Wie der König und die Königin gerettet wurden

Leichter Wind wehte zum Fenster herein und streifte sanft über Arlanas Wangen. Sie musste wohl eingeschlafen sein, denn nun erwachte sie wie aus tiefem Traum. Sie öffnete sie die Augen und rings um sich her sah sie die vielen Bücher. Joey schlief immer noch tief und fest. Sie musste lächeln und rüttelte kräftig an seiner Schulter, denn Joey hatte einen tiefen Schlaf.

Das war kein Traum, entschieden sie, es kann niemals ein Traum gewesen sein. Heute nicht und auch damals im Zirkus, als sie den König und die Königin gesehen hatten.

Traum hin oder her, sie mussten unbedingt so schnell wie möglich zurück. Sie waren schon viel zu lange fort von der Gruppe. Man würde sie vermissen, sie würden Ärger kriegen und Strafarbeiten und was nicht alles.

Arlana nahm das Märchenbuch, das sie angeschaut hatten, bevor sie eingeschlafen waren. Es war noch immer irgendwo in der Mitte aufgeschlagen. Doch welche eine Überraschung: Nun waren die Seiten voll beschrieben, so wie es sich für ein ordentliches Buch gehörte!

"Joey" rief sie "schnell komm, das musst du dir ansehen, du Schlafmütze!" Und sie blätterte weiter und sie las ein bisschen und sie staunte nicht schlecht. Alles stand da, wie sie der Drache in den Käfig gesperrt hatte und die Sache mit dem Frosch.

Nachdenklich kramte sie in ihrer Tasche und siehe da, sie fand alles: die Kugel, die sie bekommen hatte, während sie ein Frosch gewesen war, die Feder und die leuchtende Glasscherbe und 3 Spielkarten.

Joey, der nun endlich ganz wach war, staunte nicht schlecht. So viel stand da geschrieben, doch an so weniges konnte er sich erinnern. Aber auch er fand so einiges in den Taschen. Da war es gewiss: alles was sie erlebt hatten, war wirklich und wahrhaftig geschehen. Ob ihnen das aber irgendjemand glauben würden?

Wie auch immer, sie mussten sofort zurück. Also ließen Rätsel und Geheimnisse sein und rannten los. Wie sie so ankamen am Lagerplatz, außer Atem und mit den abenteuerlichsten Entschuldigungen für das lange Fernbleiben, schien sie niemand vermisst zu haben.

Am nächsten Tag war die Stadt in heller Aufregung, denn der König und die Königin luden ein zu einem großen Fest. Die Leute redeten wild durcheinander. Es gab niemanden, der erklären konnte, woher die Könige plötzlich gekommen waren und was sie hier wollten und überhaupt und sowieso.


Nur Arlana und Joey wussten Bescheid und das kam so. Früh am Morgen war eine Kutsche vorgefahren, die hatte sie ins Schloss gebracht. Im Thronsaal wartete die Königin auf sie und Arlana erkannte, dass sie die Dame war, die mit ihr zusammen aus dem Käfig des Drachen entkommen war. Die Königin erzählte dann die ganze Geschichte und die Kinder waren froh, dass sie gerettet worden war, denn dies war geschehen, weil das leere Märchenbuch gefüllt worden war mit Geschichten über tapfere Heldentaten.

Aber das war noch längst nicht alles, denn noch war der König nicht erlöst. Noch einmal brauchte die Königin die Hilfe der Kinder, besser gesagt, die Hilfe der Spielkarten, die sie auf ihren Abenteuern gewonnen hatten. Mit den Karten in der Hand gelang es der Königin, ihren König vom Versteinerungszauber befreien. Die beiden freuten sich sehr und fielen sich in die Arme, denn es waren viele hundert Jahre vergangen, ohne dass sie sich gesehen hatten. Der König hüpfte auf und ab und schüttelte und rüttelte sich, denn ihm waren sämtliche Glieder eingeschlafen in dieser langen Zeit.

Gegen Mitternacht, das königliche Willkommen-Fest neigte sich seinem Ende entgegen bliesen die Fanfaren einen Tusch und der Hofmarschall gebot Ruhe.

"Sehr geehrte Damen und Herren", sprach die Königin. "Wir kennen uns nicht mehr, denn wir waren lange fort. Nicht freiwillig, wie Ihr nun wisst."

"Wir hatten Hilfe" fuhr der König fort "tapfere Kinder aus unserer Stadt, die die Gefahr nicht scheuten und sich mutig in das Abenteuer stürzten. Ihnen gilt unser ganz besonderer Dank. Wir werden Ihnen zum Dank ihre geheimsten Wünsche erfüllen. Joey wird zum Ritter erhoben und Arlana zur Prinzessin."

Da brach ein Jubel aus unter den Menschen in Stadt und Land. Arlana und Joey konnten ihr Glück kaum fassen. Sie schlichen sich davon vom Trubel, hinaus in den Schlossgarten zu den Einhörnern. Dort setzten sie sich an den See mit den Goldfischen und sahen den Mond an, wie er da hing am Himmel in vollem Rund, so nah und doch so fern.


Ende


Quelle: Karin Bühler, Ausstellungsleiterin von "Die Karten von Duun-Ca-Doh" (April/Juni 2004, Berlin), mit Schülern der 3. Grundschulstufe, Emailzusendung im April/Mai 2005