Die Zugochsen
Zu Schmachtenberg hatte einmal 's "Fraale" in der Spinnstube erzählt, dass in der Weihnacht die Tiere sprechen könnten. Der Bauer lachte verächtlich zu den Worten der Ahne und meinte, derlei Geschwätz tauge wohl alten, einfältigen Leuten und sei etwas für angsthäsige Frauen. Er selber halte nichts davon, aber er könne ja, setzte er spöttisch hinzu, die nächste Christnacht nützen und ausforschen, ob die Altmutter recht habe. Diese erwiderte nur: "Ich möchte niemand zu solchem Frevel geraten haben" und spann mit ihren zitterigen Fingern den Faden weiter.
Die Heilige Nacht kommt wieder heran. Da erfasst den Bauern eine große
Neugierde, und er vermag kaum zu warten, bis es Abend wird. Gegen Mitternacht
schleicht er sich an die Stalltür und lauert. Nichts. Er will schon
wieder fort, da hält er das Ohr noch mal an die Tür. Es muss
nun Schlag Mitternacht sein. Jawohl, von der Kirche her schwebt Glockenklang,
der zur Christmette ruft. Da beginnen die zwei Zugochsen mit einem Male
zu sprechen. "Draußen vor der Tür steht einer", sagt
der erste. Und der zweite sagt: "Der soll jetzt ja nicht hereinkommen;
wir stoßen ihn tot." Wie der Bauer solche Reden vernimmt, wird
er zornig, ergreift in seiner Wut einen dicken Prügel, läuft
in den Stall und schlägt auf die Tiere ein. Doch während er
den einen Ochsen prügelt, kommt er dem anderen unbedachtsamerweise
vor die Hörner und wird von ihm aufgespießt.
Quelle: Spessart-Sagen,
Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 135f