Die Laura im Lauratal

Das Lauratal bei Schlier ist eine äußerst unheimliche Gegend. Man zeigt einem, wenn's Wolfegg zugeht, den Platz im Wald droben, wo einst die Burg stand, in der das Ritterfräulein Laura gelebt haben soll. Laura liebte einen Ritter. Dieser Ritter entfloh einst mit dem Kind, dem Pfand ihrer Liebe, nächtlich und wollte die Sache auf der Lauren-Burg verheimlichen. Wie er über einen schwachen Steg der unten vorbeifließenden Scherzach setzte, brach dieser und Laura hörte droben das Platschen und Hilferufen. Sie sprang talabwärts, wollte den Ritter und das Kind retten, versank aber auch. Seitdem muß sie umgehen und kommt zu gewissen Zeiten ans Brünnlein und trinkt aus einer Kürbisschale. Laura geht wieder, mit der Schale unter dem Arm, talaufwärts, der alten Burgruine im Wald droben zu. Weiß wie Wachs, mit einem langen, ebenso weißen Schleier kommt sie herab und niemand kann ihr Gesicht sehen. Sie läuft wie auf einem Wölklein über dem Wasser dahin und ebenso wieder auf dem Wasser zurück.

Mal verirrte sich im Wald, da wo Fräule Laura gehen soll, ein Kind. Auf einmal kam ein warmes Lüftchen und es war da so grün und alles so blühend wie im Frühling. Es sei gerade gewesen wie im Paradies. Erdbeeren seien da in Hülle und Fülle gestanden. Das Kind pflückte nach Herzenslust. Fräule Laura sei in diesem Garten schneeweiß spazieren gegangen, immer dem Kind winkend. Das Kind brachte sein Erdbeersträußlein heim.

Quelle: Anton Birlinger, Volksthümliches aus Schwaben. Erster Band: Sagen, Märchen, Volksaberglauben, Freiburg 1861, Nr. 6a und 6b, S. 6 f.