Das Galgenhaus in Berlin.

Das Haus No. 10 der Brüderstraße in Berlin führt den Namen das Galgenhaus; es befand sich an demselben ein Loch, das mit einem eisernen Gitter versehen war und als Kellerloch benutzt wurde; dieses hat dem Hause den Namen gegeben.

Unter der Regierung König Friedrich Wilhelm's I. hatten die Hausdiebstähle in Berlin dermaßen über Hand genommen, daß der König diesem Unfug nicht anders ein Ziel setzen zu können glaubte, als durch den harten Befehl, Jeden, der als Hausdieb entdeckt wurde, sofort und ohne lange weitere Untersuchungen vor dem Hause, in dem er gestohlen, an einem dazu aufgerichteten Galgen, der aus einem Schandpfahle mit einem Arme bestand, aufzuhängen. Kaum war der Befehl bekannt gemacht, als abermals ein Diebstahl ruchbar ward, in dem Hause eines Ministers war ein silberner Löffel, auf den der Minister großen Werth legte, entwendet worden. Es ward eine strenge Untersuchung angestellt, aber Niemand wollte es gewesen sein und Alle wälzten natürlich den Verdacht nach Möglichkeit von sich ab. Endlich blieb derselbe auf einem armen Dienstmädchen, die nur erst seit kurzer Zeit in Dienst getreten war, haften, sie konnte sich nicht von demselben reinigen, und da sie arm und freundlos war, auch keinen Vertheidiger fand, ward sie zum Tode verurtheilt und so unlieb es auch dem Minister war, daß gerade vor seinem Hause eine solche Execution stattfinden sollte, er mußte es sich gefallen lassen, daß der Befehl des Königs vollzogen ward. Das Mädchen ward ohne Gnade unter ungeheurem Menschenzusammenlauf gehängt. Ein Jahr war schon ins Land gegangen und noch immer war die Hinrichtung nicht vergessen, zum großen Verdruß des Ministers standen fortwährend Gruppen von Menschen auf der Straße, welche das Haus angafften, vor welchem das traurige Schauspiel stattgefunden hatte. Da kam auf einmal die Unschuld der armen Hingemordeten ans Licht. Eine zahme, im Hause gehaltene Ziege hatte den Löffel verschleppt und ihn auf einmal wieder aus ihrem Versteck hervorgebracht. Nun drängten sich täglich die Menschen haufenweise vor das Haus, um die Ziege, den Löffel und den Ort zu sehen, wo ihn jene verborgen hatte. Der Minister konnte und wollte nicht länger in dem Hause bleiben, er bot es vergeblich zum Verkauf aus, aber Niemand wollte das Galgenhaus - so nannte man es fortan spottweise - haben, da ließ der König, der natürlich sogleich das strenge Gesetz wegen der Hausdiebe, nachdem ihm die traurige Geschichte zu Ohren gekommen war, aufhob, dasselbe durch den Magistrat ankaufen, allein es behielt den ominösen Namen für immer und das Volk glaubt noch heute, daß in dem erwähnten Loche einst der Galgen gestanden hat.

Quelle: Grässe, Johann Georg Theodor, Sagenbuch des Preußischen Staates, Glogau, 1868/71, S. 186.