Domherrengespenster

Ungeheuer Wesen ist in den Domherrenhäusern zu Konstanz nit seltsam und ungewohnt, denn als Herr Albrecht von Landenberg, ein gar alter Domherr anno 15.. zu Konstanz gestorben, haben etliche ehrbare Personen des Morgens früh, als sie zur Messe gehen wollten, vor dieses Domherrn Hof an der Mauer einen langen, schwarzen Mann sitzen sehen; der hat sich aufgetan und ist so lang geworden, daß er über die Mauer in den Hof gesehen. Das ist zehn oder zwölf Tage vor seinem Absterben geschehen.

Als der Domdechant zu Konstanz, Herr Friedrich von Hinweil, tödlich krank gelegen, hat man etliche Tage vor seinem Tod, als das Münster oder der Dom abends, wie gebräuchlich, geschlossen wurde, ein solch Getümmel, Klopfen und Schlagen gehört, als ob man alle Schlösser und Türen aufbreche und große Gewalt anwende, dermaßen, daß alle Nachbarn, auch etliche Domherrn wie Herr Melchior von Bubenhoffen und andere mit bewehrter Hand zum Dom eilten.

Da haben sie das große Gebrech noch gehört und nit anders vermeint, es hätten sich Leute in den Dom verschlagen, die über alles brechen. Wie nun der Meßner und andere, so hierzu beschieden waren, geweckt waren und kamen, ward die Kirche aufgeschlossen. Sobald man hineindrang, war alles Getümmel vergangen. Man sah und hörte nichts, es lag alles an seinem Ort.

Quelle: J. Waibel und Hermann Flamm, Badisches Sagenbuch. Abt. 1: Sagen des Bodensees, des oberen Rheintals und der Waldstädte. Freiburg 1898, S. 47