Twardowski.
Twardowski war von Vater- und Mutterseite her ein vollwertiger Edelmann.
Er glaubte klüger zu sein als die andern Leute und bemühte sich,
eine Arznei gegen den Tod zu finden: denn er hatte keine Lust zu sterben.
Er las einmal in einem alten Buche, wie man den Teufel raufbeschwören
kann. Um die Mitternachtsstunde verläßt er heimlich die Stadt
Krakau, wo er als Doktor sehr bekannt war, und begibt sich auf die nahen
Berge. Er ruft den Teufel, und der Teufel erscheint. Beide machen, wie
es damals Brauch war, einen Vertrag miteinander. Der Böse lehnt sich
an eine Felswand, legt ein Pergament auf sein Knie und schreibt den Vertrag,
und Twardowski schreibt mit seinem eignen Blute seinen Namen darunter.
Einer von den Punkten des Vertrages besagt, der Teufel habe erst dann
einen Anspruch auf Twardowkis Leib und Seele, wenn er ihn in Rom antreffen
würde.
Nun war der Teufel der Diener des Doktors Twardowski. Und Twardowski befahl
ihm sogleich, alles Silber aus ganz Polen an einem Orte aufzuhäufen
und mit Sand zuzuschütten. Der Teufel gehorchte, und so entstanden
die Silbergruben von Olkusz. (Das ist eine Stadt, die früher durch
ihre Silbergruben berühmt war, jetzt aber ganz in Trümmer gefallen
ist.)
So geschah alles, was Twardowski nur wünschte. Bald ritt er auf einem
gemalten Pferde, bald flog er ohne Flügel umher, bald setzte er sich
rittlings auf einen Hahn und jagte so durch die Luft, bald fuhr er mit
seinem Mädchen in einem Boote ohne Ruder und Segel den Strom hinauf,
bald nahm er ein Brennglas in die Hand und zündete damit hundert
Meilen entfernte Häuser und Dörfer an.
Einmal verliebte er sich in ein schönes Fräulein. Aber das Fräulein
hatte ein Tier in einem Fläschchen und wollte bloß den heiraten,
der den Namen des Tieres erraten konnte. Twardowski verkleidete sich als
Bettler und ging zu dem schönen Fräulein. Sie hielt ihm von
weitem das Fläschchen hin und fragte:
"Wurm oder Schlange? Was für ein Tier?"
"Wer das errät, der vermählt sich mit mir."
Twardowski erwiederte: "Das ist eine Biene, gnädiges Fräulein!"
Und so war es wirklich, und schon am nächsten Tage wurde die Hochzeit
gefeiert.
Frau Twardowski baute sich auf dem Markte zu Krakau ein kleines Häuschen
aus Lehm und verkaufte dort Schüsseln und Töpfe. Ihr Mann fuhr
manchmal als reicher Herr verkleidet an ihrer Bude vorbei, und bei dieser
Gelegenheit mußten seine Diener rasch alle Schüsseln und Töpfe
zerschlagen. Wenn dann die Frau in die ärgste Wut geriet und die
ganze Welt verfluchte, dann beugte sich Twardowski aus dem schönen
Wagen hinaus und lachte aus vollem Halse.
Gold hatte er wie Sand am Meere, denn der Teufel mußte ihm bringen,
soviel er haben wollte. Einmal kam er in einen dunklen Wald. Da stand
plötzlich der Böse vor ihm und verlangte, er solle sich sofort
nach Rom begeben. Aber Twardowski sagte einen kräftigen Spruch und
vertrieb damit den Teufel. Dieser riß voll Wut einen großen
Fichtenbaum aus der Erde, schleuderte ihn auf den Doktor und zerschmetterte
ihm das rechte Bein. Von da an war Twardowski lahm, und die Leute nannten
ihn daher "Hinkebein."
Der Teufel hatte es nun aber satt, ihm täglich und stündlich
zu dienen. Um ihn in seine Gewalt zu kriegen, versuchte er eine List.
Er nahm die Gestalt eines Knechtes an und kam zu Twardowski gelaufen und
bat ihn, daß er, der berühmte Arzt, zu seinem Herrn kommen
und ihm in seiner schweren Krankheit helfen möchte. Der Zauberer
ging mit dem Knechte in das nahe Dorf, wo das Gasthaus den Namen "Zur
Stadt Rom" führte.
Kaum war er in das Gasthaus eingetreten, da flog eine große Schar
von Eulen und Raben auf das Dach und erfüllten die Luft mit unheimlichem
Schreien. Twardowski erkannte die Gefahr: schnell nahm er ein neugetauftes
Kind aus der Wiege und ging mit ihm in der Stube auf und ab.
Plötzlich stürzte der Teufel herein. Er war sehr schön
angezogen: hatte einen dreieckigen Hut auf, einen deutschen Frack, eine
lange, bis über den Bauch reichende Weste, kurze enge Hosen, Schuhe
mit silbernen Schnallen und seidenen Bändern. Aber trotz dieser vornehmen
Kleidung erkannten ihn doch alle, denn unter dem Hute guckten Hörner
hervor, die Schuhe konnten die dicken Klauen nicht ganz verdecken, und
hinten kam ein haariger Schwanz zum Vorschein.
Schon wollte der Teufel den gefangenen Doktor mit fortreißen, als
sich ihm ein großes Hindernis entgegenstellte: das kleine, unschuldige
Kind, auf das der Teufel kein Recht hat. Nach langem Nachdenken trat er
ruhig auf Twardowski zu und sagte: "Was denkst Du, Herr Twardowski?
Kennst Du unsern Vertrag nicht? Ein Edelmann muß doch sein Wort
halten!"
Twardowski begriff recht wohl, daß er sein adeliges Wort nicht brechen
durfte. Er legte also das Kind in die Wiege und fuhr sogleich mit seinem
Gefährten durch den Schornstein hinaus. Die Eulen und Raben erhoben
ein lautes Freudengeschrei. Indes fliegen die beiden immer höher.
Die Dörfer unten sehen aus wie kleine Mücken, die Städte
wie Fliegen, Krakau nicht größer als zwei Spinnen.
Noch immer höher hinauf geht die Reise, - da endlich nimmt Twardowski
die letzte Kraft zusammen, und er fängt an ein frommes Lied zu singen.
Es war dies eines von den Liedern, die er in seiner Jugend, als er noch
keine Zauberkünste kannte und seine Seele rein und unschuldig war,
der Mutter Gottes zu Ehren gedichtet und täglich gesungen hatte.
Seine Stimme zerfließt in der Luft. Die Berghirten, die unter ihm
die Herden hüten, blicken verwundert hinauf in die Wolken und zerbrechen
sich den Kopf, woher denn die heiligen Töne kommen.
Twardowski singt das Lied zu Ende: da sieht er mit Staunen, daß
er sich nicht mehr fortbewegt, sondern mitten in der Luft wie angenagelt
stehen geblieben ist. Eine laute Stimme von oben ruft ihm zu:
"So wirst Du zwischen Himmel und Erde hängen bleiben bis zum
jüngsten Tage!"
Und so hängt er wirklich noch bis auf den heutigen Tag. Das Wort
im Munde ist ihm erstorben, niemand hört mehr seine Stimme. Aber
vor wenigen Jahren noch zeigten die alten Leute, wenn der Vollmond schien,
ein dunkles Fleckchen am Himmel, und sie schwuren, das sei der Zauberer
Twardowski.
Quelle: Kasimir Wladislaw Woycicki, Polnische Volkssagen und Märchen. Friedrich Heinrich Lewestam, Berlin, 1839