Träume vergehen nicht so schnell wie
die Zeit
Die Verwandlung - ein Märchen aus Brasilien
Es lebte einmal ein Junge mit seinen Eltern auf einer schönen Burg.
Sie wohnten in einem grossen Schloss. Er war anscheinend glücklich.
Er hiess Josef. Seine Spielzeuge lagen in den Gärten herum. Seine
Weltanschaung war aber mir fremd. Der Junge sprach viel und war munter.
Er hatte viele schöne Spielzeuge. In der Nacht sang er für die
ganze Familie und spielte Klavier. Nicht nur während er sang, wurde
er bewundert. Alle beneideten ihn sehr. Wir waren miteinander befreundet.
Der Knabe war ein kleiner Prinz, wie ich ihn nannte. Ich hiess nämlich
Ferdinand. Sein Vater, der Schlossherr, war ein berühmter Arzt in
der kleinen Stadt. Da der Vater aber leider ein sehr beschäftigter
Mann war, ging der Sohn meistens alleine durch den Wald spazieren. Seine
Mutter hatte leider auch kaum Zeit für ihn. Auf dem Weg zum Wald
traf er die schönsten Tierchen aus aller Welt, um sich mit ihnen
zu unterhalten. Die Tiere waren ausser mir seine besten Freunde. Der Junge
las schöne Bücher über Religion, Politik und Reisen. Er
war sehr klug. Er war ganz der Vater. Er freute sich sehr mit seinen Büchern
voller Bildern. Die Bücher machten ihm Vergnügen. Obwohl viele
Bücher von kirchlichen Dingen oder Kreuzügen berichteten, befürwortete
seine Familie diese Lektüre. Er verstand nicht, warum Völker
sich miteinander über Religion stritten. Er konnte nicht verstehen,
warum der Meister Eckhart für viele eine unangehme Person war, da
er nur von Gott sprach, während ihre Eltern über das eigene
Glück klagten.
Er tat nun alles dafür, dass wir uns miteinander häufiger trafen.
Die Bauerndörfer erschienen ihm viel freundlicher, als die Burgen
der Reichen, die in schönen Schlössern lebten. Sein Vater, der
immer verreist war, hatte ohnehin keine Zeit für ihn. So zogen die
Tage vorüber. Er fragte mich verblüfft, warum die katholische
Kirche Meister Eckhart für ein Heredi hielt? Ihm gab ich keine Antwort.
Trotzdem blickt er auf mich nicht arrogant herab. Er wusste, dass ich
nichts davon verstand, weil ich nicht einmal Geld hatte, um mich ausreichend
anzuziehen.
Ich hörte ihn einfach so, als ob ich alles verstand. 'Ob die Priester
bei sich dachten, dass Meister Eckhart einen Bund mit dem Teufel geschlossen
hat?' fragte er mich. Er fing an, sich selbst schwierige Fragen zu stellen.
Er hat enorme Lust verspürt, genau wie sein Vater zu sein. Draussen
war aber ihm alles fremd, weil er nur Parzival und die Helden las. Draussen
war alles so durcheinander. Er fing an, sich um Dinge zu kümmern,
die einem eigentlich aus seiner Klasse gar nichts angingen. Seine Familie
empfing höfische Dichter sowie Sänger im Schloss.
Er stellte mir schwierige Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Ich
sagte ihm: "Hör mir zu. Du hast Augen, um zu sehen, wie die
Welt schön ist! Hör mal zu, Du hast Ohren, um den Gesang der
Vögel zu hören. Alles steht noch vor Dir. Das Leben steht vor
Dir. Leb dein Leben ohne Sorgen. Die Erde ist sicherlich schön. Was
nützt es uns, zu wissen, wer Thor oder Odin war? Was nützt es
mir, Dir über die Legende vom Hünerwunde und das Leben von dem
Heiligen Jakob zu erzählen? Was nützt es uns, reich zu sein,
wenn wir innerlich unglücklich sind? Sei lässig und entspannt.
Sei nicht traurig. Deine Augen sind so traurig! Versuche, glücklicher
zu leben. Was nützt uns, in einem schönen Schloss zu leben,
wenn wir immer traurig sind? Die Hoffnung darfst Du nie verlieren! Lies
weiter deine Buecher, aber Du sollst die Welt und die Menschen besser
kennen lernen. Lege deine Bücher nicht weg, aber sei offen für
die Welt!"
Dennoch gingen ihm Gedanken über Macht, Geld und Armut durch den
Kopf. Er verstand nicht, warum ich so arm war. Er verlor nach und nach
den Bezug zu der harten Realität, je mehr er mir die Sagen und Märchen
erzählte. Beim Spazierengehen sah er die arme Leute, die herum hingen.
Einige fanden keine Arbeit. Andere mußten auf der Strasse hart handwerken,
andere verhungerten. Sie tranken viel Bier. Sie spielten viel mit den
Kindern. Für ihn sollte es mehr Freude in der Welt geben...
In der Umgebung war nichts als Armut ausserhalb seines Schlosses zu sehen!
Er dachte an die reichen Familienfeste, die seine Familie gab, während
ich selten eine Scheibe Brot am Tag bekam. Ich sagte ihm weiter, dass
es nicht schwer ist, ein glückliches Leben zu führen. Es ist
schön, zu leben. Es ist ein wahres Glück, dass wir leben! Zum
Glück, sagte ich ihm, hatte er eine schöne Familie. Zu deinem
Glück kennst du nur die Armut aus Büchern. Ich behauptete, dass
das Glück nichts mit Geld zu tun hatte. Für mich hatte das Glück
eine andere Bedeutung. Ich nahm ihn bei der Hand und diskutierte weiter
über das Glück. Mir genügte es, wenn ich bei guten Freunden
war. Für mich selbst darf man nie das Glück verscherzen. Ich
erklärte ihm, dass es für mich ein Glück war, dass er mir
ab und zu Gesellschaft leistete, obwohl ich sehr arm war. Obwohl seine
Eltern unsere Freundschaft nicht mit guten Augen sahen, war es dem reichen
Burschen gleichgültig. Mir reichte es, wenn er mein Freund bleiben
wollte. Mir fehlt nichts, obwohl ich ein armer Junge bin. Meine Eltern
haben ein Haus aus Holz erbaut, aber trotzdem leben wir glücklich
miteinander. Zu Haus waren alle froh. Wir glauben an Gott. Wir dachten
jeden Tag an Gott und daraufhin kam er zu uns, um uns Glück zu bringen
oder besser gesagt, um uns zu helfen.
Die Zeit verging und Jahre später hatte er mich eingeladen, ihn zu besuchen. Er wünschte sich, mich im Schloss als Gärtner einzustellen. Unsere Bindung zueinander ist enger geworden. Mit der Zeit ist unsere Freundschaft stärker geworden. Ich war sein enger Freund. Wenn es innerhalb des Schlosses zum Spielen zu heiss war, spielten wir auf den Strassen.
Dann hatte er sich doch wie jedermann verheiratet. Josef hat eine Familie
gegründet. Ich verspürte, dass er ein glückliches und bewusstes
Leben führte. Er spielte viel mit seinen Kindern. Unsere Kinder haben
sich miteinander befreundet. Ich erinnere mich gut daran, dass er am Wochenende
die Türe seines Schlosses öffnete, um die ärmsten Leute
zu empfangen.
Für ihn hatte Reichtum, Macht, Geld, schöne Pferde keine besondere
Bedeutung mehr. Ihm war die Liebe am wichtigsten, der Respekt vor den
Mitmenschen, das Glück und die Demut hatten eine besondere Bedeutung.
Er hat mit der Zeit gelernt, dass er mit reichen und armen Leute gleichsam
zu geniessen mag. Ihm war die Welt und die Menschen nicht mehr lästig.
Er verspürte enorme Lust, den Ärmsten der Umgebung zu helfen.
Rund um das Schloss gab es keine bewaffnete Bewacher. Die Tür seines
Schlosses stand für die Kranken und Greise geöffnet. Beide könnten
sich nicht vorstellen, wie die ärmsten und die reichsten Menschen
in zwei verschiedenen Welten nebeneinander leben könnten. Die Träume
vergehen nicht so schnell wie die Zeit. Das Wunder ist geschehen. Die
Wunder, die Dinge vorkommen, wenn man daran glaubt. Die Stadt hat sich
merkwürdig verändert. Im Schloss fanden jetzt alle guten Wein
und gebratenes auf dem Tisch. Alle fühlten sich von nun an im Herzen
wohl. Ein Wunder kommt seltsamerweise vor. Es war eine andere Zeit und
eine Gelegenheit, die vergangenen Jahre zu bewerten. Der Schlüssel
zum zufriedenen Leben ist noch durch die Jahre nicht verlorengegangen.
Glück, Liebe, Zärtlichkeit und Verständnis darf nirgends
fehlen. So verbrachten wir gemeinsam unvergessliche Zeiten in Gesellschaft.
Nun hat er wieder seinen Ehrgeiz, seinen Glauben und seine Liebe erobert.
Quelle: E-Mail-Zusendung
von Carlos
Bechtinger aus São Paulo, Brasilien, 4. Jänner 2003.
Carlos Bechtinger ist Enkel eines nach
Brasilien ausgewanderten Österreichers und würde sich sehr über
Hinweise zu seiner Familie in Österreich freuen!
Leider konnten bis jetzt keine Verwandten gefunden werden, Hinweise sind
an seine Email-Adresse höchst erbeten!
Über Such-Erfolg wird an dieser Stelle gerne berichtet - bitte um
Nachricht!