Die Klärle
Im Unteren Berg bei Hasloch hatte einst die Frau Holle gewohnt. Nun wollte
einmal die alte "Klärle" von Hasloch ihren Verwandten,
die im Waldrevier am Unteren Berg Holz fällten, das Mittagessen bringen.
Den Hang hinauf überfiel die Siebzigjährige eine große
Müdigkeit, und ihr Essenskorb wurde ihr so schwer, dass sie kaum
mehr weiter konnte. Da trat plötzlich eine Frau heran, in Bandhaube
und geblümter Schürze, und sprach: "Klärle, lass dir
den Korb tragen, du keuchst zum Erbarmen, ich hab's von weitem gehört."
Die hilfreiche Frau war niemand anders als die gute Frau Hulda. Aber die
Klärle erwiderte ihr grob: "Jetzt hab' ich den Korb so lange
getragen, da kann ich's das letzte Stück Weg auch noch; mach, dass
du fort kommst, du Hexe!" Und nun war die fremde Frau auch schon
weg, ebenso plötzlich, wie sie erschienen war. Die alte Klara ging
weiter, kam jedoch vom Wege ab und wusste schließlich gar nicht
mehr, wo sie sich befand. Sie schlug eine falsche Richtung ein, irrte
mühevoll durch Dorngestrüpp über Steingeröll dahin
und sank fast um vor Schwäche. Zum Glück sahen sie ihre Angehörigen
von ferne, und sie verwunderten sich, dass Klärle einen ganz anderen
Weg ging. "Klärle", riefen sie aus Leibeskräften,
"wo hinaus?" Als diese ihren Namen hörte, kam sie wieder
zu sich und wusste jetzt auch, dass sie von der Frau Holle irregeführt
worden war. Ermattet fiel sie samt ihrem Essenskorb zu Boden. Die Holzfäller
eilten herbei und vernahmen von der halb ohnmächtigen Alten, wer
ihr begegnet war und was die Frau Holle gesprochen hatte.
Quelle: Spessart-Sagen,
Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 163