DIE UNGLEICHEN BRÜDER

Ein ehrlicher Bauer hinterließ zwei Söhne, die einander völlig ungleich waren. Den älteren kannte alle Welt als Geizhals, der durch Heirat ein reicher Müller geworden war, den jungen als eine gute Seele, die sich als Kleinhäusler ärmlich fortbrachte.

Nach der Ernte bat der Arme den Reichen wiederholt, er möge ihn das wenige Getreide seiner Fechsung auf der Mühle mahlen lassen; der Müller schlug jedesmal die Bitte ab mit der Begründung, die Mühle sei nicht leer.

Da riet ein guter Freund dem Kleinhäusler, nur einmal des Nachts zur Mühle zu kommen; da stehe die Mühle fast immer still und er könne sein weniges mahlen.

In der nächsten Nacht hörte der Reiche seine Mühle gehen und beeilte sich nachzuschauen, was da los sei. Aber auf dem Fußsteig vom Wohnhaus zur Mühle sah er vor sich denselben Weg einen Mann gehen, der immer höher emporwuchs und ihn in große Angst versetzte, obgleich der Fremde sich nicht einmal umsah. Der Unbekannte war zuerst an der Mühle und schon so riesenhaft, daß er durch die Dachluke hineinschauen konnte. Angsterfüllt blieb der Müller stehen, und als der Fremde an der Mühle schon über das Dach hinausgewachsen war und beim Lüften des Hutes deutlich zwei Hörner erkennen ließ, da wußte der Müller, daß er es mit dem Teufel zu tun habe, und lief entsetzt dem Wohnhause zu. Von nun an hörte er die Mühle Nacht für Nacht klappern, aber er wagte es nicht mehr hinzugehen und nachzuschauen.

Auch andere Leute, die nachts in die Nähe kamen, sahen die Mühle hell erleuchtet und hörten weithin ihr Klappern; aber niemand wagte sich hinzu, und weit und breit erzählte man sich, der Teufel habe die Mühle in Besitz genommen und es sei auch am Tage nicht geheuer, sie aufzusuchen.

Der Müller büßte seine Kundschaft ein, verließ die Gegend und zog in die Stadt. Das Nichtstun führte ihn einem liederlichen Lebenswandel zu, und ehe er sich's versah, war er ein bettelarmer Mann. Jetzt unternahm er gar oft den Weg zu seinem Bruder Kleinhäusler, der inzwischen zwar nicht reich, aber doch leidlich wohlhabend geworden war, sein gutes Herz behalten hatte und sich glücklich fühlte, seinem verarmten Bruder helfen zu können.

Das Geheimnis der Mühle löste sich bald. In der Gegend lebte ein waghalsiger Holzhauer, dem der Teufelsspuk keine Ruhe ließ. Als der einmal in besonders übermütiger Laune war, ging er um Mitternacht zur Mühle und forderte durch mancherlei Trutzsprüchlein und Spottlieder den Teufel zum Zweikampf heraus.

Der Böse ließ sich lange Zeit, aber endlich trat er doch hervor, kohlschwarz mit drohenden Hörnern und rotem Feuerschein, und wehrte den verwegen losstürmenden Angreifer spielend ab.

Dem tapferen Holzhauer war es aber um nichts anderes als um die Hörner zu tun, und die schlug er dem Teufel durch einen geschickten Axthieb ab, nahm sie unter den Arm und lief davon. Der Teufel verfolgte ihn und hätte ihn auch eingeholt, wenn das Morgenläuten vom nahen Kirchturm ihn nicht gezwungen hätte, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Die Teufelshörner steckte der Holzhauer als weithin sichtbares Siegeszeichen auf den Giebel seines Hauses. Dort sollen sie noch heute zu sehen sein.


Quelle: Die schönsten Märchen aus Österreich, o. A., o. J.,