DIE KATZENMÜHLE

Es war einmal ein Bauer, dem starb die Frau.

Seine Tochter konnte sich über den Tod der Mutter gar nicht trösten. Sie weinte sich die Augen rot und rief immer wieder nach ihr. Das tat dem Vater in der Seele weh, und als ein Jahr um war, nahm er eine neue Frau. Diese aber hatte selbst zwei Töchter, die mit ihr in das Haus des Bauern einzogen.

Wenn der Bauer nun glaubte, sein Kind wäre jetzt in guter Hut, so täuschte er sich. Die Stiefmutter konnte das Mädchen nicht leiden. Sie liebte nur ihre eigenen Kinder und bereitete ihnen das schönste Leben.
Das arme Mädchen aber mußte den ganzen Haushalt führen und sich von früh bis spät schinden und plagen. Obendrein mußte es seine Stiefschwestern bedienen. Es ertrug aber alles mit Geduld, war folgsam, geschickt und anstellig. Trotzdem erhielt es Schläge und wurde gescholten, wenn es nicht schnell genug war. Und der Vater, der sein Kind liebhatte und gut zu ihm war, konnte ihm nicht beistehen, weil er immer erst spätabends von seiner Arbeit heimkam.

Es war an einem kalten Wintertag, der Sturm heulte ums Haus und wirbelte den Schnee über Berg und Tal, da sagte die Stiefmutter zu der Tochter des Bauern: "Du hast das Herdfeuer ausgehen lassen, nun mußt du in die Katzenmühle hinüber, um Glut zu holen!"

Das Mädchen fürchtete sich sehr vor der verrufenen Mühle, in der es unheimlich zugehen sollte. Aber sie wagte nicht, sich zu widersetzen, sondern nahm zwei irdene Geschirrdeckel und machte sich auf den Weg.

Bei der Mühle angelangt, klopfte sie ängstlich an das Tor. Es wurde ihr aufgetan, aber zornige Katzen pfauchten ihr entgegen. Es waren seltsame Katzen, denn sie hatten Menschenleiber, aber Katzenköpfe.
"Grüß euch", sagte das Mädchen freundlich, obgleich es sich fürchtete.

Da schnurrten die Katzen und fragten: "Raun, raun, was suchst du hier?"

"Seid nicht böse, bei uns im Herd ist das Feuer ausgegangen, und die Stiefmutter hat mich um Glut hergeschickt!"

Nun ließen sie das Mädchen ein und führten es zu einer alten Katze.

"Raun, raun, die da will Feuer haben!"

"Sie bekommt es", brummte die Alte, "aber zuerst muß sie mir den Rücken kratzen und mir die Läuse vom Kopf suchen."

Ihr Kopf aber war riesengroß, und darauf wimmelte es von Schlangen und Mäusen. Das Mädchen trat an sie heran, überwand die Furcht und kratzte und säuberte die Alte. Die freute sich über alle Maßen und sagte: "Raun, raun, weil du so folgsam bist, will ich dir etwas schenken!"

Sie lief davon, holte einen Beutel voll Gold und Silber herbei und befahl ihrem Hausgesinde, Glut zwischen die beiden Deckel zu legen und dem Mädchen den Beutel heimzutragen.

Als die Stieftochter gut nach Hause kam, die Glut mitbrachte und obendrein das Gold und Silber zeigte, packte die Stiefmutter der Neid. Und schon am nächsten Tag schickte sie ihre ältere Tochter zur Katzenalten um Feuer für den Herd.

Die Tochter ging keck zur Mühle und trommelte an das Tor.

"Raun, raun, wer ist denn draußen?" rief das Gesinde.

"Fragt nicht lang, ihr dummen Katzen! Laßt mich ein, ich will Feuer haben!" war die Antwort.

Da öffneten sie, führten das Mädchen zu der Alten und miauten: "Raun, raun, die da will Feuer haben."

"Zuerst muß sie mir den Buckel kratzen und mir die Läuse vom Kopf suchen, sonst bekommt sie das Feuer nicht", murrte die Alte.

"Was glaubst du denn, du alter Katzenschädel, ich soll dir die Läuse suchen?" rief das Mädchen entrüstet. Und als sie genau hinschaute, sah sie die Schlangen und Mäuse auf dem Kopf der Alten. Da schrie das Mädchen noch lauter: "Such dir selbst dein Ungeziefer!"

Nun wurde die alte Katze böse und rief dem Gesinde zu: "Raun, raun, laßt die Mühle gehen!"

Und siehe, auf einmal bewegten sich die schweren Räder, und es erhob sich ein Wirbelwind, der das Mädchen erfaßte und durch den Schornstein davontrug. Es verschwand auf Nimmerwiedersehen.

Als die Ältere nicht mehr heimkehrte, schickte die Mutter ihre zweite Tochter in die Mühle. Auch dieses Mädchen trommelte herrisch an das Tor. Das Gesinde öffnete aber und ließ sie eintreten.

Als sie ihre Schwester nirgends sah, schrie sie: "Ihr bösen Katzen, wo ist meine Schwester?"

In diesem Augenblick begann die Mühle neuerdings zu klappern, und der Wirbelwind, der herausschoß, trug das Mädchen durch den Schornstein hoch in die Lüfte empor, wo es verschwand.

Weil nun keine ihrer Töchter zurückkehrte, machte sich die Frau selbst auf den Weg zur Katzenmühle. Sie polterte an das Tor und begehrte zornig Einlaß. "Ihr verdammten Katzen", schrie sie, "wo sind meine Töchter?"

Da begann wieder die Mühle zu klappern, und der bösen Frau erging es genauso wie ihren beiden Töchtern.

Der Bauer und seine Tochter lebten fortab in Eintracht und Frieden. Eines Tages trug es sich zu, daß ein Graf des Weges fuhr und das schöne Mädchen erblickte. Er hielt gleich den Wagen an, stieg herab, trat vor den Vater und sprach: "Gebt mir Eure Tochter zur Frau und kommt mit mir auf mein Schloß!"

Da verkauften sie das Häuschen, und bald darauf wurde die Hochzeit gefeiert.

Quelle: Österreichische Volksmärchen, gesammelt von Josef Pöttinger, Wien 1957