Warum Hunde und Katzen sich feind sind -
Inu to neko no naka ga warui wake

Vor langer, langer, also wirklich ganz langer Zeit, da wohnten einmal ein Hund und eine Katze freundschaftlich nebeneinander. Nun begab es sich aber eines Tages, daß die beiden vor die Gottheit, die für ihr Dorf zuständig war, gerufen wurden. Und der Himmlische sprach zu ihnen: "Seht ihr weit hinten im Meer, dort wo es mit dem Firmament eins zu werden scheint, die kleine Insel? So wißt denn, dies ist eine besondere Insel, denn dort liegt ein Schatz vergraben. Wer von euch nun den Schatz hebt und ihn zu mir bringt, dem verspreche ich gute Belohnung. Er soll nämlich sein ganzes Leben in Bequemlichkeit zubringen dürfen."
Der Hund und die Katze hatten die Worte des Gottes vernommen, und ohne die Schatzinsel aus den Augen zu lassen, brachen sie geschwind auf.

Aber gleich bei Beginn des Unternehmens zeigte sich eine ziemliche Schwierigkeit. Wie wir alle wissen, haben es die Katzen nicht besonders mit dem feuchten Element und dem Schwimmen. Der Hund aber war im Wasser wie zu Hause, und so schnell er nur konnte, durchquerte er das Meer bis zur Schatzinsel, die am Horizont schwebte. Er suchte und fand den Schatz, und alsbald machte er sich auf den Rückweg. Er war aber nur ein kleiner Hund, und der Weg durchs Wasser war arg weit gewesen. Als er endlich mit Müh und Not an seinem heimatlichen Strand ankam, fühlte er sich so erschöpft, daß er beschloß, zuallererst einmal auf dem weichen Korallensand ein Schläfchen zu halten.

Ja, und was war mit der Katze, die nicht schwimmen konnte, geschehen? Die hatte sich versteckt gehalten und auf alles achtgegeben. Jetzt aber schlich sie sich behutsam auf weichen Pfoten an den schlafenden Hund heran und zog ihm vorsichtig den Schatz unter dem Leib hervor.

Eilig trug sie das gestohlene Gut hin zur Gottheit. Diese hatte keine Ahnung davon, auf welchen Wegen die Katze zu dem Schatz gekommen war, und lobend sprach sie: "Gut gemacht, Katzentier! So nimm nun deine versprochene Belohnung. Von heute an sollst du in Bequemlichkeit mit den Menschen zusammen in Häusern wohnen, auf den weichen Tatami-Matten!"

Der Gott hatte gerade seinen Spruch getan, als endlich auch der Hund erschien. Er hatte keinen Schatz mehr zu bringen, und die Gottheit, die glaubte, er sei säumig gewesen, herrschte ihn an: "He, und du, Hund, du sollst von nun an im Freien wohnen, den Elementen preisgegeben, und Abfälle seien deine Speise!"

So ist es gekommen, daß die Katzen behaglich mit den Menschen zusammenwohnen, die Hunde aber müssen draußen vor den Häusern bleiben, in Wind und Wetter.

Seit diesem Vorfall in uralter Zeit, so erzählt man, sind sich Hunde und Katzen feind geworden und wollen sich nicht mehr vertragen.

Tatami-Matten: Strohmatten, mit denen in Japan der Fußboden ausgelegt ist.

Quelle: Rotraud Saeki: "Märchen und Sagen von den Miyako Inseln".
OAG Taschenbuch Nr. 76, erschienen 2000 in Tôkyô.
Übersetzt nach gehörtem Erzählen.
© Rotraud Saeki