VI. Wohnung

1. Die Lichtelfen wohnen nach der Edda bei dem Sonnengott Freir, die schwarzen aber in der Erde und in Steinen. Die heutigen Sagen weisen ihnen sämtlich ein ausgedehntes Reich in Bergen, wilden und unzugänglichen Schluchten, Riesenhügeln und Felsklüften an. Sie haben darin oftmals ordentliche Wohnungen, die mit Gold und Silber angefüllt sind, und sehr prächtig werden die schottischen Shians beschrieben, dem Frau Venusberg der deutschen Sage (Nr. 170.) ähnlich. In Schweden glaubt man, sie säßen in kleinen, zirkelrund ausgehöhlten Steinen, die man Elfenmühlen (alfquarnar) heißt, dergleichen elfmills auch die schottische Sage kennt und womit die isländ. âlfavakir, kleine Höhlen in dem Eis, übereinkommen. Wolfram redet im Wilhelm dem heiligen S. 26b von Bergen: daz den wilden getwergen wäre ze stîgenne dà genuoc. Hug von Langenstein in der heil. Martina f. 128d:

sie loufent ûf die berge
als die wilden twerge.

"Unter der Erde wohne ich, unter dem Stein habe ich meine Stätte" sagt der eddische Zwerg (Alvîsmâl III.). In den Nibelungen:

1356.

von wilden getwergen hân ich gehoeret sagen
sie sin in holn bergen.

Und im Otnit sagt Elberich Str. 127. "mir dienet manec tal unde derc"; und Str. 249. 278. "im was kunt beidiu tal unde berc." Er besitzt dort alle Schätze der Welt; der aus Edelsteinen und Gold bestehende Nibelungenhort, welchen er bewacht, ist bekannt genug; auch im Otnit sagt er Str. 138 u. 525:

ich gibe wol swem mich lustet silber oder golt
ich mahte einen man wol rîche, dem ich wäre holt.

Und zu dem Kaiser selbst Str. 137:

unde hâst dû ûf der erden des landes alsò vil,
sô hân ich darunder klâres goldes swaz ich wil.

In der Wilkina Saga will er sich durch Gold und Silber aus Dieterichs Händen lösen.

2. Die Nixen haben unter dem Wasser ein Land, das in deutschen Sagen (Nr. 52. 65.) ebenso prächtig beschrieben wird als in den irischen, worin Häuser und Städte prangen, die mit allen Reichtümern der Welt verziert sind. Frau Holle hat unter ihrem Teich einen Garten, wo die herrlichsten Früchte wachsen.

3. Oben auf der Erde haben die Elfen Lieblingsplätze, Wiesengründe, einsame, eingeschlossene Waldgegenden, auch besondere Bäume, unter welchen sie sich gerne aufhalten (Vgl. Thiele III. 18.). So liegt Elberich unter einer Linde im Gras; bei den alten Preußen war ihnen der Holunderbaum heilig und durfte nicht verletzt werden und derselbe Glaube herrscht noch jetzt in Dänemark (Thiele I. 132.); auch in Deutschland pflegte man diesen Baum am ersten Mai oder um Johanni (wann die Lichtelfen ihren Umzug halten) besonders zu beachten. (Prätorius Glückstopf. S. 217.) In Norwegen darf man ihrentwegen gewisse hohe Bäume nicht abhauen. Hausgeister pflegen besondere Pfade zu haben. Hütchens Rennpfad ging über Berge und Wälder geradeaus und es kam deshalb schon allen andern vor (Deutsche Sagen I. S. 100.); Bolieta (in der französischen Schweiz) schlug immer denselben steilen Pfad ein, der so reinlich war, daß man nie einen Stein darauf liegen sah, obgleich auf dem Berg ein ganzes Lager von Rollsteinen vorhanden war; er heißt noch jetzt Bolietas Pfad.

4. Menschen sind manchmal in die Wohnungen der Elfen gekommen, dann hat sich das Geisterhafte ihres Daseins auch darin gezeigt, daß bei ihnen die Zeit aufhörte. Ein Mädchen, das glaubte drei Tage in dem Elfenberg gewesen zu sein, hatte ein ganzes Jahr dort zugebracht (Hausmärchen Nr. 39.) und jenen beiden schottischen Spielleute kamen hundert Jahre wie eine einzige in Lust zugebrachte Nacht vor, während eine arme Frau sie verschlief (Deutsche S. Nr. 151.). Der Tannhäuser merkt nicht, wie schnell ihm die Zeit in dem unterirdischen Berge verstreicht.