Bei den Blaßgesichtern

Mäswäpigä hatte einst einen merkwürdigen Traum, in dem ihm unzählige Männer mit schneeweißer Haut und runden Hüten erschienen, die mit ausgestreckten Armen und freundlichem Lächeln auf ihn zukamen. Als er diesen Traum seinen Freunden erzählte, teilten diese ihm mit, daß jene blassen Geister im Osten wohnten und daß er hingehen und ihnen einen Besuch abstatten solle.

Mäswäpigä war's zufrieden und traf die nötigen Vorbereitungen zur Abreise; seine Frau ging ebenfalls mit. Als beide mehrere Tage in der angegebenen Richtung marschiert waren, kamen sie an einen großen Fluß, in dem ein dicker Baumstamm lag, auf den sie sich setzten und dem Aufgang der Sonne entgegenruderten. Die Leute, die an den Ufern wohnten, redeten eine ihnen unverständliche Sprache.

Der Strom wurde immer breiter und breiter, die daran wohnenden Menschen immer weißer und weißer und deren Wohnungen immer schöner und fester. Um diese Wohnungen besser in Augenschein zu nehmen, ging Mäswäpigä mit seiner Frau an Land und sah, daß diese aus großen Balken zusammengesetzt waren, die aber mit ganz anderen Instrumenten bearbeitet sein mußten, als er bis jetzt bei den Rothäuten gesehen hatte. Die weißen Bewohner kamen heraus, empfingen ihn mit einem herzlichen Händedruck und gaben ihm allerlei wertvolle Geschenke, mit denen er dann wieder zurückreiste.

Zu Hause angekommen, berief er eine große Versammlung ein und zeigte die schönen Äxte, die Messer, die Perlen und die feinen roten Tücher, die ihm die Blaßgesichter geschenkt hatten. Diese Sachen gefielen den anderen Rothäuten sichtlich, und gleich beluden sich einige mit den feinsten Pelzen und gingen ebenfalls in jene Gegend, wo sie viele scharfe Messer und einige Donnerbüchsen dafür eintauschten, welch letztere sie zum Schrecken aller benachbarten Stämme machten.

Quelle: Karl Knortz, Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas, Jena 1871, Nr 72