XII. Verhältnis zu den Menschen


1. Die Unterirdischen lieben ein verborgenes, heimliches Leben, können Lärm und Geräusch nicht vertragen und heißen in dieser Beziehung das stille Volk. "Daheim soll man nicht die Ruhe nehmen (stören)!" sagt ein eddischer Zwerg (Alvîsmâl I.). Bei Tag halten sie sich ruhig, erst wenn die Menschen schlafen, in der Nacht, werden sie tätig und munter. Sie haben es ungern, wenn ein menschliches Auge sie erblickt; begehen sie ein Fest, feiern sie eine Hochzeit, so vergönnen sie wohl dem Hausherrn zuzusehen, (Deutsche S. Nr. 31.), aber wenn ein anderes Auge nur durch die kleinste Öffnung neugierig schaut, entfliehen sie plötzlich und ihre Lust ist gestört. In Tipperary entfernen sie sich, wenn Menschen sich ihren alten Tanzplätzen nahen und das Gebrüll der Herden klingt ihren Ohren unerträglich. Kommt ein Geistlicher des Wegs (s. unten S. 118.), so verstecken sie sich eilig. Die erzgebirgischen Zwerge wurden durch Errichtung der Hämmer und Pochwerke (Deutsche S. Nr. 36.) verjagt, andere durch das Glockengeläut in nahgebauten Kirchen. Als ein Bauer im Wald Bäume fällt und Balken haut, verdrießt es den Berggeist, er ruft klagend: "Wer lärmt hier so stark?" "Ein Christ", antwortet ihm sein Gesell, "ist gekommen, haut uns den Wald und unsere Schlupfwinkel weg und tut uns großes Leid an." (Danske Viser I. 175. 176. 178.). Thiele (Danske Folkesagn l. 42. 43. 122. 174.175.) hat ähnliche Sagen gesammelt, nach welchen die Trolde vor dem Glockengeläut das Land verlassen oder an einzelnen Orten wegbleiben. Eine Stelle im Angelsächsischen Gedicht von Beovulf zeigt das hohe Alter dieser Überlieferungen, der König hatte eine Burg unfern dem Aufenthalt des Geistes Grendel bauen lassen, fröhlich hausten darin die Helden, aber (S. 9.)

se ellengäst earfodlîce
thrage getholode, se the in thystrum bâd,
thät he dôgora gehvam dreám gehyrde
hlûdne in healle; thär väs hearpan svêg
svutol sang scôpes.

(Der gewaltige Geist, der im Finstern wohnte, duldete heftigen Kummer, daß er jeden Tag den lauten Lärm in der Halle hörte, Harfenspiel und Gesang des Dichters.) Grendel suchte mit aller Macht die Menschen zu schrecken, er und seine Mutter schlichen sich Mitternachts in die Burg, mordeten und raubten die Schlafenden, daß bald alles verödete. - Chaucer gleich im Eingang von the wif of Bathes tale 6446-6463 schildert die Austreibung der Elfen folgendergestalt:

but now can no man see non elves mo;
for now the grete charitee and prayerers
of limitoures (Bettelmönchen) and other holy freres,
that serchen every land and every streme,
as thicke as motes in the sonne beme,
blissing halles, chambres, kichenes and boures,
citees and burghes, castles highe and toures, ;
thorpes and bernes, shepenes and dairies,
this maketh, that ther ben no fairies.
For ther as wont to walken was an elf,
ther walketh now the limitour himself
in undermeles and in morweninges,
and sayth his matines and his holy thinges,
as he goth in his limitatioun.
Women may now go safely up and doun
in every bush, and under every tree,
ther is non other incubus but he,
and he ne will don hem no dishonour.

2. Die Elfen heißen aber auch, wie in Schottland, das gute Volk, gute Nachbarn, friedliche Leute (men of peace); in Wales (Fairy tales p. 134.) die Familie, die Gesegneten ihrer Mütter, die lieben Frauen; im altnord. und noch jetzt auf den Färöer Huldufolk; in Norwegen Huldre, und zeigen in Übereinstimmung mit diesen Benennungen ein dem vorigen ganz entgegengesetztes Bestreben in der Nähe der Menschen zu sein und mit ihnen in gutem Vernehmen zu stehen. Sie legen ihre Wohnungen neben den menschlichen an, selbst, wie in Schottland, unter der Türschwelle, und es bildet sich ein gegenseitiger Verkehr. Die Zwerge bei der Stadt Achen haben Kessel und Töpfe und allerlei Küchengeschirr bei den Einwohnern geliehen und redlich zurückgebracht (Deutsche S. Nr. 33. Vgl. Thiele I. 121.), dagegen bei Quedlinburg ihr eigenes Zinnwerk den Leuten zu ihren Hochzeiten geborgt (Nr. 36. Vgl. Thiele II. 15.). Das genauste Verhältnis drückt jene Sage aus, derzufolge die Familie der Elfen sich völlig nach der menschlichen richtete, welcher sie zugehörte und von der sie gleichsam ein Abbild war. Die Hauselfen hielten mit den Menschen an demselben Tage Hochzeit, ihre Kinder wurden an demselben Tag geboren und sie beklagten ihre Toten an demselben Tage (Vgl. Nr. 42.). Dieses gute Volk hilft in Trübsal und Not, und bezeigt sich dankbar für empfangene Wohltat (Deutsche Sagen Nr. 30. 32. 45. Thiele I. 72.). Manchmal machen die Elfen Geschenke mit seltsamen und wunderbaren Dingen, die, solange sie erhalten werden, Glück bringen (Deutsche S. Nr. 35. 41. 70.). In Wales, wenn man ihrem Ausgang aus den Häusern kein Hindernis in den Weg legt und ihnen eine Schüssel mit Milch hinstellt, lassen sie ein kleines Geschenk zurück. Dankbar zeigte sich jener schottische Elfe, der den Hausherrn hernach von dem Tod rettete, weil er eine gewünschte Verbesserung seiner unterirdischen Wohnung bewilligt hatte. In der Schweiz sind die Zwerge oft nachts aus den Bergen gekommen und haben die schwere Arbeit getan, das Korn geschnitten, so daß die Landleute, die morgens mit ihren Wagen anlangten, schon alles verrichtet fanden. Oder sie haben die Kirschen gepflückt und gleich an den Ort getragen, wo sie gewöhnlich aufbewahrt wurden (Deutsche S. Nr. 149.). Ein gutartiger Zwerg legte für verwundete Arbeiter heilende Kräuter bündelweise hin, die er nachts zubereitet hatte (Krieger, der Bodenthäler. Halberst. 1819. S. 41.). Napfhans führte die Kühe auf die gefährlichsten Stellen zur Weide, ohne daß je nur eine verunglückte.

Man muß aber von ihren Wohltaten schweigen und das Geheimnis nicht verraten. Weil darüber gesprochen wurde, verlor jener schottische Bauer das segenreiche Saatkorn, das kein Ende nahm, so wie die sich immer füllende Kanne leer wurde, die ein Knabe von den Elfen geschenkt bekommen hatte (Deutsche S. Nr. 7.). Jene Zwerge in der Schweiz, als man Asche streute, um ihre Spur zu entdecken, flohen und versagten fortan ihre Hilfe.

3. Die Elfen nehmen auch Dienste der Menschen in Anspruch. Zwei Musiker mußten in einem schottischen Shian hundert Jahre lang aufspielen. Am häufigsten kommt jedoch vor, daß sie Wehemütter in ihre Berge oder unter das Wasser eilig geholt und ihren Beistand verlangt haben (Deutsche S. Nr. 41. 49. 304. Thiele I. 36.).

4. Von genaueren Verbindungen der Elfen und Menschen reden nicht bloß schottische Sagen, mehrmals auch die Dänischen Lieder. Rosmer, der Meermann, hat sich eine Frau von der Erde geraubt, Agnete lebt acht Jahre mit einem Wassermann in der Tiefe und zeugt acht Kinder, (Vgl. Thiele I. 114. Schwedische Volkslieder I. i. II. 22.) so wie ein anderer mit Marstigs Tochter hinab in die Wellen tanzt (Danske Viser I. 311. Vgl. Schwedische Volksl. III. 129.), eine Sage, die ziemlich übereinstimmend auch in Deutschland erzählt wird (Nr. 51.). In Island glaubt man, solche Verbindungen nähmen immer ein trauriges Ende, wenn sie auch anfänglich glücklich zu sein schienen. Die Verbindung des Staufenbergers mit der Wassernixe bringt zuletzt Verderben. Elberich hat an einem Maitage Otnits Mutter unsichtbar gewonnen (Str. 181.), und Signild teilt mit dem Zwerg Laurin den Thron in dem unterirdischen Reich.

5. Schließt sich ein Elfe an einen einzelnen Menschen oder eine Familie an und begibt sich in seinen Dienst, so heißt er Kobold, Brownie (in Schottland), Cluricaune (in Irland), der Alte im Hause (Tomte gubbe, in Schweden), Nisse-god-Dreng (in Dänemark u. Norwegen), Duende, Trasgo (in Spanien), Lutin, Goblin (in Frankreich) Hobgoblin (in England), erhält auch wohl noch einen Eigennamen, wie ein Napfhans (Jean de la Bolièta) in der franz. Schweiz (Alpenrosen für 1824. S. 74. 75.) und in deutschen Sagen ein Hodecken, Hinzelmann, Ekerken (Eichhörnchen), Kurd Chimgen, Klopfer, Stiefel (Nr. 71-78.) Puck (nordisch Pûki), Knecht Ruprecht, König Goldemar* vorkommt. Von nun an weicht er nicht mehr, zeigt die größte Anhänglichkeit an seinen Herrn und fördert dessen Angelegenheiten, wie er immer kann; nur unter gewissen Umständen verläßt er ihn, sonst bleibt er, solange der Herr oder ein Glied der Familie am Leben ist. Dagegen aber auch umgekehrt, kann ihn der Herr nicht wieder loswerden, verändert er den Ort, so folgt ihm sein Hausgeist nach: Hinzelmann flog in Gestalt einer Feder neben dem Herrn her, andere kriechen in ein Faß und gucken bei der Abfahrt zum Spündloch heraus, oder sitzen hinten auf dem Karrn (Deutsche Sagen Nr. 72. 44. Vgl. Anmerkung zu dem irischen Märchen Nr. 12.). Sie wohnen gewöhnlich unten in dem Keller und in der Nähe der Küche. Der irische Cluricaun durchsucht alle Weinkeller.

* Goblinus Persona, der gegen das Ende des 15ten Jahrh. bis in das 16te hinein lebte, erzählte von dem König Goldemer, einem Hausgeist, der sich drei Jahre bei einem Neveling von Hardenberg aufhielt, alle Eigentümlichkeiten eines solchen zeigte und wahrscheinlich derselbe Goldemar ist, dessen im Reinfried von Braunschweig f. 1946 wo er "daz riche keiserliche getwerc" genannt wird, und im Anhang vom Heldenbuch Erwähnung geschieht. (Vgl. Altdeutsche Wälder I. 297. 298.)

Der Hausgeist behält den Charakter des Elfen bei, er ist behend, schalkhaft, gutmütig und nur, wenn er beleidigt wird, zu heftiger Rache geneigt (Vgl. Nr. 74. und 273. Thiele III. 8. 61.), in allen Arbeiten höchst geschickt und unermüdlich, an geheimen und übernatürlichen Kräften unerschöpflich; "er dienete im sô sìn kneht, allerhande dinge was er im gereht", heißt es übereinstimmend von Elberich im Nibelungenlied (V. 405.) und dem Otnit leistete er, obgleich selbst ein König, jeglichen Dienst. Nur scheint der Hausgeist einige Stufen herabgesunken zu sein und menschlichere Bedürfnisse zu fühlen. Nach Speise und Kleidung zeigt er überall ein deutliches Verlangen. Die Speise muß jedesmal an den bestimmten Ort gestellt werden, sonst zürnt er aufs äußerste (Deutsche Sage Nr. 73. und Anm. zu dem irischen Märchen Nr. 12. Dänische Sage bei Thiele I. 135.); um die Kleidung scheint er ordentlich zu dienen. Manchmal verschwindet er, wenn er sie empfangen hat, das erzählen übereinstimmend eine schottische und holländische Sage (Ol. Wormii epist. II. 669.) und ein deutsches Märchen (Nr. 39. I), am deutlichsten aber die mecklenburgische Sage (in Hederichs Schwerin. Chronik) von Pück, der sich einen bunten Rock mit Schellen ausbedingt, eh er in Dienst geht und den er bei seinem Abschied anzieht. Verläßt er das Haus, so schenkt er gewöhnlich einige wunderbare Stücke, die bei der Familie müssen erhalten werden, oder sie sinkt in Verfall.

Glück verbreitet sich in dem Haus, das einen Elfen besitzt, das Vieh gedeiht besser als an andern Orten und wird von keiner Krankheit befallen, alle Unternehmungen gelingen. Nachts, wo der Geist am meisten tätig ist, denn er läßt sich, wie schon oben bemerkt ist, nicht gerne sehen und belauschen, verrichtet er dem Gesinde, falls er gut mit ihm steht, die sauerste Arbeit: trägt Wasser, haut Holz, besorgt die Pferde, die er manchmal besonders zu lieben scheint (Thiele II. 4.). Das ganze Haus findet sich jeden Morgen gereinigt und geordnet, jedes Ding an seiner Stelle. Dabei ist er streng, haßt Faulheit und Unredlichkeit, zeigt Vergehungen an und bestraft das nachlässige Gesinde, wie Hinzelmann den Stock gebraucht und jener Brownie den trägen Reitknecht mit der eignen Peitsche züchtigt. In Dänemark glaubt man sogar (Thiele I. 135.), daß in der Kirche ein Geist wohne, der darin Ordnung halte und bei ärgerlichen Vorfällen strafe.

Ein altes Zeugnis von dem Hausgeist findet sich bei Gervasius von Tilbury, das um so merkwürdiger ist, als es ihn genau so beschreibt, wie ihn die heutige Sage darstellt. Otia Imper. p. 180: Ecce enim in Anglia daemones quosdam habent, daemones, inquam, nescio dixerim, an secretae et igno-tae generationis effigies, quos Galli Neptunos, Angli Portunos nominant. Istis insitum est quod simplicitatem fortunatorum colonorum amplectuntur, et cum nocturnas propter domesticas operas agunt vigilias, subito clausis januis ad ignem cale-fiunt et ranunculas ex sinu projectas prunis impositas comedunt, senili vultu, facie corrugata, statura pusilli, dimidium pollicis non habentes. Panniculis consertis induuntur et si quid gestandum in domo fuerit aut onerosi operis agendum, ad operandum se jungunt, citius humana facilitate expediunt. Id illis insitum est, ut obsequi possint et obesse non possint. Verum unicum quasi modulum nocendi habent. Cum enim inter ambiguas noctis tenebras Angli solitarii quandoque equitant, Portunus nonnunquam invisus, equitanti se copulat et cum diutius comitatur euntem, tandem loris acceptis equum in lutum ad manum ducit, in quo dum infixus volutatur, Portunus exiens cachinnum facit, et sie hujuscemodi ludibrio humanam simplicitatem deridet.