599. Die zwei Wünsche

In einem stattlichen Bauernhofe war ein junger, braver Knecht angestellt, welcher zu der Tochter seines Dienstgebers eine innige Liebe hegte, die von dem Mädchen auch erwidert wurde. Endlich faßte er sich ein Herz und hielt bei dem reichen Bauer um das geliebte Mädchen an. Dieser aber war durchaus nicht Willens, seine Tochter einem armen Schlucker zur Frau zu geben, wollte aber auch den fleißigen Knecht, der ihm schon jahrelang treu gedient, nicht gerne verlieren und suchte ihn mit allerhand Ausflüchten hinzuhalten. Nach Verlauf eines Jahres, während welchem sich der Knecht noch mehr angestrengt und für zwei gearbeitet hatte, wiederholte der Knecht seine Werbung. Jetzt aber wurde er rundweg abgewiesen und mußte das Haus sofort verlassen.

Traurig wanderte er in den Wald hinein, ohne Ziel, Immer weiter. Wie er so in seinem Herzeleid, in düsteren Gedanken zu Boden blickend, dahinschritt, stand auf einmal ein Zwergmännlein vor ihm. Dieses schaute freundlich zu dem Burschen auf und fragte ihn, warum er denn so traurig sei. Als ihm der junge Bauernknecht die Geschichte seiner unglücklichen Liebe erzählt hatte, und daß er nun auch um seinen Dienst gekommen sei, sagte das Zwergmännlein, es solle ihm die Erfüllung zweier Wünsche gewährt sein. Fürs erste wünschte der Bursche, daß dem eigensinnigen Bauern die Winde zum Mund herauskommen sollten, und zwar bei jedem Wort, das er spreche, einer. Kaum war dieser Wunsch ausgesprochen, hatte der Bauer auch schon die Bescherung. Alle seine Verwandten und Bekannten flohen ihn und wichen ihm von weitem aus, auch das Gesinde machte sich aus dem Staube und suchte sich andere Dienstplätze. Nur seine Tochter blieb bei ihm, betreute ihren Vater und half ihm in der Wirtschaft.

Als der Bursche glaubte, der Bauer sei nun mürbe gemacht, ging er hin und hielt nochmals um seine Tochter an. Nun wurde er nicht mehr abgewiesen und konnte in Bälde die Hochzeit halten. Bei derselben tat der glückliche Bräutigam den zweiten Wunsch: der Bauer solle von seinem Übel befreit werden. Und so geschah es.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 599, S. 325f