Von dem Ambeditchen
In einer Winternacht ging ein Eschauer Mann, der ein Glas über den Durst getrunken hatte, die Straße von Hobbach herab, und als er in die Nähe der Kinzbachbrücke kam, sprang ihm - hopp - etwas auf den Rücken und krallte ihn noch dazu am Hals, dass ihm fast die Luft ausging. Da wurde der Mann vor Schrecken nüchtern und dachte bei sich: "Das muss ein Ambeditchen sein!" Er keuchte, indes ihm der Schweiß aus allen Poren drang, am Gänsebrunnen vorbei, und dort, wo der Feldweg in die "List" abzweigt, ließ sich die Hockelast wieder herunterfallen, so schnell, wie sie aufgesprungen war, tat noch einen höhnischen Lacher und verschwand in den Brunnenwiesen. Der Mann aber war ganz erschöpft, wankte in Sommerau ins nächste Haus, um eine Zeitlang auszuruhen, ehe er wieder weitergehen konnte.
Ein andermal - das will ich auch erzählen - ging ein Mann aus Sommerau,
der als furchtsam bekannt war, von Rück gegen Eschau hin. Es war
so dunkel wie im Sack, und der Wanderer wünschte: "Ach, wenn
ich nur schon daheim wäre!" Im selben Augenblick hängte
sich ihm ein Ambeditchen auf den Rücken, und eines packte ihn am
rechten und eines am linken Arm, und so musste er bis Eschau laufen, während
ihn dabei noch jemand heftig zwickte und zwackte. Im Eschauer Wirtshaus
berichtete er, noch schlotternd vor Angst, wie sich ihm die Nachtkobolde
angehängt und ihn mit Kneifzangen bearbeitet hätten. Er habe
in einem fort "au weh!" geschrien, doch sei ihm niemand zu Hilfe
gekommen. Und erst am Ortseingange hätten die Ambeditchen von ihm
gelassen und wären im Nu weg gewesen. Er goss ein Schöpplein
Bürgstadter nach dem anderen die Kehle hinunter, so dass sein Gesicht
wieder Farbe bekam, und dann rief er: "Herrje, wenn's noch einmal
wäre, tat' ich die Ambeditchen abschütteln", und er fuchtelte
zornig mit Armen und Händen, als ob er den Kobold erschlüge.
Da lachten alle, die in der Wirtsstube saßen, über diesen plötzlichen,
verspäteten Mut, und am anderen Tage sprach sich das Begebnis in
Eschau und Sommerau herum, und hüben wie drüben kicherte man
über den Nachtwanderer und seine nachträgliche Tapferkeit.
Quelle: Spessart-Sagen,
Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 125