DER DUMME KNECHT

Ein Mann hatte zwei Söhne, und der Älteste von ihnen wollte in den Dienst gehen. Der Vater wehrte ihm nicht und liess ihn ziehen. Bald darauf kam er zu einem reichen Herrn, der viele Ziegen hatte, und wurde dessen Knecht. Am frühen Morgen trieb er die Ziegen aus, hütete sie wohl und brachte sie am Abend wieder nach Hause. Einst sagte der Herr zu ihm: "Warum kommen denn dia Ziegen nicht hüpfend und lachend daher?" Der Knecht erwiderte: "Das weiss ich nicht, aber ich will dafür sorgen, dass sie kommen, wie du verlangt hast." Als er am darauffolgenden Morgen mit den Ziegen auf der Weide anlangte, schlug er einer jeden einen Fuss entzwei und schnitt ihnen die Oberlippe weg. Am Abend kamen die Ziegen hinkend und mit offenen Mäulern heim. "Warum hast du das getan ?" fragte der Herr. "Nun", damit du die Ziegen hüpfend und lachend sähest," antwortete der Dumme. Da schickte ihn der Herr nicht mehr mit den Ziegen aus, sondern gab ihm mit den ändern Knechten zu Hause Arbeit. Eines Tages gingen alle ins Feld, nur der Dumme nicht. Ihm befahl der Herr, das zu tun, was der Nachbar tun werde. Der Nachbar aber deckte eben sein Strohdach ab. Da paukte der Dumme an, deckte seines Herrn Haus vom First bis zur Traufe ab, und warf die Ziegeln zu Boden, dass sie in Scherben gingen. Und als der Nachbar seine Hütte hob, um Steine unter einen schadhaften Eckpfeiler zu schieben, machte sich der Dumme daran, dasselbe zu tun. Aber der Herr kam eben noch zur rechten Zeit dazu, und jagte ihn aus dem Dienst.


Quelle: Rumänische Märchen und Sagen aus Siebenbürgen, gesammelt und ins Deutsche übertragen von Franz Obert, Hermannstadt 1925, Nr. 4, Seite 11