DER SCHATZ IN RUHMANNSFELDEN

Als die warme Frühlingssonne die letzten Zeichen toter Winterlichkeit hinweggeleckt hatte und die Sommervögel *) schon ihr Chorlied sangen, da ward's bald lebendig draußen auf den Fluren. Hier lockerte die Pflugschar den Boden, dort reinigte man überdüngte Wiesen. Überall emsiges Schaffen, rührige Tätigkeit. Wo früher das Schloß derer von Ruhmannsfelden stand, auch da grub das friedliche Eisen Furche auf Furche. Hinter dem Pfluge schritt der Knecht, der durch sein: "hü, hü, Rapperl!" oder "no stad, stad!" den Gaul anzuspornen oder zu besänftigen suchte. Auf einmal verfängt sich der Pflug und Rößlein und Gefährte bleiben stehen. Das Pflugeisen ist in einen mächtigen Eisenring geraten, der an einer umfangreichen Kiste befestigt ist. Wie mag die Kiste hieher gekommen sein? Zweifelsohne birgt sie einen vergrabenen Schatz. Und gierig löst der Knecht den Pflug aus seiner sonderbaren Schlinge. Er macht sich daran, die Kiste zu öffnen. Es gelingt.

Hui, wie blitzt es ihm entgegen von Gold und Edelgestein! Ein Griff - da gellt ein schriller Pfiff herüber und die Hand fährt erschrocken zurück. Der Herr war es. Er wähnt, sein Knecht faulenze. Schnell springt dieser wieder an die Arbeit und tut, als ob nichts geschehen. Der Herr sollte von dem Funde nichts erfahren; er würde ihm ja sicher den Schatz streitig machen. Kaum knallte die Peitsche und zog das Rößlein wieder an, als die Kiste mit dem Schatze plötzlich in unergründlicher Tiefe verschwand. Dem dumpfen, donnerähnlichen Geräusche, das ihr Versinken verursachte, folgte ein schallendes Hohngelächter.

Hätte der Knecht Brosamen oder einen Rosenkranz auf die Kiste gelegt, so hätten die unterirdischen Geister ihre Herrschaft über den Schatz verloren und der arme Knecht wäre mit einem Schlage reich, unendlich reich geworden. Weiß Gott, wie's besser war.

*) Sommervögel werden die Zugvögel vom Volke genannt.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen