Kruzimugeli

Es war einmal ein König, der wünschte sich zu verheiraten, aber er hatte beschlossen, keine andere zur Gemahlin zu nehmen, als eine, welche pechschwarzes Haar und ebensolche Augen habe; ob von hoher oder niederer Herkunft, das war ihm gleich. Er ließ daher eine Aufforderung im ganzen Land ergehen, es sollten sich alle Mädchen mit den oben angegebenen Eigenschaften bei ihm einfinden.

Es meldeten sich wohl viele, aber bei einigen erreichte die Schwärze nicht den vom König gewünschten Grad, bei anderen war das Haar falsch, kurz, es war an jeder etwas auszusetzen.

Es kam nun ein Köhler mit seiner Tochter des Weges, und als diese den Menschenandrang vor des Königs Burg bemerkte, fragte sie ihren Vater, was das bedeute. Dieser sagte ihr nun, daß sich der König mit einer vermählen wolle, welche schwarzes Haar und schwarze Augen habe, daß sich aber keine finde, die dies besitze, wie der König es verlange.

Die Köhlerstochter hatte beides. Sie sagte deshalb zu ihrem Vater: "Derf i a hingehn?"

Er aber erwiderte: "Mir scheint, du bist so dumm, daß d' glaubst, der König nimmt di als Frau."

Sie sagte ihm aber, daß sie nur hingehen wolle, um sich im Schloß ein wenig umzusehen. Es wurde ihr erlaubt, und sie ging hin.

Unterwegs begegnete ihr ein kleines Männlein, welches ihr zurief: "No, Dirndl, was gibst ma denn, wannst Kenigin wirst?"

"Jo, mei Monerl, wos kan i denn dir geben, i hob jo nix", war ihre Antwort.

Nun begann das Männlein wieder: "Du wirst Kenigin wem, aber du muaßt nach drei Jahr no wissen, daß i Kruzimugeli haß; wannst dös nit waßt, so bist mei."

"No, wannst nit mehr wüllst, dös wir i ma scho merken", erwiderte das Köhlermädchen und lief dann zur Burg, ohne sich um das Männlein zu kümmern, welches sich vergnügt die Hände rieb und ihr nachschaute.

Als der König das Köhlermädchen erblickte, beschloß er gleich, sie zur Frau zu nehmen, denn ihr Haar glänzte, und ihre Augen funkelten vor Schwärze. Sie heiratete nun den König und lebte recht glücklich mit ihm.

In ihrem Glück hätte sie beinahe nicht bemerkt, daß die drei Jahre schon zu Ende gingen, und - o Schrecken - sie hatte den Namen jenes Männleins vergessen. Von jetzt an war sie immer traurig und weinte den ganzen Tag. Der König, der sie sehr liebte, ließ zu ihrer Erheiterung Feste veranstalten, aber alles war umsonst. Fragte er sie, warum sie so traurig sei, so sagte sie immer, sie könne es ihm nicht sagen.

Eines Tages ging der Burgförster in den Wald, um einiges Wild für die königliche Tafel zu holen. Als er tiefer in den Wald kam, sah er ein Männlein, welches ein Feuer angemacht hatte, mit boshafter Freude darübersprang und immer sang:

"Wia guat is, daß d' jung Kenigin nit waß,
Daß i Kruzimugeli haß."

Der Jäger hörte dies und ging nach Hause. Er begegnete der Königin gerade im Schloßgarten, in welchem sie, in Trauer versunken, spazierenging. Gleich erzählte er ihr von dem Vorfall im Wald, und als sie den Namen Kruzimugeli hörte, war sie fast außer sich vor Freude, denn der nächste Tag war schon der letzte des dritten Jahres, und das Männlein mußte nun kommen, um die Königin nach seinem Namen zu fragen.

Den nächsten Tag kam wirklich das Männlein und fragte die Königin: "No, Frau Kenigin, wissen S' no mein Nom? Sie derfen aber nur dreimal raten, wann Sie's do nit treffen, so g'hern S' mei."

Die Königin antwortete: "No, mir scheint, Steffel haßt."

Als dies das Mandl hörte, sprang es vor Freude in die Luft und schrie aus Leibeskräften: "Nit troffa!"

Die Königin sagte dann: "No, so haßt holt Veitl."

Wieder machte das Männlein einen Sprung und schrie abermals: "Nit troffa!"

Jetzt sagte die Königin ganz gelassen: "No, so haßt holt Kruzimugeli."

Als das Männlein dies hörte, sprang es ohne Antwort zornbrüllend durch die Mauer ins Freie. Alle Bemühungen, das Loch, welches in der Mauer entstanden war, zu verschließen, blieben fruchtlos.

Die Königin aber und ihr Gemahl lebten noch lange froh und glücklich.

Anmerkung:
Winterkölbl und Kruzimugeli. Die Volksdichtungen verschiedener Völker haben sehr verwandte, oft fast gleiche Züge gemein, wie dies eine vergleichende Mythologie nachzuweisen hätte. Wir finden aber auch bei einem Volk gewisse Sagen- und Märchenzüge so vermannigfaltigt, daß wir dies als ein Zeugnis ansehen können für die wunderbare Einheit im Sinnen und Denken dieses Volkes. Als Beispiel wählen wir die vom "dummen Teufel" aufgegebene Gedächtnisprobe, ein Zug, der meines Wissens bei Grimm nicht vorkommt. Häufig ist dabei die schon im Altertum als heilig geltende Siebenzahl. "Winterkölbl" ist aus Deutsch-Ungarn, "Kruzimugeli" aus der Umgegend von Reichenau in Niederösterreich. Varianten sind folgende: Nach einer Erzählung aus Mödling (Niederösterreich) ist es eine Hexe. Sie verschafft der Mirzl (Marie) schöne Kleider für den Hofball unter der Bedingung, daß sie ihr das erste Kind übergebe; wo nicht, so müsse Mirzl nach einem Jahr wissen, wie die Hexe heiße. Einer vom Hof sieht nun im Wald die Hexe, wie sie bei einem Kessel immer die Worte singt: "Heferl siad hoaß, daß die Königin not woaß, daß i Siperdintl hoaß." Das erfährt die junge Königin und rettet so ihr Kind.

In Göpfritz in der Wild (Niederösterreich) wird auch erzählt, daß eines Taglöhners Tochter gern Gräfin geworden wäre. Der Teufel erbietet sich, ihr Beistand zu leisten, unter folgender Bedingung: "Du brauchst dir nur meinen Namen zu merken und mir denselben sagen, wenn ich nach sieben Jahre komme." Der Graf heiratete sie, und zur Erinnerung hatte sie den Namen aufgeschrieben und in ihr Gebetbuch gelegt. Der Zettel ging aber verloren. Als die sieben Jahre beinahe zu Ende waren, erzählte ein Jäger, um die betrübte Gräfin zu erheitern: "Neulich sah ich im Wald einen schwarzen Hund, der hin und her über einen Graben sprang mit den Worten: ‚Das ist fein, das ist fein, daß die Gräfin nicht weiß, daß ich Springhunderl heiß.'" Nun wußte die Gräfin den Namen wieder, und der Teufel konnte ihr nichts anhaben.

In Loschütz wird erzählt: Einst war eine Königstochter vom Teufel besessen. Er versprach sich zu entfernen, wenn in drei Tagen die Tochter oder ein anderer seinen Namen wisse. Vergeblich wurden alle Gelehrten des Reiches gefragt. Da sah ein Schäferbub im Schloßgarten ein grün gekleidetes Männchen von einem Baum auf den anderen hüpfen, ausrufend: "Mich freut nichts mehr, als daß die Königstochter nicht weiß, daß ich Ziliguckerl heiß." Darauf erlöste der Knabe die Prinzessin vom Teufel, der fluchend von dannen fuhr. Ein Mann aus Neulengbach (Niederösterreich) erzählte folgendes: Ein König war krank und elend; seine Gemahlin wandte sich endlich an den Teufel, der ihr in Gestalt eines höckrigen Männleins erschien und dem König zu helfen versprach; wenn sie nach zehn Jahren noch wisse, daß er Felix heiße. Wirklich genas der König, aber die Gemahlin hatte mit der Zeit den Namen vergessen. Kurz vor Ablauf des zehnten Jahres sah ein Bauer, wie im Wald ein höckriges Männlein um ein Feuer sprang, dabei singend: "Nichts freut mich mehr, nichts freut mich mehr, als daß die Königin nicht weiß, daß ich Felixl heiß." Das erzählte er der Königin, die über die Maßen erfreut war und das Bäuerlein reich beschenkte.

In einer Sage aus Gablitz (Niederösterreich) verspricht der Teufel einem Bauernmädchen, es solle Königin werden, wenn es nach sieben Jahren seinen Namen noch wisse, er heiße Kolerberabritscherl.

Bei Zingerle 1, 36, heißt er Purzinigele, in 2, 278, Kugerl, in der Hauschronik 1, 102, Kruzinigele.

Das Wiederkommen nach einem gewissen Zeitraum, insbesondere nach sieben Jahren, könnte vielleicht auf eine mythische Unterlage führen, mit der dann die dichtende Volksphantasie ihr weiteres Spiel getrieben hat.

Bei Kühn, Westfälische Sagen und Mythen, S. 223, will der Teufel in sieben Jahren wiederkommen, um die Arbeiten der Handwerksburschen zu prüfen. Nach Kühn, Norddeutsche Sagen, Nr. 265, kommt der wilde Jäger (Hackelberg) alle sieben Jahre, wenn sein Tag ist, durch das Land; alle sieben Jahre zieht der wilde Jäger über die sieben Bergstädte (Nr. 499). Man vergleiche ferner die Nachweisungen Kuhns in den Westfälischen Sagen l, 126; 2,150. Der Weltjäger, der das Weltall alle sieben Jahre umjagt, hat einen Doppelgänger in dem ewigen Juden (vgl. Kühn, 499, Vernaleken, Alpensagen, 83).

Daß Götter, namentlich Wuotan und Donar, in den Teufel verkehrt wurden, ist eine allbekannte Sache; ebenso daß der Teufel in allerlei Gestalten erscheint, selbst in der Gestalt von Wichten und Zwergen.

Der Weltjäger deutet zwar auf Wuotan, allein die folgende Erzählung aus Tirol (Aineth, Bezirk Lienz im Iseltal) weist deutlich auf Donar hin, der sich in der Naturdichtung des Volkes am engsten mit dem Teufel berührt und dessen Donnerkeil sieben Jahre braucht, um wieder an die Erdoberfläche zu rücken (vgl. Grimm, Mythologie, 165):

Es war einmal ein Bäuerlein, dem ging es sehr schlecht, denn er, sein Weib und ihre sieben Kinder hatten "nix G'salznes, nix G'schmalznes". Einst sagte das Weib: "Du bist Herr im Haus und mußt Brot schaffen, geh doch einmal wieder auf die Jagd." Er machte sich auf, ging über Berg und Tal, über Stock und Stein, fand aber nirgends ein Wild, nicht einmal ein Eichkätzchen. Es war schon im Zunachten, das Gesicht des Mannes wurde immer trüber, denn er dachte: Wenn ich heute nichts nach Hause bringe, so werde ich eine schreckliche Nacht haben. Da begegnete ihm ein Jäger, der hatte ein grünes Jankerl an und zwei krumme Spielhahnfedern auf dem Hut. "Was fehlt dir?" sprach der Jäger, "du scheinst gar traurig zu sein." Der Bauer erzählte ihm alles und setzte hinzu, er wolle alles gern tun, wenn ihm nur geholfen werde. "Weißt du was?" sagte der Fremde, "ich kann dir helfen, wenn du willst. Ich gebe dir heute sieben Wildschweinchen, aber nach sieben Jahren mußt du mir zu sagen wissen, wie ich heiße, sonst gehörst du mir." Der Bauer ahnte wohl, daß dieser Jäger vielleicht der Tunda sein könnte, aber nach sieben Jahren, dachte er, wird man doch erfahren können, wie der Fremde heißt; daher wurde der Vertrag ohne weiteres Bedenken geschlossen. Der Jäger tat einen Pfiff, und gleich waren sieben Wildschweinchen da, die der Bauer nach Hause trieb. Darüber war großer Jubel, und den Leuten ging es von nun an so gut, daß der Bauer seines Versprechens wenig gedachte. Als aber das siebente Jahr halb zu Ende war, überfiel ihn doch einige Furcht. Er begab sich auf die Wanderung, um zu erfahren, wie der Jäger heiße. Überall fragte er; allein nirgends konnte er Auskunft erhalten. Betrübt kehrte er heim. Unweit seiner Wohnung begegnete ihm ein Einsiedler, der ihn fragte, warum er so niedergeschlagen sei. Der Bauer erzählte ihm alles, und der Einsiedler tröstete und versprach zu helfen. Im Weitergehen kamen sie zu einem großen Baum, der vereinzelt knapp am Wege stand. Der Baum war innen hohl, trug aber an seiner Krone noch Zweige und grüne Blätter. Da sagte der Einsiedler: "Schlief du in diesen Baum hinein, und horch, ob du etwas hörst." Als es dunkelte, sahen sie wirklich den Jäger von weitem daherkommen. Der Einsiedler ging ihm entgegen, allein der Tunda wich aus und stieg auf denselben Baum, in welchem der Bauer versteckt war. Oben murmelte er für sich hin: "Guat daß 's Mandl nit woaß, daß i Spitzbartele hoaß." Freudig sprang der Bauer aus seinem Versteck und schrie: "Ha, schau, schau! Glaubst du etwa, ich wisse nicht, wie du heißt? Spitzbartele heißt du, und aus ist's!" Da tat es ein schrecklichen Krach an der Eiche. Der Tunda war weg und hatte einen abscheulichen Gestank zurückgelassen. Alle grünen Zweige an dem Baum waren verschwunden, und ein dürrer "Starve" (vertrockneter Baum) war noch übrig, der bis auf den heutigen Tag zu sehen ist.

Quelle: Theodor Vernaleken, Kinder- und Haus- Märchen aus Österreich, Wien 1863