Die Rabenlei

In germanischer Zeit galt die Rabenlei - ein steil aufragender Felsen im hinteren Grund nahe Wasenbach - als eine heilige Stätte des Gottes Odin. Viele Raben hatten hier ihre Nester. Die Menschen achteten die Brutstätten der Vögel und störten sie nicht. Auch der Gott Odin besaß zwei Raben, Hugin und Munin, die auf seinen Schultern saßen und ihm viele weise Gedanken zuwisperten. Die Raben waren die Symbole für Gedanken (Hugin) und Erinnerung (Munin). Doch schon um die Zeitenwende wendeten sich die Menschen im Taunus von ihren alten Göttern ab. Die Römer kamen, besetzten den Taunus und verkündeten die Botschaft von neuen Göttern, die fortan angebetet wurden. So geriet auch die Achtung vor den Rabenestern im hinteren Grund in Vergessenheit. Böse Buben zerstörten die Gelege der schwarzen Vögel. Odin jedoch rächte sich schrecklich. Die Knaben versuchten, nach vollendetem Frevel den Felsen hinunter zu klettern. Da löste Odin einen Steinschlag aus, der alle in Tiefe riss. Mit zerschmetterten Gliedern fanden die verzweifelten Eltern am nächsten Tag ihre toten Kinder am Fuße des Felsens liegen. Erst jetzt erinnerten sich die Bewohner Wasenbachs, dass die Rabenlei vormals ein heiliger Felsen gewesen war. Seit dieser Zeit können die Raben dort wieder ungestört brüten.

Quelle: Die Sagen aus der Wasenbacher Gegend (Rheinland-Pfalz), Reinhard Güll, E-Mail-Zusendung vom 21. Februar 2005