DER ZAUBERSTEIN

Fee

Es war einmal eine Elfe. Sie war sehr klein, nicht größer als ein Spatz und so zart, dass sie mit durchsichtigen Flügeln wie eine Libelle fliegen konnte. Sie schimmerte in zarten Blautönen wie durchsichtiges Kristallglas und wohnte in einem Haus, einer richtigen kleinen Traumvilla hoch auf einer Wolke.

Die Elfe liebte es vor ihrer kristallenen Villa zu schweben und zu träumen oder sie saß vor ihrem Kamin und blickte träumend in das Sternenfeuer, das im Kamin flackerte. Am Kamin hing ein Stein, der funkelte wie ein Diamant und dieser Stein warf Lichtreflexe an die Kristallwände der Traumvilla und erleuchtete das Zimmer mit allen Farben des Regenbogens.

Von der Wolke, auf der das Haus der Elfe schwebte, führte eine Himmelsleiter zur Erde, aber die Elfe hatte vergessen, dass es noch etwas anderes als ihr geliebtes Wolkenkuckucksheim gab. Auch die Menschen fanden nicht mehr den Weg zur Elfe, denn niemand konnte diese Himmelsleiter finden, der nicht an Wunder glaubte.

Eines Tages aber kam ein Prinz an die Himmelstreppe. Er hatte seine Heimat verlassen, weil eine unendliche Sehnsucht ihn erfasst hatte. Er wusste nicht, wonach er sich sehnte, aber als seine Eltern ihn mit einer fremden Prinzessin verheiraten wollten, war er eines Nachts weggegangen. Er hatte das Wünschen noch nicht vergessen und er glaubte ganz fest an Wunder, denn eine gute Fee hatte ihm schon oft beigestanden, wenn er ruhelos durch das Schloss und durch seine Heimat gewandert war.

Als der Prinz an die Stelle kam, wo die Himmelsleiter die Erde berührte, beschloss er sofort, die Leiter zu erklimmen und herauszufinden, wohin sie führte. Also erstieg er die Sprossen, die irgendwo hoch in den Wolken verschwanden. Er kletterte und kletterte, aber der Weg schien unendlich weit zu sein und bald wurde der Prinz müde. Da beschloss er, sich mit seinem Gürtel an den Sprossen festzubinden und so die Nacht zu verbringen. Als der Prinz eingeschlafen war, träumte er von einem märchenhaften Wesen, einem Mädchen, das er noch nie erblickt hatte. Aber ein böser Drache erschien und zerstörte das Traumbild. Als der Prinz am Morgen erwachte, konnte er sich noch immer an das geheimnisvolle Mädchen erinnern und er erkannte, dass seine ganze Sehnsucht diesem Mädchen galt.

PrinzDa kletterte der Prinz mit neuer Kraft die Himmelsleiter hinauf, aber wieder konnte er nicht an das Ende gelangen. Er musste noch eine Nacht auf den Sprossen ausharren. Wieder träumte der Prinz von dem geheimnisvollen Mädchen und er erkannte, dass der Drache es auf eine Insel entführt hatte und dort gefangen hielt. Am Morgen setzte der Prinz seinen Weg in den Himmel fort, und erreichte endlich, als schon die Sonne unterging, die Wolke. Erschöpft ließ er sich auf die Wolke sinken und schlief ein. Und wieder erschien ihm das wunderschöne Mädchen im Traum. Diesmal sah er sich selbst. In der Hand hielt er einen seltsam glänzenden Kristall, vor dem der Drache entsetzt floh.

Als der Prinz an diesem dritten Morgen erwachte, entdeckte er vor sich, mitten auf der Wolke, die Zaubervilla der Elfe. Neugierig trat er ein und fand das Elfchen vor dem Kamin, wo es seinen Kristall betrachtete. Zaghaft kam der Prinz näher und grüßte das winzige Zauberwesen. Überrascht blickte die Elfe auf und langsam erinnerten sie sich daran, dass sie vor langer Zeit gerne mit Menschen auf den taunassen Wiesen auf der Erde gespielt hatte. Was wollte sie da nicht alles wissen und ihr Fragen nahm kein Ende. Der Prinz erkundigte sich verwundert, warum sie denn die Erde nie mehr besucht habe, aber darauf wusste die Elfe keine Antwort. Da entdeckte der Prinz den wunderbaren Kristall und bat die Elfe um Hilfe. Der geliebte SteinSchweren Herzens gab sie ihm den geliebten Stein, den der Prinz im Kampf gegen den Drachen einsetzen wollte. Aber im selben Augenblick, als er den Stein von der Schnur am Kamin löste und aus dem Haus trug, ertönte ein gewaltiges Donnergrollen und die Villa verschwand und verwehte im Wind und der Prinz stand mit dem Elfchen auf der taunassen Wiese, wo der Prinz die Himmelsleiter entdeckt hatte. Die Himmelsleiter aber war verschwunden.

Da machten sich der Prinz und die Elfe auf den Weg zum Meer, um zu der fernen Insel zu segeln, den zauberhaften Stein aber trug der Prinz gut versteckt in seinem Hemd. Bald erreichten sie das Meeresufer und baten einen Fischer um sein Boot. Der gab es ihnen, denn seit sich ein böser Drache auf der Insel angesiedelt hatte, konnte keiner mehr hinaus fahren, weil der Drache alle auffraß, die der Insel zu nahe kamen.

Der Prinz und die Elfe bestiegen das Boot und die Elfe besang mit ihrem zauberhaften Stimmchen den Wind, der das Boot schnell zur Insel lenkte. Sie landeten unentdeckt am steinigen Ufer und gingen den Strand hinauf. Bald entdeckten sie eine riesige Höhle, aus der das Schnauben des Drachen drang. Da wälzte sich auch schon das Untier heraus und wollte sich auf den Prinzen stürzen. Furchtlos hob der den Kristall ins helle Sonnenlicht und tausend Blitze fingen sich in seinen Facetten und trafen den Drachen. Im selben Augenblick wich der Drache zurück, begann zu schrumpfen und sich aufzulösen. Ganz langsam verwandelte er sich in ein gläsernes, durchsichtiges, zartes Wesen und die Flügel wurden so fein wie die Flügel einer Libelle. Die kahle Insel ringsum verwandelte sich in ein Blütenmeer und mitten in einem blühenden Garten entdeckte der Prinz das Mädchen, von dem er geträumt hatte. Er eilte zu ihm, sank auf seine Knie und umarmte es. Als sich das Menschenpaar umblickte, entdeckte es verwundert einen Elfenkönig, der gerade die kleine Elfe in seine Arme schloss.

Er erzählte, dass er von einem bösen Zauberer in den furchtbaren Drachen verwandelt worden war, weil seine geliebte Elfe sich geweigert hatte, den bösen Zauberer zu heiraten. Die kleine Elfe war von ihm ins Wolkenheim verbannt worden und da er ihre Liebe nicht erzwingen konnte, hatte er ihr die Erinnerung geraubt. Nur ihre Selbstlosigkeit, mit der sie dem Prinzen geholfen hatte, der Glaube des Menschenprinzen an ein Wunder und der Mut beider hatte den Bann brechen können.

Palast

So blieb die Elfe im Elfenland bei ihrem Elfenkönig, der Prinz aber kehrte mit seiner Gemahlin zurück nach Hause. Den Kristall ließ er als Erinnerung an die Macht der Selbstlosigkeit, des Glaubens an Wunder und des Mutes in seine Krone einsetzen, wo er für alle Zeiten strahlen sollte.

Glückliches Paar

Hedwig Weber Oktober 2000

Quelle: E-Mail-Zusendung von Hedi Weber 19. Dezember 2001, die dieses Märchen nach Anregungen und Wünschen ihrer Schüler verfasst hat.