Das böse Gewissen

Ein Algonkin ging einst im Zwielicht am Begräbnisplatz seiner Großeltern vorbei und meinte zwei davon herumgehen zu sehen. Da es nun Sitte ist, nie die Toten zu passieren, ohne ihnen Speise und Trank anzubieten, damit einen die bösen Geister nicht gelegentlich ins Feuer stoßen, so lief er so schnell fort, wie er nur konnte, denn er hatte einen dickbauchigen Krug famosen Whiskeys bei sich, den er gern allein austrinken wollte.

Doch so geschwind er auch lief - ein weißes Gespenst kam ihm doch nach. Ja es war ihm bereits so nahe, daß er um seinen Skalp besorgt war, sich gefaßt umdrehte und mutig zugriff, um ihn so teuer wie nur möglich zu verkaufen. Aber als er so recht fest zupackte, spürte er, daß er kein Gespenst, sondern einen großen Dornbusch in den Armen hielt, dessen Stacheln sich tief in sein Fleisch drückten. Der Geist seines Verwandten hatte sich schnell in einen Dornbusch verwandelt.

Quelle: Karl Knortz, Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas, Jena 1871, Nr 64