DIE DREI STÄNDE

Ein Bauer geht einmal in eine Stadt und erwischt auf der Straße einen Advokaten und einen Kaufmann, die auf demselben Weg sind, und gibt ihnen das Geleit. Die drei Mann wandern schon ein paar gute Stund und ein jedweder meint, jetzt und dann werden sie in die Stadt kommen, aber was nichts von sich sehen läßt, ist eben die Stadt, und der Bauer stellt sich umsonst auf die Zehen, um von weitem etwa Türme oder Kamine zu sehen, er kann mit keinem Aug ein Gleichnis gewahren. Es kommt ihnen drum allen dreien bald zu dötterlen, und sie meinen, die Straße habe sich etwa geteilt, und sie hätten es im eifrigen Schwätzen nicht gemerkt, und seien so fehlgegangen. Da ist freilich guter Rat teuer gewesen; der Bauer meint, man solle noch eine Weile weitergehen auf der Straße, der Advokat aber lärmt: "Ich geh keinen Schritt mehr weiter auf dem Teifelsweg", "und ich auch nicht", kiebet der Krämer drein. Der Bauer läßt sich aber nicht abwendig machen und geht allein auf der Straße weiter; die andern zwei kommen, ich weiß nicht wie, auch nicht überein, und der eine geht feldaus, der andere feldein. Nach und nach geht die Sonne hinunter, es dimmert und nachtet bald, und unter der Zeit ist meinem Bauern das Gehen erleidet, zum Glück aber steht neben der Straße ein Käppele, und da sagt er zu sich selbst: "In die Stadt komme ich heute, schätze ich, nicht mehr, so bleib ich grad in dem Kirchlein über Nacht!" Er betet drauf noch sein Abendgebet, nimmt Weihwasser aus dem Kesselein, legt sich den langenweg auf einen Betstuhl und verschläft.

Aber nicht so gut haben es die anderen zwei getroffen. Der Krämer geht nicht lang auf dem Feldweg, so kommt er in ein Gestüd hinein und verwickelt sich darin, daß vom Herauskommen keine Rede mehr ist; er reißt und rupft wohl aus Leibeskräften an den Stauden und Gretzen herum, es hilft ihm aber zu nichts, als zu ein paar Krätz in den Händen und Backen, und zuletzt verleidet es ihm und er nimmt halt schlecht fürlieb mit seinem Nachtlager.

Der Advokat geht auch eine Weile und trolet auf einmal in eine Gülle hinein; er gumpet und hoppt zuerst entsetzlich, es hilft ihm aber nichts, er spritzt sich nur das Güllenwasser ins Gesicht und nimmt desgleichen schlecht fürlieb.

Es taget wieder, und freundlich schaut die Sonne vom Grat ins Tal, da erwacht der Bauer im Käppele, reibt sich den Schlaf aus den Augen, macht sich wieder zuweg und betet das Morgengebet vor sich hin. Er geht nicht lang, so sieht er von weitem die goldenen Kreuze in der Morgensonne glitzern, und es lacht ihm das Herz im Leib, und er schreitet so leicht und gutmann auf der Straße weiter wie ein Gitzi auf einer Halde und erwischt bald seine gestrigen Gespanen, den Advokat und den Krämer. Die sagen ihm surrig: "Guten Morgen", erzählen, wie sie es nächtig ertroffen hätten, und der Krämer wischt dabei mit dem Fazanedle blutige Krätz an Hand und Backen ab, und der Advokat putzt seine Stiefel an den Wegwarten vor ihm hin. Wie die drei so gehen und der Stadt zueilen, so kommt Gottvater als ein graubärtiges Männlein in einem blappeten Hut zu ihnen - keiner hätte können sagen, woher es einermal gekommen sei - und sagt: "Laßt mich auch mit", und geht mit ihnen.

Der Bauer schwätzt mit dem Männlein - der Advokat und der Krämer sind, ich weiß nicht wie, nicht recht geschwatzbar gewesen und erzählt ihm, was ihnen nächtig begegnet sei. Das Männlein loset und loset und sagt drauf, wie der Bauer ausgeschwätzt hat: "Merkt, ihr Wanderer, euer gestriger Zufall hat diese Bedeutung: Der Bauernstand ist zunächst beim Himmel, der Krämerstand zunächst beim Fegfeuer und der Advokatenstand zunächst bei der Hölle." So hat das Männle gesagt, und drauf ist es wieder verschwunden, die drei haben nicht gewußt, wohin.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 216, Seite 162