Von zwei kleinen Prinzen und ihrem Lehrer


(Karl Farr, 2006)

Zwei kleine Prinzen saßen auf einer Wiese und sprachen miteinander. „Die Mutter hat einen heimlichen Geliebten", begann der eine, mit einem blonden Haarschopf und einer silbernen Jacke. „Wie kommst Du darauf?", meinte der andere, dunkelhaarig und blass im Gesicht.

„Ich sah sie vor Kurzem im Garten herumlaufen, da war sie in Begleitung eines jungen Ritters". „Es wird wohl ein Bote des Vaters gewesen sein", erwiderte der Dunkelhaarige. „Ich bin mir sicher, sie hat was mit ihm". „Larifari", sagte der Dunkle und blinzelte dabei in die Sonne, die durch das Laub des Baumes schien, unter dem sie saßen.

„Nachher gingen sie in Mutters Kemenate. Ich stand unten und sah sie am Fenster". Der Dunkelhaarige schwieg. „Und?", fragte er dann. „Sie hielten sich bei den Händen und dann musste ich meinen Beobachtungsposten verlassen, weil die Amme mich rief.

„Das ist allerdings mehr als verdächtig. Wir werden es dem Obersten Richter melden, soll er sich darum kümmern". Mit diesen Worten nahm der Dunkle den Bruder bei der Hand und sie begaben sich zu dem Manne.

Der Blonde berichtete ihm von den Beobachtungen des Bruders. Der Richter hörte geduldig zu und meinte dann: „Kümmert Euch nicht weiter darum, spielt Eure Spiele und lernt fleißig.

Ich werde es in die Hand nehmen". Damit entfernten sich die Jungen und liefen zu ihrem Lehrer, um an dessen Unterweisung teilzunehmen.

Der Richter jedoch setzte sich auf seinen großen, hohen Stuhl und überlegte. Wie sollte er weiter vorgehen. Sollte er warten, bis der König wieder da war, oder in seiner Abwesenheit handeln und die Königin befragen. Er entschied sich für die letzte Möglichkeit.

So begab er sich zu ihr und erzählte ihr von den Beobachtungen des Jungen. Die Königin wurde zuerst rot und dann ganz fahl im Gesicht. So vor den Tatsachen gestellt, gestand sie dem Richter den Seitensprung.

„Es soll einmalig gewesen sein, Euer Lordschaft, es soll nicht wieder vorkommen, aber sagen Sie es nicht meinem Mann. Aber die Buben, was ist mit Ihnen. Werden sie es nicht ihrem Vater berichten?" „Da wird sich der Lehrer drum kümmern, er wird die Beiden mit Aufgaben beschäftigen, so dass sie gar nicht dazu kommen, es dem Vater zu erzählen".

Damit war die Königin einverstanden. Der Richter trug dem Lehrer auf, den Jungen ordentlich Aufgaben zu geben. Als der nach dem Grund fragte, antwortete der Richter: „Die Jungen sind strohdumm und erzählen unsinniges Zeug. Sie müssen ordentlich rangenommen werden". Das sah auch der Lehrer ein und beschäftigte sie mit Rechenaufgaben, so dass ihnen der Kopf rauchte.

Als der König nach langer Zeit heimkehrte, fand er alles so vor, wie er es verlassen hatte. Das Schloss, den Garten und seine Gattin. Als er nach den Buben fragte, sagte sie, dass sie bei ihrem Lehrer waren. So wollte er sie sehen und bestand sogar darauf, als die Königin Einwände machte.

Schließlich führte sie ihn zu den Kindern und er sah, dass sie fleißig Mathematikaufgaben runter leierten. „Mein Söhne verblöden ja bald" rief er, als er das Dilemma sah. Sofort kommandierte er sie zum Spielen ab und sie sprangen in den Schlossgarten, wo sie mit dem Ball herum tollten. Die Königin aber lachte in sich hinein.

Eines Tages jedoch tauchte der junge Ritter auf, mit dem die Königin fremd gegangen war. Er wusste von alledem nichts. Als er in ihre Nähe kam, errötete sie leicht. Dem König, der dabeistand, entging dies nicht.

Als der Ritter gegangen war, fragte der König: „Ist da etwas zwischen Dir und Ritter Blackwood?" Die Königin antwortete: „Nein, wieso fragst Du?" „Als er in Deine Nähe kam, nahm ich wahr, dass Röte Dein Antlitz bedeckte". „Wahrscheinlich brachte ich ihn durch mein Aussehen in Verlegenheit. Ich bin ja schließlich nicht die Hässlichste!"

„Wenn er nächstes Mal kommt, werde ich ihn darauf ansprechen", meinte der König. „Ach, mach das nicht. Du bringst ihn nur in Verlegenheit", antwortete die Königin. „Wir werden sehen", sagte der König.

Die Königin eilte in ihrer Not zum Richter und berichtete ihm. ,,Da ist guter Rat teuer", antwortete der, „ich kenne Ritter Blackwood. Er ist zwar tapfer im Kampf, aber wenn man ihn mit dem schwachen Geschlecht in Verbindung bringt, wird er unsicher und könnte plaudern".

„Dann müssen wir ihn beseitigen", meinte die Königin, „vielleicht in die Verbannung schicken oder sonst was". „Was meinst Du mit sonst was", fragte der Richter.

„Töten oder in den Kampf schicken", antwortete die Königin.„Da wäre mir das letzte lieber", antwortete der Richter und erhob sich von seinem hohen Stuhl. Ich mache mir nur ungern die Hände mit dem Blut eines jungen Ritters schmutzig. Da ist Unruhe von Aufständischen an der Küste. Vielleicht kann ich den König überreden, den Ritter dorthin zu schicken. Komme in drei Tagen zu mir, dann kann ich Dir Neues berichten". Die Königin verneigte sich vor dem Richter und eilte davon.

Nach drei Tagen kam sie wieder zu ihm und der Richter begann: „Der König hat es abgelehnt. Er möchte zuerst die Frage, ob zwischen Ritter Blackwood und Dir etwas gewesen ist, geklärt wissen"

Da fing die Königin bitterlich zu weinen an, so dass dem Richter ganz weich ums Herz wurde. Schließlich sagte er: „Vielleicht lässt sich das Problem anders lösen. Am Sonntag findet das große Turnier statt und ich werde den König bitten, den Ritter von seinen Aufgaben zu befreien und an dem Turnier teilnehmen zu lassen".

Da wischte sich die Königin ihre Tränen ab und drückte dem Richter abermals die Hand. Der erhob sich und er brachte sie hinaus.

Der Sonntag nahte und Ritter Blackwood bereitete sich innerlich auf das Turnier vor. Er war zuerst verwundert, als der König ihn dazu abkommandierte, denn er hütete dessen Landsitz.

Dann aber war er froh, dass er mitmachen durfte. Denn ihm fehlte der Kampfund die Herausforderung.

Andererseits vermisste er das behagliche, ruhige Leben in dem königlichem Haus. Aber er widmete sich nun voll den stattfindendem Turnier. Er übte mit seinem Knappen John, der ihm Schild und Lanze reichte.

Am Sonntagmorgen putzte John die Rüstung und den Schild und brachte sie auf Hochglanz.

Alles blinkte und glänzte und der Knappe war mächtig stolz auf sein Werk. So ausgerastet und mit dem weißen Schimmel, mit dem der Ritter zum Kampf ritt, wurde das Turnier durch die Königin eröffnet. Diesmal veränderte sich ihre Gesichtsfarbe nicht, auch nicht als der König zu ihr blickte.

Ritter Blackwood hatte einen Edelmann aus der benachbarten Grafschaft zum Gegner und es war ihm ein Leichtes, ihn aus dem Sattel zu heben. Blackwood ritt vor die Königin und senkte die Lanze vor ihr herab, worauf sie auf die Spitze der Waffe mit einem kleinen Kranz krönte.

Der Ritter ritt zur Seite und es folgten die anderen. Der, der übrigblieb, sollte zuletzt gegen ihn antreten. Viele Lanzen gingen in diesem Turnier zu Bruch und viele Kämpen wurden vom Pferd gestoßen.

Zuletzt blieb ein älterer, kampferprobter Mann übrig, gegen den Blackwood anzutreten hatte.

Auch der andere trug wie Blackwood eine silberne Rüstung und sie glänzte und funkelte in der Sonne. Es irritierte den Ehebrecher und unsicher blickte er zur Königin.

Nun stieß der Herold in sein Hörn und die beiden Kämpen ritten gegeneinander. Die Lanzen krachten gegen die Schilde und zerbrachen. Ein weiterer Gang wurde nötig.

Blackwood sah den anderen auf sich zukommen und bemerkte den schwarzen Adler auf dessen Schild. Als sie zusammentrafen, erwischte die Lanze des anderen Blackwood so Heftig, dass er vom Pferd geschleudert wurde. Scheppernd fiel er rücklings von seinem Schimmel, der weiter sprengte.

Das Gesicht der Königin war steinern, obwohl es um ihre Mundwinkel zuckte, als der heimliche Geliebte getroffen wurde und in den Sand stürzte. Er wurde vom Kampfplatz getragen, war aber nicht so schwer verletzt, wie es schien. Der Sieger jedoch empfing seinen Kranz, diesmal einen besonders schönen, aus den Händen der Königin. Nachdem er sich vor verbeugte, ritt er vom Turnierplatz.

Der König hatte seine Gemahlin die ganze Zeit immer wieder angesehen. Ihm fiel weiter nichts auf und so gab er sich erst einmal zufrieden. Erst als der Ritter wieder ansprechbar war, befragte er ihn wegen des Erröten der Königin. Der Ritter war jedoch so geschwächt, dass er erklärte, er wisse keinen Grund. Der König gab sich damit zufrieden und schickte ihn wieder auf den Landsitz. So verging die Zeit.

Eines Tages schlenderte der König durch den Garten und erblickte seine Kinder, die auf einer Bank saßen und sich gegenseitig vorrechneten. Er lief zu ihnen und fragte, was sie sich da gegenseitig zusprachen. „Es ist höhere Mathematik", antwortete der blonde von ihnen.„Dann erklärt es mir einmal", sagte der Vater und die Buben sprachen ihm vor.

„Mit solch einem Schwachsinn, meine Söhne zu quälen. Sie sollen einmal das Land beherrschen und Politik machen. Den Lehrer werde ich zur Rede stellen".

Damit eilte er zu dem Pädagogen und sprach ihn darauf an. Der berichtete ihm, dass der Richter ihn dazu angewiesen hatte. Der König eilte zu ihm und fand ihn in seinem Raum, auf dem großen hölzernen Stuhl sitzend vor.

„Was hast Du dem Lehrer befohlen", fragte er ihn. „Sie sollen lernen, lernen und nochmals lernen". „Sie waren strohdumm, bevor sie unterrichtet wurden.", erwiderte der Richter.

„Sie sollen lernen, wie man später einmal das Land regiert und es zu Wohlstand bringt. Und nicht solche Mätzchen", widersprach der König heftig, „sie werden wieder im Garten spielen, wie früher. Und sage dem Lehrer, dass er ihnen anderes beibringt, als solch ein Zeug".

Der Richter verneigte sich und ging, den Lehrer anzuweisen. Der König aber wandte sich wieder seinen Amtsgeschäften zu.

Der Lehrer änderte daraufhin seinen Unterricht. Er machte es aber so, dass die Jungen ihn nicht verstanden, worum es ging. Sie spielten jetzt viel mehr am Garten und tollten darin herum.

Der König sah es mit Argwohn. „Ist das Deine Art, den Jungen etwas beizubringen", fragte er daraufhin den Lehrer, woraufhin der antwortete: „Sie sollen sich erst einmal austoben, dann können sie es immer noch lernen". ,,Du hast seltsame Methoden", erwiderte der König, aber er beließ es dabei.

Eines Tages beobachtete er, dass die zwei Knaben sich an den Händen hielten und miteinander schmusten. Er machte sich nun ernsthafte Gedanken und stellte die Beiden zur Rede..

„Wir spielen nur Königin und ihr Ritter". Der König war verwundert und bat die Knaben, ihm zu berichten. Sie erzählten ihm nun, wie sie die Mutter und den Ritter Blackwood beobachtet hatten.

Voller Zorn ging er zu dem Richter und entließ ihn seines Amtes. Seine Gemahlin jedoch ließ er in den Kerker werfen. Den Ritter ersetzte er durch einen anderen. Nur den Lehrer überhäufte er mit Gold und gab ihm den Titel: Königlicher Lehrmeister.

Als die Buben herangewachsen waren, regierten sie zusammen das Land mit Klugheit und Umsicht. Und wenn sie nicht gestorben sind, regieren sie heute noch.

K. Farr, Dezember 2006

Quelle: Brief-Zusendung vom 5. April 2007 von Karl Farr aus Essen.