Die Entstehung des Klosters zum Elende.

Zur Zeit des Papstthums kam einmal ein Fuhrmann, der Wein geladen hatte, um ihn nach einem reichen Kloster zu fahren, durch die vormalige Grafschaft Hohnstein. Er hatte sehr schwer geladen, und da die Wege schlecht waren, so blieb er in der Gegend, wo jetzt ein Dorf steht, das »Elend« heißt, im Moraste stecken. Alles Fluchen und Toben, alles Prügeln auf die armen Pferde, wollte nicht helfen. Fest saß der Wagen und rührte sich nicht, fest blieb er sitzen; keine Hülfe in der Nähe war zu haben, und der Fuhrmann in großer Angst, seine Rosse zu verlieren. Da weinte er bitterlich, und flehte Gott an, ihm aus diesem Elende zu helfen.
Kaum hatte er das gethan, so stand die heilige Jungfrau Maria vor ihm, und sprach:

»Gieb mir von dem Wein zu kosten, den du geladen hast, so will ich dir bald aus deinem Elende helfen!«
Der Fuhrmann war zwar sehr erstaunt ob dieser Erscheinung, aber die Freude, erlöst zu werden, gab ihm bald wieder Muth. Er antwortete mit vielen Verbeugungen, daß er recht gern geben wolle, was die schöne Jungfrau verlange, aber es fehle ihm an einem Trinkgeschirr.

Alsbald pflückte die Jungfrau Maria viel bunte Blumen, machte daraus ein kleines Gefäß, und reichte es dem Fuhrmann. Und der ließ Wein hinein, reichte ihn der Jungfrau zurück, und kein Tropfen lief heraus aus dem Becher, worüber er sehr erstaunte.

Als nun die Jungfrau getrunken hatte, verschwand sie plötzlich. Siehe, da stand der Wagen mit einem Male auf ebener Erde, und der Fuhrmann zog dankbar weiter seine Straße.

Natürlich erzählte der frohe Mann das wunderbare Ereigniß; und wer mochte daran zweifeln, da er das seltene Trinkgefäß vorzeigen konnte. Der fromme Glaube stiftete darauf zum ewigen Andenken ein Nonnenkloster auf der Stelle, wo die Erscheinung vorgefallen war, das den Namen »zum Elende« erhielt. Es wurde viel dahin gewallfahrtet. Jetzt sind von diesem Kloster kaum noch wenige, unscheinbare Spuren zu sehen, aber es gab zur Entstehung des Dorfes gleiches Namens Anlaß, das noch da ist.

Vor ungefähr hundert Jahren noch zeigte man in der alten Kirche dieses Dorfs eine thönerne Kopie des aus Blumen geflochtenen Trinkgeschirres der Jungfrau Maria. Das Original, hieß es, sey als eine große Seltenheit nach Rom geschickt worden.

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v. Rohr, Merkwürdigkeiten des Oberharzes, Frankf. 1739. 8. S. 140.

Quelle: Friedrich Gottschalck, Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, Halle 1814