WIE EIN JUNGES MÄDCHEN EINEN MÖNCH BETROG

Ein junges Mädchen beichtete einstmals einem Barfüßermönch, welche die allerheiligsten sein wollen, obwohl es sich so doch gar nicht verhält. Einem solchen heiligen Vater bekannte das gute Dirnlein seine Sünde. Wie aber der gottlose Mönch anhielt und wollte alle Heimlichkeit wissen und sie auch fragte, ob ihr dergleichen nicht geträumt hätte, denn dasselbe sei nicht minder Sünde, die man auch offenbaren müßte und die man auf keinen Fall für sich behalten dürfe, sprach sie: »Ja, lieber Herr, es hat mir wohl unlängst geträumt, aber ich schäme mich, solches zu sagen.« Der Mönch bestand darauf und wollte es wissen und gab vor, er könne sie sonst nicht absolvieren. Da fing das Mägdlein an: »Mein lieber Herr, es hat mir geträumt, daß einer bei mir gelegen sei und habe ihn mir (mit Erlaubnis Eurer Heiligkeit) hineingesteckt.« Der Mönch antwortete: »Meine Tochter, das ist genau so, als hättest du es in der Tat getan, und du mußt auch dafür büßen, als wäre es wirklich geschehen.« Das Mädchen erschrak und bat den Mönch, daß er das Beste tun wolle. Er gab vor, sie müsse nach Rom wallen oder sonst zu einem Poenitential gehen. Sie sagte, er solle das Beste tun, sie wolle es ihm wohl lohnen, und ließ ihn auch zwei Gulden sehen. Dem Mönchen gelüstete es nach den Goldgulden, und er sprach: »Es ist wahr, meine Tochter, wir haben so viel Gewalt, in der Tat, wie der Papst oder ein Poenitential, deshalben hat ja der heilige Franziskus ebensowohl fünf Wunden wie Christus. Aber, meine Tochter, wir dürfen kein Geld anrühren. Aber damit du nicht zu weit wegziehen mußt, denn es ist jetzt unsicher auf der Straße, so stecke sie mir in das Löchlein rein.« Denn der Mönch hatte eine zerrissene Kappe an und im linken Ärmel ein Loch. Der Mönch sah schlecht, und das Mägdlein tat, als stecke sie ihm zwei Gulden in den Ärmel, aber sie behielt sie für sich. Der Mönch absolvierte sie nun geschwind wie der Wind. Das Mägdlein wurde froh und wischte davon. Wie nun das Mägdlein hinausging, suchte der Mönch die Goldgulden in dem Löchlein und fand sie aber nicht und merkte den Betrug, rief das Mägdlein eilends wieder zurück und sagte: »Sie sind nicht drinnen, meine Tochter!« Da antwortete das Mädchen: »Ja, mein Herr, er ist mir auch nicht drinnen gewesen, sondern es hat mir nur so geträumt!« So ging das Töchterlein fort und war absolviert.

Poenitential: Beichtvater.


Quelle: Michael Lindener, Der erste theil Katzipori [...] (1558). Hrsg. von Franz Lichtenstein. Tübingen 1883. Nr. 2
aus: Leander Petzoldt, Deutsche Schwänke, Baltmannsweiler, 2002, S. 154