EINE GESCHICHTE VON EINEM KAUFMANN MIT DER ELSTER

Ein reicher Kaufmann saß in Leipzig, der hatte ein wunderschönes Weib. Die ward zur Liebe gegen einen jungen Studenten entzündet, und wenn der Kaufmann ausritt, wie es denn der Kaufleute Brauch ist, daß sie große und schwere Reisen tun, schickte sie nach dem Studenten. Nun hatte der Kaufmann eine Elster, die konnte dermaßen wohl schwätzen. Wenn der Kaufmann allein daheim war, sagte die Elster alles, was die Frau getan hatte und was sie für Hurerei triebe. Das erzählte sie dem Kaufmann, wenn er wiederkam. Dadurch bekam dann die Frau eine böse Ehe, Zank und Hader, und sie sann darauf, wie sie den Vogel loswerden könne. Zu einer Zeit war der Kaufmann wieder ausgeritten, da schickte die Frau nach ihrem Buhlen und trieb mit ihm ihren alten Brauch. Da sprach der Vogel: »Frau, ich will dem Herrn sagen, sobald er kommt.« Darüber war die Frau sehr ängstlich, und sie wurde mit der Magd einig, sie nahmen ein Faß, taten Steine darein und trugen es auf den Boden. Dann fing die Magd an zu rumpeln, und die Frau goß Wasser hinab, danach warf sie mit kleinen Steinchen und Sand, wie es hagelt, so als wäre es ein rechtes Unwetter. Als nun der Herr nach etlichen Tagen nach Hause kam, fing die Elster an und erzählte alles, was der Frauen Buhlschaft mit ihr geredet hatte. Und das glaubte der Kaufmann alles und fing an, sein Weib zu schimpfen und zu schlagen. Sie sprach: »Was glaubst du nur dem heillosen Vogel? Ist es doch alles erlogen, was der heillose Vogel sagt! Sag an, du loser Schwätzer, welchen Tag habe ich meine Ehe gebrochen?« Der Vogel antwortete: »Weißt du nicht in der Nacht, als das große Unwetter gewesen ist?« -»Sieh nur, mein lieber Mann, wie er lügt! Es ist doch nie ein Unwetter gewesen, während du weg warst. Wenn du das nicht glauben willst, so frag alle Nachbarn, ob es nicht so sei.« Der Kaufmann fragte die Nachbarn. Und sie alle sagten, sie wüßten von keinem Unwetter, so daß der Kaufmann sehr zornig ward, lief heim im Zorn, nahm seine gute Elster und riß ihr den Hals ab und meinte, der Vogel hätte gelogen. Da war der Kaufmann durch seine Frau betrogen, und sie konnte hernach ihre Buhlerei treiben, wie sie wollte, ohne daß der Vogel sie daran hinderte.


Quelle: Valentin Schumann, Nachtbüchlein, der Erste theyl [...] (1559). Hrsg von Johannes Bolte. Tübingen 1893. Nr. 9.
aus: Leander Petzoldt, Deutsche Schwänke, Baltmannsweiler, 2002, S. 156