Die Glocken von St. Georgen.

1.

Als man in diesem Dorfe des Schwarzwaldes zur ersten lutherischen Predigt die alte Glocke zog, welche Susanne hieß, fiel sie gleich aus dem Kirchthurm und eine Strecke den Berg hinab. Man lud sie auf einen Wagen, woran zehn Ochsen gespannt waren, und wollte sie wieder hinaufführen, allein der Wagen war nicht von der Stelle zu bringen, worüber die Bauern so böse wurden, daß sie riefen:

"Susanne, in unserer Kirche mußt du hangen, es sei Gott lieb oder leid!"

Kaum war dies gesagt, so rollte der Wagen mit Glocke, Ochsen und Fuhrleuten in den untenliegenden Weiher, wo alles miteinander versank. Noch jetzt hört man darin, zu den heiligen Zeiten, die Glocke läuten, die Ochsen brüllen und die Fuhrleute mit den Peitschen knallen; auch wird noch das Loch gesehen, welches die Glocke, bei ihrem Fall aus dem Thurm, in den Boden geschlagen hat.

2.

Nachdem die Einwohner von St. Georgen Luther's Irrlehre angenommen hatten, zwangen sie die dortigen Benediktiner, den Ort zu verlassen. Beim Abzug führten dieselben ihre Glocken mit, aber die Bauern, welche das schöne Geläut bei ihrem neuen Gottesdienst nicht entbehren wollten, nahmen nächst dem Weiher die Wägen, worauf die zwei größten Glocken geladen waren, mit Gewalt weg und fuhren damit den Berg hinauf. Da erhob sich ein fürchterlicher Sturmwind, der die beiden Wägen mit Glocken, Ochsen und Fuhrleuten in den tiefen Weiher hinabstürzte. Darin sind sie noch heute, und in der Christnacht läuten die Glocken, brüllen die Ochsen und klatschen mit ihren Peitschen die Fuhrleute. Auch geht zuweilen ein gespenstiger Fackelzug um den Weiher, und es läßt sich ein Gerassel hören, wie wenn schweres Fuhrwerk den Berg hinunterrollte.

Quelle: Bernhard Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Karlsruhe 1851, Nr. 85.