Das Frauenloch

Im Staufenberge bei Reichenhall, das ehedem auch zu Salzburg gehörte, befindet sich eine Felsenhöhle, welche vom Volke gleichfalls das "Frauenloch" genannt wird. In frühesten Zeiten wurde dieselbe auch von drei Wildfrauen bewohnt. Wenn diese vor der Höhle ihre Wäsche aufhängten, so durfte man sicher auf schönes Wetter rechnen. Während zwei von ihnen blendend weiße Haut hatten, war die dritte halb schwarz, halb weiß. Ein großer schwarzer Hund mit glühenden Augen bewachte den Eingang der Höhle und wies jedem, der sich unberufen nahte, knurrend die Zähne. In dieser Höhle ist ein großer Schatz verborgen, den zu heben bisher noch niemandem gelungen ist. Früher vernahm man aus dem Frauenloch auch häufig das Krähen eines Hahnes, ohne denselben selbst je gesehen zu haben.

Wenn im nächsten Umkreise ein Kind geboren ward, kamen die drei Wildfrauen in das Haus und sangen; solchen Kindern war immer großes Glück beschieden. Ja, als einmal der Bäcker von Hausmanning mit einem Mädchen von seltener Schönheit Hoch zeit machte, kamen die Wildfrauen zum Schmause und ergötzten sich weidlich an der allgemeinen Freude. Dem jungen Ehepaar aber beschieden sie dauerndes Glück.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 205, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 190.