WEIHWASSER GEHT NICHT DURCH DEN HUT

Es war ein Pfleger im Land zu Bayern, der war gut evangelisch und in weltlichen Händeln ein aufrichtiger, ehrliebender Mann. Der ging das ganze Jahr hindurch nicht in die Messe als nur an zehn Festen, an Ostern, Pfingsten, Weihnachten usw. Und wenn es kalt war, blieb er auch daheim und opferte nichts. Das verdroß den Pfaffen sehr. Und wenn er mit dem Weihwasser herumging, nahmen die ändern Bauern die Hüte ab und neigten sich vor dem Weihwasser, da setzte der Pfleger seinen Hut auf und drückte ihn fest auf den Kopf. Das hielt der Pfarrer dem Pfleger vor und sagte, daß dies den ändern Bauern und Nachbarn ein böses Beispiel gebe und sie verführe. Der Pfleger antwortete und sprach: »Mein lieber Herr Pfarrer, ich gedenke noch einer Predigt, die Ihr einmal gehalten habt, daß es ein solch heilig Ding sei um das Weihwasser, daß auch die Tropfen, die Ihr auf die Totengräber werft, hinein auf die Körper fallen, und wenn sie neun Klafter tief unter der Erde lägen, welches der heilige Papst Calixtus soll erfunden haben. Das habe ich ausprobieren wollen und habe meinen Hut aus diesem Grunde nicht abgenommen, ob dies so kräftig wäre und auch durch meinen Filz möcht fallen. Aber ich habe es mitnichten empfunden, darum ich annehme, daß wenig dahinter sein wird.« Der Meßpfaff drohte dem Pfleger, daß er ihn vor die hohe Obrigkeit zitieren wolle und ihn als einen Ketzer anzeigen würde. Der Pfleger gedachte der Drohung, und da der Pfaffe noch am selbigen Tag anfing zu lärmen, nahm er den Pfaffen und warf ihn in den Stock und fragte den Pfaffen, ob er noch so böse sei, und strafte ihn hart. Da bat hernach der Pfaffe den Pfleger, daß er stillschweige und ihn nicht in den Kerker brächte, um tausend Gottes willen, so doch hundert genug gewesen wären. Also kehret sich das Blättlein oft um.


Quelle: Michael Lindener, Der erste theil Katzipori [...] (1558). Hrsg. von Franz Lichtenstein. Tübingen 1883. Nr. 23
aus: Leander Petzoldt, Deutsche Schwänke, Baltmannsweiler, 2002, S. 152