Das zugemauerte Tor oder Zwingtor

Meersburg ist ein gar alter Platz, sagt Stumpf in seiner Schweizer Chronik. Oberhalb der Stadt, in der Nähe der Kirche, stand dereinst das sogenannte Zwingtor oder das "zugemauerte Tor", welches seinen Namen daher hatte, weil außer dem Bischof niemand hier durchgehen durfte. Einmal wollte nun ein Ritter durch das Tor gehen, ein Bürger aber verwehrte es ihm. Darüber kam es zum Streit, wobei der Ritter den Bürger niederschlug. Dem Unterlegenen eilten Männer zu Hilfe, worauf der Ritter sich in die Burg des Bischofs flüchtete, die hinter ihm sofort verrammelt wurde.

Die Bürger, über den Tod ihres Mitbürgers empört, und jetzt durch den Schutz, den der Ritter im Schloß fand, noch mehr erbittert, verlangten die Auslieferung des Mörders, die jedoch verweigert wurde, worauf sie das Schloß erstürmten. Aber der Bischof samt dem Ritter hatte sich bereits durch einen unterirdischen Gang, der vom Schloß herab durch den Domkapitelstorkel, von da durch den hintern Seetorturm zum Kapitelshof (jetzt Gasthof zum "Schiff") und dann an den See führte, geflüchtet und nach Arbon hinüberschiffen lassen.
Der Bischof erklärte hierauf die Stadt in Acht und verlegte seine Residenz nach Konstanz. Das Zwingtor wurde nun zugemauert. Als man im Jahre 1820 das Tor abbrach, fand man mehrere Bündel Armbrustpfeile, wovon noch vier im Stadtarchiv aufbewahrt sind.

Quelle: Theodor Lachmann, Überlinger Sagen, Bräuche und Sitten. Konstanz 1909, Nr. 40, S. 87 f.