Die Bruthenne (La ciocca)    

    

Zwei junge Neuvermälte [Neuvermählte] lagen abends in ihren Betten, darunter aber hatten sie eine Bruthenne gestellt, welche in einem Korbe auf einigen Eiern sass. "Wie schön ist es doch", begann die Frau, "dass wir da eine so brave Bruthenne haben; ich freue mich schon auf die Jungen, da werden wir Eier bekommen!" "Die kannst du verkaufen", sagte er; "das Geld sparen wir zusammen und kaufen uns dann dafür einige Gänse. Die legen grössere Eier, haben schönere Federn und stehen überhaupt einer Haushaltung besser an, als die kleinen Hennen." "Das mein' ich auch", sagte sie, "die Gänse müssen uns viel mehr eintragen, als die Hennen. Aber weisst du, Herzensmännchen, dann will ich auch ein Schwein, das mästen wir und verkaufen das Fleisch und den Speck, ein paar gute Braten bleiben uns doch noch immer. Da werden wir Geld bekommen, ich freue mich schon darauf!" "Ich freue mich auch", versezte er; "dann können wir ein Kalb kaufen, das ziehen wir auf, dass es eine gute Kuh wird, die gibt uns Milch, dass wir Butter und Käse machen. Bald werden wir mehrere Kühe haben und können viel Butter und Käse verkaufen, das wird uns schöne Summen eintragen!" "Dann musst du dir aber auch ein schönes Pferd kaufen", fuhr sie fort; "denn ohne Pferd wäre eine rechte Haushaltung doch gar zu traurig." "Nicht Eines, sondern zwei — und einen Wagen muss ich auch haben!" fiel er ihr in's Wort; "weisst du, Schatz, dann fahren wir oft spazieren. Wird das eine Freude sein, wenn ich auf dem Bocke sitze und mit der Peitsche knalle!" — Bei diesen Worten hatte er sich aufgerichtet und ahmte mit lebhaften Gebärden die Armbewegungen eines mit der Peitsche knallenden Kutschers nach. Aber krak! — brach die Bettstatt und erdrückte die Bruthenne unter dem Bette sammt den Eiern! —

Quelle: Märchen und Sagen aus Wälschtirol, Ein Beitrag zur deutschen Sagenkunde, gesammelt von Christian Schneller, Innsbruck 1867, Nr. 47, Seite 130
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, 2007.
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