt soll ich nur anfangen?" sagte Lorenz Cotter zu Thomas Welch, seinem Nachbar, einem ehrsamen Mann: "Das bißchen Wiese, wofür ich schwere Abgaben entrichten muß, bringt mir so viel wie nichts ein und die Zeiten sind bitter schlecht genug, sie brauchten nicht noch schlimmer zu werden."

"Ihr redet wahr, Lorenz" versetzte Welch, "die Zeiten sind bitter schlecht, aber ich glaube, wenn ihr bei Nacht wachen wolltet, ihr könntet bald dahinter kommen; Michel und Diether, meine beiden Jungen, sollen mit euch wachen, es ist zum Erbarmen, daß ein so ehrlicher Mann, wie ihr seid, auf so schimpfliche Weise zugrunde gehen sollte."

Dieser Übereinkunft gemäß nahmen die folgende Nacht Lorenz Cotter und Welch's beide Söhne ihren Posten in einer Ecke der Wiese. Es war eben Vollmond, der sein Licht über den ruhigen See ergoß, kein Wölkchen war am Himmel zu sehen, kein Laut zu hören, als der Schrei der Wachteln, die sich einander über das Wasser hin zuriefen.

"Jungen, Jungen!" sagte Lorenz, "schaut auf, schaut auf, aber ums Leben macht kein Geräusch und rührt euch keinen Schritt, bis ich das Wort sage."

Sie schauten und sahen eine dicke fette Kuh in Begleitung von sieben milchweißen Färsen über die glatte Fläche des Sees sich nach der Wiese zu bewegen.

"Das ist nicht Tim Dwyers, des Pfeifers Kuh, die sich alles Fleisch von den Knochen getanzt hat", flüsterte Michel zu seinem Bruder.

"Ihr Jungen", sprach jetzt Lorenz Cotter, der die saubere Kuh mit ihren sieben weißen Färsen schönstens auf der Wiese angelangt sah, "sucht mir zwischen sie und den See zu kommen, wir wollen sie geradezu in den Pfandstall treiben, gleichviel wem sie gehören."

Die Kuh mußte aber diese Worte vernommen haben, denn augenblicklich wendete sie sich in größter Eile zu dem Ufer des Sees und sprang hinein vor ihrer aller Augen; hinter ihr liefen die sieben Färsen, doch die Jungen gewannen ihnen den Vorsprung ab und hatten große Mühe, sie von dem See weg zu Lorenz Cotter hinzu treiben.

Lorenz trieb die sieben Färsen in den Pfandstall, es waren prächtige Tiere, und nachdem er sie daselbst drei Tage lang gehalten hatte, ohne daß sich ein Eigentümer meldete, so nahm er sie heraus und brachte sie auf eines seiner Grundstücke. Sie wuchsen und gediehen mächtig, bis in einer Nacht das Gatter offen gelassen wurde und des morgens die sieben Färsen fort waren. Lorenz konnte nichts wieder von ihnen in Erfahrung bringen und ohne Zweifel waren sie in den See zurück gegangen. Woher sie nun kamen und welcher Welt sie zugehörten, Lorenz bekam ihretwegen kein Hälmchen Gras mehr von der Wiese. Aus Verdruß gab er sich ans Trinken und der Trunk, sagt man, hat ihn getötet.

Anmerkungen:

In der Grafschaft Tipperary, nicht weit von Callir, ist ein See, genannt Longh na Bö oder See der Kuh, nach einer Sage, die Ähnlichkeit hat mit der vom See Gur. Die Hörner dieser Kuh sollen so lang sein, daß man bei niedrigem Wasserstand die Spitzen kann hervorragen sehen.

Aus dem See Blarney hat man zwei Kühe heraussteigen gesehen, die in den zunächst liegenden Wiesen und Kornfeldern bedeutenden Schaden sollen angerichtet haben.

Alle sieben Jahre kommt ein großer, vornehmer Mann aus dem See und wandelt eine Stunde oder weiter in der Hoffnung, daß jemand mit ihm rede, aber da es niemand wagt, so kehrt er in den See zurück.

Dieser große Mann ist ohne Zweifel niemand als der Graf von Clancarthy, eifrig bemüht, Mittel an die Hand zu geben, wie man seinen Silberkasten entdecken könne, welcher der Sage zufolge in den See geschleudert wurde, um zu verhindern, daß er nicht den Feinden, die seine Burg erobert hatten, in die Hände falle.

Dieses Märchen hängt mit den schottischen und nordischen Sagen vom Elfstier zusammen, worüber die Einleitung nachzusehen ist.

Quelle: Thomas Crofton Croker, Fairy tales and traditions of the South of Ireland, London 1825;
in der Übertragung der Brüder Grimm, Irische Elfenmärchen, Jakob und Wilhelm Grimm, Leipzig 1826

The Legend of Lough Gur

Larry Cotter had a farm on one side of Lough Gur [in the county of Limerick] and was thriving in it, for he was an industrious proper sort of man, who would have lived quietly and soberly to the end of his days, but for the misfortune that came upon him, and you shall hear how that was. He had as nice a bit of meadow-land, down by the water-side, as ever a man would wish for; but its growth was spoiled entirely on him, and no one could tell how.

One year after the other it was all ruined just the same way: the bounds were well made up, and not a stone of them was disturbed; neither could his neighbours' cattle have been guilty of the trespass, for they were spancelled [= fettered]; but however it was done the grass of the meadow was destroyed, which was a great loss to Larry.

"What in the wide world will I do?" said Larry Cotter to his neighbour, Tom Welch, who was a very decent sort of man himself: "that bit of meadow-land, which I am paying the great rent for, is doing nothing at all to make it for me; and the times are bitter bad, without the help of that to make them worse."

"'T is true for you, Larry," replied Welch : "the times are bitter bad - no doubt of that; but may be if you were to watch by night, you might make out all about it: sure there 's Mick and Terry, my two boys, will watch with you; for 't is a thousand pities any honest man like you should be ruined in such a scheming way"

Accordingly, the following night, Larry Cotter, with Welch's two sons, took their station in a corner of the meadow. It was just at the full of the moon, which was shining beautifully down upon the lake, that was as calm all over as the sky itself; not a cloud was there to be seen any where, nor a sound to be heard, but the cry of the corncreaks answering one another across the water.

"Boys! boys!" said Larry, "look there I look there! but for your lives don't make a bit of noise, nor stir a step till I say the word."

They looked, and saw a great fat cow, followed by seven milk-white heifers, moving on the smooth surface of the lake towards the meadow.

" 'T is not Tim Dwyer the piper's cow, any way, that danced all the flesh off her bones," whispered Mick to his brother.

"Now, boys " said Larry Cotter, when he saw the fine cow and her seven white heifers fairly in the meadow, "get between them and the lake if you can, and, no matter who they belong to, we'll just: put them into' the pound."

But the cow must have overheard Larry speaking, for down she went in a great hurry to the shore of the lake, and into it with her, before all their eyes: away made the seven heifers after her, but the boys got down to the hank before them, and work enough they had to drive them up from the lake to Larry Cotter.

Larry drove the seven heifers, and. beautiful beasts they were, to the pound; but after he had them there for three days, and could hear of no owner, he took them out, and put them up in a field of his own. There he kept them, and they were thriving mighty well with him, until one night the gate of the field was left open, and in the morning the seven heifers were gone. Larry could not get any account of them after; and, beyond all doubt, it was back into the lake they went. Wherever they came from, or to whatever world they belonged, Larry Cotter never had a crop of grass off the meadow through their means. So he took to drink, fairly out of the grief; and it was the drink that killed him, they say.

Quelle: Thomas Crofton Croker, Fairy tales and traditions of the South of Ireland, London 1825;