KÖNIG SAMO

Die neuen Ansiedler im Lande der Bojen, das die Umwohner immer noch mit dem alten Namen Bojenheim nannten, daraus später Böheim geworden ist, blieben nicht ohne Bedrohung und Kämpfe, denn das Land war rings von feindseligen und kriegerischen Nachbarn eingegrenzt. Westwärts saßen die zum Teil verdrängten Bojer und Franken, südwärts Langobarden, ostwärts Awaren und mitternachtwärts Thüringer. Die Awaren bedrängten am meisten und unterjochten am Ende gänzlich das Tschechenvolk.

Endlich erhob sich ein Mann, fränkischen Stammes, den die Sage einen Kaufmann nennt namens Samo; der befreite mit siegreicher Hand Land und Volk von dem Joche der Hunnen, wurde zum König erhoben und herrschte über alles Volk slawischen Stammes, so weit dasselbe außer den Grenzen des heutigen Böhmen verbreitet war.

Zu diesen Zeiten geschah es, daß Dagobert, der König der Franken und Thüringer, sein Regiment auch über die Länder Böhmen, Mähren, Schlesien und die Lausitz erstrecken wollte und vom König Samo Unterwerfung forderte, welche dieser jedoch verweigerte.

Da nun eine Anzahl fränkischer Kaufleute auf einem Handelszuge von den Wenden, über welche Samo auch herrschte, erschlagen wurde, so schickte König Dagobert einen vertrauten Boten an Samo, Bestrafung jener Räuber zu heischen. Dieser Gesandte hieß Sichar, und König Samo wollte ihn nicht vor sich lassen. Doch der Bote überlistete Samo, indem er die Tracht der slawischen Männer anlegte, so vor den König trat und seine Klage anbrachte und auf augenblickliche Bestrafung der angeklagten Männer drang. Unwillig hörte Samo ihn an und sprach: "Ehe wir richten und strafen, müssen wir die Verklagten hören und ihre Verteidigung!"

Diese weisen Worte erbitterten Sichar, und er rief aus: "Du und dein Volk seid Untertanen meines Königs!"

"Mitnichten!" sprach Samo; "nicht Untertanen sind wir, aber Freunde wollen wir ihm sein, so er selbst will, und in Freundlichkeit wollen wir den Zwiespalt schlichten."

Darauf versetzte Sichar: "Unmöglich kann es geschehen, daß wir als Christen, des wahren Gottes Kinder und Knechte, Freunde heidnischer Hunde seien!"

"Wohlan denn", rief nun Samo erzürnt aus, "sind wir Hunde, so sollt Ihr fühlen, wie wir beißen und Euch zerreißen!" und jagte den Boten von dannen.

Bald darauf zog nun König Dagobert heran mit großer Streitmacht und führte ein Heer von Austrasiern, Thüringern, Langobarden und Alemannen gegen Samo. Dieser aber rüstete sich mutvoll, zog dem Feind entgegen bis in das heutige Voigtland und schlug bei Voigtsberg drei Tage lang eine furchtbare Schlacht, aus welcher er als Sieger hervorging. Darauf fiel er in Thüringens Marken ein und verheerte das Nachbarland weit und breit.

Als Samo gestorben war, blieb Volk und Land der Böhmen eine Zeitlang ohne Haupt; jeder Stamm gehorchte seinen Ältesten, den Wladyken. Einer derselben hieß Krok, und der Ruf seiner Weisheit und Gerechtigkeit erscholl durch das ganze Land.


Quelle: Die schönsten Märchen aus Österreich, o. A., o. J.,