König Watzmann

König Watzmann im Berchtesgadener Lande liebte weder Mensch noch Tier. Die Menschen zu quälen, die Tiere zu martern, war seinem grausamen Herzen süße Lust. Deshalb frönte er auch am liebsten der Jagd, da ging's ja am wildesten her. So wie er dachten auch sein Weib und seine Kinder. Wenn die schweißtriefenden
Rosse unter ihnen zusammenstürzten, oder das halb totgehetzte Wild von den Hunden zerfleischt wurde, fanden sie die höchste Befriedigung.

So ging es Tag für Tag, jahraus, jahrein, sonder Rast und Ruhe, bis endlich Gottes strafende Hand die Frevler erreichte.

"Hallo! Hinaus zur wilden Jagd!", so erscholl der Ruf wieder, wie so oft schon, durch den Schloßhof, und unter dem Schalle der Hörner, dem Geheule und Gekläffe der Rüden ging es mit Weib und Kindern durch dick und dünn, über Wiesen und Felder dahin. Da sieht des Königs Auge ein altes Mütterlein mit dem Enkelkinde am Arme nächst einer kleinen Hütte ruhen. Ein teuflischer Gedanke durchzuckt sein Gehirn; er gibt seinem Rosse die Sporen und sprengt, ihm nach der ganze Troß, auf das alte Mütterlein los, das bald samt seinem Enkelkinde unter seines Pferdes Hufen den gräßlichsten Tod findet. Aus der Hütte stürzen trostlos der Bauer und sein Weib, um die sterbende Mutter mit dem toten Kinde im Hause zu betten, da hetzt der König die wutschnaubenden Hunde auf sie, daß sie unter den Zähnen der Bestien ihren Geist aufgeben. Lachenden Angesichts schaut Watzmann dem fürchterlichen Morden zu, und mit ihm freuen sich Weib und Kinder ob der grausen Untat. Da hebt das greise Mütterlein noch einmal ihre zerfleischte Rechte gegen Himmel empor und schickt einen entsetzlichen Fluch auf dem Allgerechten, daß dieser sie und die Ihren räche. Und Gott hörte den Fluch. Die Erde erbebte, der Sturmwind fuhr brausend über die Fluren, Feuer sprühte allerorten aus dem Boden, als wäre der Welt Ende angebrochen. König Watzmann und die Seinen erbeben zum ersten Male in ihrem ganzen Leben. Allmählich fühlen sie Erstarren der Glieder, bis sie endlich ganz zu Stein geworden sind.

Seitdem stehen König Watzmann, sein Weib und die Kinder, in riesige Felsen umgewandelt, als ewige Wahrzeichen einer schaudervollen Vergangenheit, allen herzlosen und grausamen Menschen zum warnenden Beispiele dienend.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 326f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 154.