Unterm Brünnsteingipfel hauste auch der Teufel

Auf dem Weg zum Brünnsteingipfel kommt man an der Himmelmoos- und an der Seeonalm vorbei und dann zur Fellalm. Ausgerechnet dort, in der Fellalm, wollte der Teufel eine Hölle einrichten. Um sie zu bauen, brauchte er viele Steine. Die holte er sich vom Brünnstein, riesige Brocken zumeist, aber auch kleinere Felstrümmer. Weil die besonders großen Felsen selbst dem Satan zum Schleppen zu schwer waren, mußte ihm dabei eine einstige boshafte Pfarrersköchin aus dem Tal helfen.

Nördlich von Seeon und Himmelmoos zieht sich ein Felskamm hin. Den benützten die beiden Höllenbauer sozusagen als Rutschbahn für ihre Steine. Sie schleiften diese über den felsigen, festen Untergrund herbei. Solchermaßen transportiert, hinterließen sie auf dem Felskamm tiefe Spuren. Diese Rinnen heißen noch heute "das Teufelsgloas" (Teufelsgeleise).

Bei ihrer Arbeit mußten sich die beiden bestimmt furchtbar anstrengen, denn wie sonst könnte man am Eßrain - das ist ein Platz zwischen Fellalm und Seonalm - in einem Felsen noch die Abdrücke der Krallen des Teufels sehen! Ein großer Felsblock, der den Schlußstein des ganzen Bauwerkes werden sollte, liegt dort. Aber, warum auch immer, der Teufel konnte seine Brünnsteinhölle einfach nicht vollenden. Deshalb warf er voller Grimm alle Steine, deren er auf der Schanz habhaft werden konnte, von der Brünnsteinschanz hinab auf die Wiese der Seeonalm. Dort liegen sie natürlich immer noch umeinander. Dagegen ist auf der Schanz kein Stein mehr zu finden, dafür aber der schönste Almboden.

Damals, als der Teufel sich die Brünnsteinalmen als Wohnplatz herrichten wollte, mag es auch gewesen sein, daß er zur Erholung und Abwechslung von der schweren Arbeit einen Spaziergang unternahm über die saftigen Almweiden. Er kam auch zur Brünntalalm, der sogenannten "Goaßgretlalm". Dort ruhte er sich ein paar Tage aus. Irgendwer muß ihn da oben angetroffen haben, vielleicht ein Senner. Jedenfalls machte der Teufel mit diesem unbekannt gebliebenen Almerer einen Wettlauf. Und weil es beim Teufel ja nie mit rechten Dingen zugeht, hat er wohl auch diesmal seinen Partner geprellt. Während der Mensch über Stock und Stein rannte, um vor dem Teufel im Brünntal zu sein, machte sich der Teufel ein schmales Steiglein durch den Felsen, das man das "Teufelsgleis" nennt. Schließlich aber mußte der Teufel kriechend sein Ziel erreicht haben, denn durch die schmale Scharte am Ende des steinernen Bandes kann man nicht aufrecht gehend hindurch.

Gar mancher Almbub benützte diesen Abkürzer auf dem Weg zur Alm, die Kriecherei gern in Kauf nehmend. Aber wieviele taten das kein zweites Mal! Denn genau in dieser engen Stelle kam ihnen der leibhaftige Gottseibeiuns mit schallendem Gelächter entgegengefahren, wenn es schon finster war. Die so Erschreckten haben dann angsterfüllt das Weite gesucht und nie mehr wieder bei Dunkelheit diesen schmalen Steig benützt. Wenn auch andere, Besserwisser, ihnen höhnisch weismachen wollten, was sie da so ins Boxhorn gejagt hatte, das wäre nur ein meckernder Ziegenbock gewesen, der hier friedlich sein Futter suchte. Nochmal wollte es keiner versuchen. Sie wußten es besser!

Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 51