Die versunkene Glocke

In der Pfarrkirche zu Sankt Agatha hingen einst zwei Glocken; die eine hieß Marianne, die andere hieß Susanne, und die war von Silber. Im Dreißigjährigen Krieg nahmen die Schweden die silberne Glocke vom Turme, luden sie auf ein Schiff und wollten sie mainabwärts entführen. Als sie aber an den Felsen kamen, wo jetzt der Pavillon im Schlossgarten steht und früher die Stadtmauer gegen den Main zog, sprang die Glocke aus dem Schiffe und verschwand im Main. Alles Suchen nach ihr war vergebens; sie konnte nicht mehr gefunden werden. Und doch liegt sie noch an der Stelle, wo sie versank.

Sooft nun die Glocke Marianne geläutet wurde, rief sie: Bim bam, bim bam, wo ist die Schwester Susann? Und die helle Stimme der Versunkenen antwortete: Bim bam, bim bam, da bin ich, Schwester Mariann. Diese Worte hören freilich nur die Golden Sonntagskinder, die frommen Herzens und gläubigen Sinnes sind; ein Liedchen singen aber hier noch die kleinen Kinder bei ihren Spielen. Es lautet:

Kling, klang, Glorian,
unsere Schwester Susann',
liegt im Main -
am grauen Stein,
kehrt nimmer heim.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 13.