Die Irrblumen

Ein Mann von Bettingen hatte aus einem Zauberbüchlein erfahren, wie man Schätze heben kann und wollte den Gold- und Silberschatz in der Wettenburg gewinnen. Er ging des Nachts mit noch ein paar Männern auf die Burg an die Stelle, wo das Gold vergraben lag. Dabei hatten sie das Unglück, auf Irrblumen zu treten, und wem solches widerfuhr, der wusste im Weg nimmer aus noch ein. So erging es jetzt auch ihnen; sie hatten plötzlich ihr Ziel verloren, liefen kreuz und quer, und als sie meinten, am Schlossplatz zu sein, standen sie an der Urpharer Furt. Sie kehrten um, liefen aber im Tännig [sic] irre und stießen sich in der finsteren Nacht an den Bäumen fast die Köpfe ein. Als es Tag ward, sahen sie in der Ferne Eichel liegen und hielten sich nun rechts, um an den Pfad nach Bettingen zu gelangen. Stundenlang liefen sie in der Irre und sahen sich schließlich wieder Urphar gegenüber. Nun waren sie derart erschöpft, dass sie kaum mehr weiterkonnten. Und jetzt begegnete ihnen ein Mann aus Trennfeld, der betrachtete sie verwundert, wie sie durchs dickste Gesträuch zu kriechen versuchten, obgleich ihnen die Kleider daran hängen blieben. "He, wo hinaus?" rief er sie an. Durch diesen Anruf wurde der Zauber der Irrblumen gebrochen, und die Männer fanden sich wieder zurecht. Allein vor Ermüdung, Hunger und Durst mussten sie eine Weile verschnaufen, ehe sie in ihr Dorf heimkehrten.

Vom Schatzgraben hatten sie zeitlebens genug.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 219