ORTSNECKEREIEN
Die Bewohner von Pleinting wollten einmal einen Steg über die Donau bauen. Als sie nach langer Arbeit die zugerichteten Balken zusammenfügen wollten, sahen sie, daß ihnen der Steg zu kurz geraten sei. Sie spannten daher ein Paar Ochsen daran, um ihn zu dehnen, oder, wie der Volksmund sagt, auszurecken. Das gelang ihnen freilich nicht; aber seither führen sie den Namen "Stegrecker".
Vor Jahren kam einmal ein Bettelmönch nach Windorf. Es war in der Kirschenzeit. Schwarz und rot lockten die reifen Früchte. Im Nu war der Kuttenmann auf einem Baum und ließ sich die Kirschen schmecken. Als ihn der Besitzer des Gartens erblickte, erschrak er nicht wenig; denn er hielt den Mann in der braunen Kutte für einen Bären. Flugs, lief er bei seinen Nachbarn herum, sie um Hilfe anrufend und halb Windorf rückte mit Sensen, Hacken, Dreschflegeln und Spießen dem Ungetüm entgegen. Sobald aber der Mönch den johlenden und wohlbewaffneten Menschenhaufen kommen sah, sprang er eilends vom Baume herab und lief, so schnell er konnte, Vilshofen zu. Da machten die Windorfer freilich lange Gesichter und trugen ihre Waffen grollend wieder nach Hause. Heute aber heißen die Windorfer noch "Bärenfänger".
Die Hofkirchner im Bezirksamte Vilshofen werden "Lebzeltenfänger" genannt.
Sie fuhren nämlich eines Abends mit ihren Plätten und Zillen in die Donau hinaus, um ein riesiges Stück Lebkuchen aufzufangen, das die Donau herabschwamm. In Wirklichkeit aber war es ein Düngerwagenbrett, was auf den Wellen herabtrieb und einem Bauern aus Niederalteich gehörte.
Von diesem Fang haben die Hofkirchner ihren Spottnamen.
Zur Kriegszeit hing einmal ein biederer Schierlinger seine Gänse unter der Brücke auf, um sie vor den Feinden zu sichern. Das hat nun den Schierlingern den Namen "Gänshänger" eingetragen.
Die Veldener fingen vor langer Zeit einmal einen Hecht, steckten ihn in einen Vogelkäfig und glaubten, er würde da das Singen lernen. Der Hecht aber krepierte, ohne nur einen Ton von sich gegeben zu haben. Seitdem spricht man vom "Veldner Hecht", wenn jemand eine Dummheit macht.
Die Allhartsmaiser lasen einmal in der Bibel von dem Lande, das von Milch und Honig floß und meinten, es wäre ganz gut möglich, daß auch in ihrer Gegend der Boden Honig berge (in bezug auf die Milch wollten sie in Zukunft mit der zufrieden sein, die ihnen ihre Kühe und Ziegen liefern). Sie gruben deshalb ganze Tagwerk klaftertief um; aber selbstverständlich ohne jeden Erfolg. Will man die Allhartsmaiser in Harnisch bringen, so darf man sie nur fragen: "wo habts denn d' "Henigruabn?" Ein paar Kößlarner waren eines Nachts auf Beute ausgezogen und schlichen schwer bepackt vor Tagesanbruch wieder heim. Unterwegs wurden sie aber von der Polizei gestellt. Auf Befragen, was sie in ihren Säcken hätten, erwiderten sie: "Köastöck!" und so werden nun alle Kößlarner genannt, wenn man sie ärgern will.
Die Einwohner von Simbach bei Landau am Inn wollten gleich anderen Orten einen ständigen Schrannentag haben und zwar an jedem Mittwoch. Sie schickten daher eine Abordnung an den König, ihn zu bitten, daß er ihren Wunsch gewähre. Das Volk ist kurz und bündig im Ausdruck und so baten die Simbecker: "Herr Küni, gib uns an Migga!" 1) "Den sollt ihr haben", sagte der lachend. "Jede Woche einen; vorher noch dazu einen Dienstag und nachher einen Donnerstag!" "Dös is z'viel, Herr Küni! Dös is z'viel! Mia glang ma schon mit n Migga!" erwiderten freudig wieder die von Simbach.
Wenn ihr einmal zu einem Simbecker kommt, dann fragt ihn, ob Simbach noch immer seinen Migga hat!
Aber auch die Frage nach der roten Geiß bringt die Simbecker aus ihrer Ruhe. Wer darnach fragt, sehe sich aber vor! Man wird ihn in einen Stall führen und ihn dort einzusperren versuchen.
Auch andere Orte haben ihre Spitz- und Spottnamen:
Die Vilshofener heißen Bullenbeißer,
die Vohburger gleich den Kößlarnern Köastöck,
die Pförringer Leberwürst,
die Geisenfelder Hanfstengl,
die Abensberger Windlwascher,
die Steinbacher Kropfate,
die Bewohner von Au b. Fr. d' Baron,
die Mitterskirchner Kreuzerweckenbeißer,
die Eschlkamer die Stolzn,
die Taubenbacher und Seibersdorfer Gratnschnapper.
Die Wurmannsquicker fragt man nach der Drehbank,
die Eggenfeldener nach dem Galgen,
die Reisbacher nach dem Schimmel. Ein weiß, porzellanener Zweiliterkrug steht in der Nische eines Gasthauses und wer die Reisbacher - eigentlich sagt man die Reisbecker - mit dem Schimmel "aufzwickt", muß ihn auf seine Kosten füllen lassen.
Die Deggendorfer fragt man nach den Knödeln,
die Passauer nach dem Passauer Tölpel.
Weiters spricht man von den laufenden Bayerbeckern und den schauenden Wengern.
Von Nöham erzählt man, daß sich dort der Hund am "Weltkirda" erhängt habe und von Englburgsried, daß da die Geiß den Hund "derbissn", das ist totgebissen, hat.
Elisabethszell nennt man Zweschbnzell.
Den Iggensbeckern sagt man:
D'Iggnsböcka, blauö Mo(n)ta(g)brüada,
gengan furt am Sunnta, kömman hoam am Irda;
wenn's nocha weng an Geld nöt is,
nocha is ön Irda 2) no nöt gwiß.
Um Winzer hört man:
Wer durch Neßlbach geht und spürt koan Wind,
wer durch Winzer geht und sehgt koa Kind,
wer durch Oida 3) geht und kriagt koan Spott,
der hat a bsundre Gnad vom liabn Gott!
In Staning bei Chamerau soll sich vor langer Zeit einmal ein herrschaftliches Gefängnis, vielleicht ein Schuldturm, befunden haben.
Daran erinnern die Spottverse:
In Staning is s Zuchthaus.
Wer a Geld hot, der kimmt wieda aus;
wer koans hot, muaß drinnat bleibn
und Spinnradl treibn!
1) Mittwoch.
2) Dienstag. Jrta = Eritag, Erchtag, Erichtag.
3) Niederalteich.
Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen